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Interview mit Ex-Außenminister Kinkel„Trumps kindisches Gehabe ist zum Fürchten“

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Der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel (FDP).

Der frühere Außenminister Klaus Kinkel (FDP) übt scharfe Kritik am US-Präsidenten und fordert die Europäer auf, in der Iran-Politik gemeinsam mit Russen und Chinesen gegen zu halten.

Herr Kinkel, der Konflikt um den Iran scheint zu eskalieren. