Finanzskandal in MünsterpfarreiBonner Stadtdechant Schumacher verzichtet auf Ämter

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Das Bonner Münster

Köln – In der Bonner Münsterpfarrei Sankt Martin ist es zu einem millionenschweren Finanzskandal gekommen. Das Kölner Erzbistum bestätigte am Freitag in einer Mitteilung Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“, denen zufolge das Controlling des Erzbistums ein über mehrere Jahre hinweg währendes Missmanagement durch den örtlichen Rendanten (kirchlicher „Rechnungsführer“ und Finanzverwalter) feststellte.

In der Erklärung  von Freitagmittag heißt es wörtlich: „In den Jahren 2009 bis 2014 ist es in der Bonner Kirchengemeinde St. Martin zu einer unzulässigen Verwendung kirchlicher Finanzmittel in Höhe von knapp einer Million Euro gekommen.“

Löcher im Etat gestopft

Konkret geht es darum, dass mit Geld aus dem „Kirchenfabrikvermögen“ – das sind alte Finanzbestände, aus denen der Unterhalt der Pfarrkirche beglichen wird – Löcher im Etat der Pfarrei gestopft wurden.

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Verursachte offenbar jahrelang Defizite: Der Münster-Laden in der Gerhard-von-Are-Straße direkt hinter dem Bonner Münster.

Diese entstanden durch defizitäre Unternehmen der Pfarrei wie den Betrieb des „Münster-Carrés“, von dem wiederum ein wichtiger Bestandteil der „Münsterladen“ ist, in dem Bücher und Devotionalien für Touristen verkauft werden.

Das Erzbistum wirft den Verantwortlichen in Bonn vor, langfristig angelegte Finanzmittel der Gemeinde nicht, wie verpflichtend vorgesehen, wieder angelegt zu haben.

Dabei geht es allerdings nach Angaben des Erzbistums nicht um persönliche Bereicherung der Verantwortlichen, wie dem inzwischen längerfristig krankgeschriebenen Mitarbeiter.

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Was das Erzbistum insbesondere dem verantwortlichen Pfarrer und Stadtdechanten, Wilfried Schumacher, aber sehr wohl vorwirft, ist seine „besondere Aufsichts- und Vermögensbetreuungspflicht" verletzt zu haben.  Es habe deshalb keine Möglichkeit gegeben, hier „ein Auge zuzudrücken“, weil die Kirche als Arbeitgeber von allen ihren Mitarbeitern größte Sorgfalt und peniblen Umgang mit Finanzen fordere. 

Schumacher erkennt „funktionale Verantwortung“ an

Die Untersuchung der Finanzlage der Gemeinde durch die interne Revision und eine externe Wirtschaftprüfungsgesellschaft habe für „Monsignore Schumacher eine zentrale Schnittstellenfunktion festgestellt, aus der sich seine hervorgehobene Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Überwachung der Abläufe und handelnder Personen sowie der Steuerung der wirtschaftlichen Entwicklung der Kirchengemeinde St. Martin ableitet". 

Der Stadtdechant erkenne seine „funktionale Verantwortung" an. Schumacher verzichtete deshalb laut der Mitteilung am Freitag „mit sofortiger Wirkung“ auf seine Ämter als Pfarrer und Stadtdechant. 

Nach rechtlicher Prüfung verzichtet das Erzbistum auf eine Strafanzeige oder zivilrechtliche Konsequenzen. Wie verlautet, sehen die juristischen Experten hier keine Handhabe.

Ermittlungen von Amts wegen offen

Offen blieb dabei zunächst, ob die Staatsanwaltschaft von sich aus tätig wird und zum Beispiel wegen Untreue oder Beihilfe zur Untreue gegen die Verantwortlichen der Münstergemeinde ermittelt. Für eine entsprechende Anfrage war im späteren Verlauf des Freitags kein Behördenvertreter erreichbar.

Schumacher selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. In der Pressestelle der Münster-Pfarrei wurde kommentarlos auf das Erzbistum verwiesen. Die auf Jahre ausgelegte grundlegende Sanierung des Bonner Münsters, einer der ältesten Kirchen des Rheinlands, sei „durch die Vorgänge nicht beeinträchtigt", teilte das Erzbistum mit.

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Der Bonner Stadtdechant Wilfried Schumacher, hier bei einem Auftritt als Gerhard von Are mit einem Modell des Münsters in der Hand, verzichtet auf seine Ämter. 

Ungewöhnlich hartes Vorgehen Woelkis

Insgesamt ist von einem ungewöhnlich harten Vorgehen des Erzbischofs gegen Schumacher die Rede. Der populäre Geistliche, 1949 in Bonn geboren und 1974 zum Priester geweiht, ist seit fast 20 Jahren am Bonner Münster tätig. Neben seiner Rolle und der Mitverantwortung der örtlichen Gremien stellt sich auch die Frage nach der Sorgfaltspflicht des Generalvikariats in Köln, das seit dem 1. Mai unter der Leitung des neuen Generalvikars Markus Hofmann steht.

Für ihn ist der Skandal die erste Bewährungsprobe nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt. „Misswirtschaft in solchem Umfang hätte dem Generalvikariat in Köln längst auffallen müssen. Die Sanktionierung des Pfarrers entbindet die zuständigen Stellen in Köln nicht ihrer Mitverantwortung“, sagte ein Experte für das kirchliche Finanzwesen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. 

Kenner der Kölner Kirche halten es nicht für ausgeschlossen, dass Schumacher auch deswegen so scharf angegangen werde, weil er als entschiedener Gegner der geplanten pastoralen Reformen im Erzbistum mit der Zusammenfassung ehemals selbstständiger Pfarreien zu sogenannten „Sendungsräumen“ gilt.

Warnung vor „Legendenbildung“

Hinter vorgehaltener Hand wurde aber auch vor einer voreiligen „Legendenbildung“ gewarnt. Mit einer gewissen Portion Sarkasmus hieß es dazu, Kardinal Woelki hätte viel zu tun, wenn er jeden chassen wolle, der dem Reformprozess kritisch gegenüberstehe – und womöglich am Ende keine Pfarrer mehr.

Nachtrag vom 13. Juni 2018:

Am Freitag, 11. Mai, trat Wilfried Schumacher mit sofortiger Wirkung als Pfarrer und Stadtdechant zurück. Dem war ein Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom Vortag vorausgegangen, dem zufolge das Erzbistum beabsichtige, ihn seiner Ämter zu entheben und Anzeige wegen Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue gegen ihn, den für die Finanzverwaltung verantwortlichen Rendanten sowie gegen den ehrenamtlich tätigen Kirchenvorstand zu erstatten.

Das Erzbistum erklärte dazu am Freitag, dem Tag von Schumachers Rücktritt, es habe zu keinem Zeitpunkt erwogen, in der beschriebenen Weise gegen den ehrenamtlichen Kirchenvorstand vorzugehen. Es habe zwar eine Strafanzeige gegen die genannten hauptamtlich Tätigen geprüft, jedoch nicht weiter in Betracht gezogen.

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