Enge Vorschriften für WanderungenBergische Wandervereine sehen ihre Existenz bedroht

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Der Waldweg ist leer: Wenn die Neuregelungen zu Touren durch Naturschutzgebiete bleiben, wollen viele Wanderführer aufhören.

Der Waldweg ist leer: Wenn die Neuregelungen zu Touren durch Naturschutzgebiete bleiben, wollen viele Wanderführer aufhören.

Rhein-Berg – „Wenn diese Genehmigungsvorschriften so auch für uns gelten, dann ist unser über 80 Jahre alter Wanderverein tot – und mit ihm 500 Touren, die wir pro Jahr anbieten“, macht Hans Weber seinem Unmut Luft.

Der Vorsitzende der Wanderfreunde Bergisches Land, einer Abteilung im Sauerländischen Gebirgsverein, war nicht der einzige Wanderführer, der diese Woche bei einem Vorgespräch zur Bergischen Wanderwoche heftige Kritik an der neuen Genehmigungspraxis des Rheinisch-Bergischen Kreises übte. Auch beim Deutschen Wanderverband in Kassel und in bergischen Forstämtern schüttelte man den Kopf.

Viele Touren nicht mehr genehmigungsfähig

Wie berichtet sieht die Neuregelung für geführte Wanderungen auf Wegen, die durch Naturschutzgebiete führen, je nach Teilnehmerzahl teils erhebliche Formalitäten und Restriktionen vor. Nur Touren mit maximal 20 Teilnehmern lassen sich überhaupt noch ohne Genehmigungsgebühren anmelden. Touren mit mehr als 40 Personen sind vielfach gar nicht mehr genehmigungsfähig, wenn sie eins der Naturschutzgebiete berühren. Und dazu gehören ja auch große Teile des Königsforsts, der Hardt in Bergisch Gladbach sowie an Agger, Dhünn und Eifgenbach.

Dass die Auflagen für alle Organisationen gelten – daran ließen die Vertreter des Kreises gleich zu Beginn der Wanderführerveranstaltung keinen Zweifel. Folglich sind Wandervereine ebenso betroffen wie Sportvereine oder auch der Förster, der mit einer Schulklasse im Königsforst unterwegs ist.

Förster üben Kritik an Neuregelung

„Wir wissen nichts von der Regelung, sind offiziell nicht informiert worden“, sagt der zuständige Fachgebietsleiter im Regionalforstamt Bergisches Land, Hermann Fröhlingsdorf, auf Anfrage.

Ein anderer Forstmann, der nicht genannt werden möchte, schüttelt den Kopf: „Die Wandergruppen sind doch nicht die, die uns in den Naturschutzgebieten Probleme machen. Da schießt man in Rhein-Berg auf ganz falsche Ziele. Und draußen überprüft das von denen doch kein Mensch. Solch eine Regelung gibt es in keinem anderen Kreis.“

„Belastet mit Bürokratismus“

Ute Dicks, Geschäftsführerin des Deutschen Wanderverbands, der 57 Mitgliedsorganisationen und darin rund 600.000 Wanderer vertritt, zeigt sich fassungslos, als sie von dieser Zeitung mit dem vom Naturschutzbeirat des Rheinisch-Bergischen Kreises verabschiedeten „Konzept zu Wanderveranstaltungen in Naturschutzgebieten“ in Rhein-Berg konfrontiert wird: „Bessere Partner des Naturschutzes als Wanderer gibt es doch kaum. Aber anstatt sie sich zu Partnern zu machen, belastet man sie zusätzlich mit so einem Bürokratismus.“

Der Naturschutz gehöre zur Ausbildung sämtlicher Wanderführer fest dazu, so Dicks. Nicht nachvollziehen kann sie vor allem, warum die Regelungen auch für die zertifizierten Wanderwege gelten, die schon bei ihrer Ausweisung aufwendig auch durch den Naturschutz geprüft worden seien. „Die Naturschutzbehörde hat jeden Weg genehmigt, das ist uns ganz wichtig, und oft haben wir dafür noch viele Wegeabschnitte geändert“, so Dicks. Sicherlich müssten Naturschutzgebiete vor Events geschützt werden, so Dicks, „aber eine geführte Wanderung ist doch noch lang kein Event“.

