Bugs MobilMittwochs, bei Wind und Wetter

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Vor dem bunten Bugs-Bus ist immer was geboten

Köln – „Hier passiert Integration“, sagt Sarah Dederichs. Und wer an diesem verregneten, grauen Mittwochnachmittag für eine Weile das Gewusel rund um den quietschbunten Bus auf dem Rathenauplatz beobachtet, weiß dass das kein bisschen übertrieben ist.

Mit und ohne Handicap

Da spielen, sporteln, schnibbeln 20 Kinder zwischen sieben und 14 Jahren – jeder Herkunft, in Köln oder Kabul geboren, aus bildungsnahem und -fernem Elternhaus, arm, reich, mit und ohne Handicap. Und sie profitieren voneinander. Wie jeden Mittwochnachmittag für drei Stunden ab 16 Uhr, wenn Sarah Dederichs und Philipp Köster von „Bugs Mobil“, der offenen Jugendarbeit des Caritasverbands, die Inhalte ihres Busses auf dem Platz verteilen: Hockey- und Badmintonschläger, eine Tischtennisplatte, Fuß- und Basketbälle, Tische und Bänke und wöchentlich wechselnde Bastel-Utensilien.

Eine verlässliche Konstante

Seit elf Jahren besucht das rollende Jugendzentrum Mittwoch für Mittwoch, bei minus sechs oder plus 36 Grad den Rathenauplatz – und bietet den Kindern im Veedel damit eine verlässliche Konstante. „Es ist wichtig, dass wir immer hier sind, und die Kids sich darauf verlassen können: Sarah und Philipp haben ein spannendes Freizeitangebot für uns“, sagt Sozialpädagogin Dederichs und fügt an: „Zumindest ein Mal pro Woche für drei Stunden muss sich hier kein Kind im Viertel einsam, alleine oder ausgeschlossen fühlen.“

Von wegen Anonymität!

Hier treffen sich Freundinnen und Freunde, die durch einen Schulwechsel getrennt wurden, regelmäßig wieder. Flüchtlingskinder alleinreisender Mütter, die im benachbarten Elite-Hotel untergebracht sind, finden Anschluss. Und auch die ein oder andere Mutter hat den Ort der Begegnung zu schätzen gelernt, den ihr das „Bugs“-Team mittwochs bietet. „Das ist wie ein Dorfplatz, auf dem alle miteinander spielen, der Hintergrund ist völlig egal – hier hebt sich die Anonymität der Großstadt auf“, schwärmt eine Mutter, die anonym bleiben möchte und heute wie sechs andere Mütter auf der Elternbank – einer inzwischen festen Größe des Angebots – Platz genommen hat.

Wo Lieben entstehen

Zu der Stammgruppe von rund 15 Vätern und Müttern, die für drei Stunden klönen, während ihre Kinder spielen, sporteln, schnibbeln, gehört auch Julia Keppel. Die Mutter von Leah, 12, und Emma, 8, kommt „seit gefühlten Ewigkeiten“ auf den Rathenauplatz, wo sie neben Freunden für sich und ihre Kinder auch einen Lebensgefährten gefunden hat.

Spitzenteam mit Herz

Astrid Averes, Mutter von Greta, 11, und Ole, 8, ist voll des Lobes für das „Spitzenteam“, das sich mit Herzblut für die Veedelskinder, also die „Rathenau Gang“, wie sie sagt, engagiert. Tochter Greta mag vor allem, „dass ich hier nicht lernen muss und an der frischen Luft sein kann“. Ihre Freundin Lucy, 10, Stammbesucherin seit der ersten Klasse, liebt „Spiele mit Bewegung und das Superteam“. Auf der Bank vor dem bunten Spielmobil sitzen Emma, 8, und Bakjona, 17, dicht an dicht und flechten Freundschaftsarmbänder. Bakjona kam vor drei Jahren mit ihren fünf Geschwistern aus Albanien nach Köln in das Apartmenthaus am Rathenauplatz – hat bei „Bugs“ Deutsch gelernt und auch echte Freundschaftsbande geknüpft. Inzwischen besucht sie die Katholische Hauptschule am Großen Griechenmarkt und Mittwoch für Mittwoch, komme was wolle, den Rathenauplatz.

Preise abgesahnt

Neben dem Sport-, Bastel- und Beratungsangeboten stehen regelmäßig auch Wettbewerbe und Sonderprojekte auf dem „Bugs“-Programm. So haben Greta, Lucy, Ildar und Justin im vergangenen Jahr den Sonderpreis „Gleiches Recht für alle oder etwa nicht? – Kinderrechte auch für Flüchtlinge!“ der Caritas gewonnen. In einer Fotogeschichte haben sie sich mit dem Thema Flucht und dem „Recht auf besonderen Schutz für Kinder, die vor Krieg und Gewalt in andere Länder fliehen müssen“ auseinandergesetzt – und wurden dafür mit 250 Euro belohnt.

Kurzfilm geplant

„Gerade planen wir das Kurzfilmprojekt »Die Pänz vom Platz und ihre Sicht auf ihr Veedel«“, sagt Dederichs. Ziel sei, damit allen Kindern ein gleichberechtigtes Erfolgserlebnis zu bieten – und auch die Bürgergemeinschaft einzubeziehen. Die nämlich, genauer: der Verein „Bürgergemeinschaft Rathenauplatz e.V.“ unterstützt das „Bugs“-Projekt von der Pike auf auch finanziell. Daneben gibt es Gelder von der Stadt Köln und dem Caritasverband. „Aber für die Umsetzung von Sonderprojekten, wie dem geplanten Kurzfilm, sind wir dringend auf Spenden angewiesen“, sagt „Bugs“-Leiterin Sabrina Exler.

Integration für immer

Nicht nur den Rathenauplatz sucht das „Bugs“-Team auf. Mit drei umgerüsteten Bussen sind die pädagogischen Mitarbeiter auch am Brüsseler Platz, am Marktplatz in Neubrück und in der Otto-Gerig-Straße in Deutz präsent. Am Wochenende steht abends außerdem ein Bus auf dem Ring zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz. Für viele ältere Jugendliche ist das Angebot „Freak–out“ inzwischen eine feste Anlaufstelle im Kölner Nachtleben.

Und wenn die „Rathenau-Gang“ das Jugendalter erreicht hat, steht für sie eine neue, verlässliche Konstante bereit: Das Jugendcafé Bugs in der Lindenstraße. Weil Integration nie enden darf.

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