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LeseförderungDas Buch als Übungsplatz für Empathie

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lesen beflügelt Fantasie und Empathie

Köln – Manuela Hantschel ist Literaturpädagogin und Vorsitzende des Bundesverbandes Leseförderung. Im Interview erzählt sie, wie man Kindern für Bücher begeistern kann.

Immer mehr Kinder verbinden mit Bücherlesen Schule und Pauken – nicht aber Spaß und Spannung. Was entgegnen Sie ihnen?

Ich würde ihnen nicht erklären, was Lesen bedeutet, sondern sie die Figuren und Handlungen erleben lassen. Grundsätzlich ist jedes Kind interessiert an Geschichten, man muss es damit nur überraschen, irritieren, um es neugierig zu machen. Lesen lässt sich nicht befehlen.

Verraten Sie trotzdem, was Lesen bedeutet – und bewirken kann?

Lesen bedeutet Emotion, Empathie und Fantasie und lässt die Welt besser verstehen. Wie leben andere anderswo? Welche Lebensmodelle gibt es außer meinem eigenen? Lesen macht neugierig auf das, was den anderen als Menschen ausmacht, was sich hinter Fremdem verbirgt. Lesen ist damit der beste Übungsplatz für Empathie und Fantasie.

Dennoch steigt der Anteil der Lesemuffel – Woran liegt’s?

Zwar ist nachgewiesen, dass Vielleser immer mehr lesen, aber ihre Gruppe wird kleiner, weil der Anteil der Nichtleser steigt. Das hängt mit den Elternhäusern zusammen, in denen Bücher eine immer geringere Rollen spielen – aber auch mit dem Schulsystem. Wenn es Grundschüler statt mit Büchern mit Arbeitsblättern oder Kopiervorlagen zu tun haben, wird sich dadurch eventuell ihre Lesefertigkeit und das Lesetempo verbessern, nicht aber ihre Lesebegeisterung, ihre Faszination für Bücher und Geschichten geweckt.

Was haben Vielleser Nichtlesern voraus?

Sie haben einen größeren Wortschatz und mehr Weltwissen, erkennen Zusammenhänge besser. Gute Bücher geben keine Antworten, sie stellen Fragen. Genau das wollen Kinder, sie möchten selber nach Lösungen suchen. So lautet auch das Motto unseres Bundesverbandes Leseförderung: Wer liest, lernt zu verstehen. Wer versteht, kann Fragen stellen. Und wer Fragen stellt, kann Dinge verändern.

Apropos „Dinge verändern“. Kann Lesen soziale Unterschiede überwinden?

Ein Buch ist keine Apotheke und vermag es sicher nicht, soziale Unterschiede aufzuheben. Aber es macht sensibler für das Leben miteinander, zeigt Handlungsmuster auf, wie man sich verhalten könnte, wenn ein anderer zum Beispiel ausgegrenzt, gemobbt wird. Diese menschlichen Werte, die Bücher vermitteln, braucht unsere Gesellschaft immer dringender.

Bücher befreien aus der Einsamkeit, heißt es.

Es ist bewiesen, dass sich Leser während der Lektüre die Figuren so vorstellen, als seien sie real mit ihnen zusammen – und sie unbedingten verstehen wollen: ihre Ängste, Wünsche und Fehler.

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