Ziel waren Massenveranstaltungen

„Der vernünftige Hintergrund der Neuregelung war, dass wir Massenveranstaltungen aus Naturschutzgebieten heraushalten wollten“, sagt Mark vom Hofe, der Vorsitzende des Naturschutzbeirats, auf Anfrage. Die Neuregelung sei der Versuch, ein „Gerüst“ aufzubauen, um Auswüchse in den Griff zu bekommen.

Ob das mit dieser Regelung funktioniere, müsse sich zeigen. „Unangemeldete Touren bekomme ich so natürlich nicht in den Griff“, so vom Hofe. Und es könne ja auch nicht Ziel sein, dass ein Männerchor oder eine Kegelgemeinschaft, die seit Jahren am 1. Mai eine Wanderung unternehme, jetzt nicht mehr wandern gehen könne. Die Touren des Bergischen Naturschutzvereins (RBN), dessen Vorsitzender vom Hofe ist, seien nicht betroffen, da man bewusst vor allem außerhalb von Naturschutzgebieten unterwegs sei. „Aber sonst würden wir unsere Touren natürlich auch ganz normal melden.“

Diskussion noch nicht zu Ende geführt

Für Hans Weber von den Wanderfreunden Bergisches Land, der nur aus dieser Zeitung über die Neuregelung erfahren hatte („Wir waren zu keiner Zeit eingebunden“), ist das Problem noch nicht vom Tisch: Hundert Prozent seiner Wanderführer hätten gesagt, dass sie aufhören, wenn sie ihre Touren künftig anmelden müssten. „Und wir können ja auch nicht den 21. Mitwanderer dann am Start stehen lassen“, so Weber im Hinblick auf die Teilnehmerbegrenzungen.

Eine eigentlich bereits avisierte Sondersitzung seines Vereins stellte er am Ende nur deshalb zurück, weil Gerd Wölwer als zuständiger Dezernent beim Kreis ankündigte: „Wir kommen noch einmal zu Gesprächen auf euch zu.“ Der Ausgang des Gesprächs dürfte zeigen, wie es nicht nur mit den Bergischen Wanderfreunden in Zukunft weitergeht.

Geführte Wanderungen auf Wegen in Naturschutzgebieten

Die Neuregelung des Rheinisch-Bergischen Kreises zur Genehmigung von geführten Wanderungen und Veranstaltungen auf Wegen in Naturschutzgebieten sieht unterschiedliche Verfahren für vier verschiedene Arten von Wanderungen vor.

Fallkategorie 1: Geführte Wanderungen mit bis zu zehn Teilnehmern sind nicht mehr „Veranstaltung im Sinne der Landschaftspläne“ und müssen lediglich beim Artenschutz des Kreises „angezeigt“ werden.

Fallkategorie 2: Wanderungen mit elf bis 20 Teilnehmern müssen beim Amt für Planung und Landschaftsschutz sowie bei den Verantwortlichen für den Artenschutz beim Kreis angemeldet werden. Diese können dann ein Veto einlegen, wenn etwa eine Tour während der Brutzeit einer besonders geschützten Tierart durch ein Naturschutzgebiet geführt werden soll. Gebühren für eine Genehmigung, die im Vorjahr leicht mal etliche hundert Euro für eine Tour auf einer Fernwander- wegsetappe betragen konnten, sollen nicht mehr anfallen. Allerdings müssen die Wanderführer einen Fachkundenachweis vorlegen. Dazu ist eine Aus- oder Fortbildung zum Naturführer nötig.

Fallkategorie 3: Wenn die Gruppe größer ist als 20 Personen, bedarf es eines zweiten zertifizierten Wanderführers sowie weiterhin einer formalen kostenpflichtigen Genehmigung durch die Naturschutzbehörde beim Kreis.

Fallkategorie 4: Nicht mehr genehmigungsfähig sind Wanderveranstaltungen mit mehr als 40 Teilnehmern, die Wege in einem Naturschutzgebiet nutzen wollen. Einzige Ausnahme: Traditionsveranstaltungen wie der Königsforstmarathon, die vor Inkrafttreten des Verbotes im Landschaftsplan regelmäßig ausgeübt wurden.

In jedem Fall genehmigungspflichtig sind Exkursionen mit Eventcharakter sowie sportliche oder thematische Veranstaltungen wie vogel-, fledermaus-, amphibien- und reptilienkundliche Exkursionen.

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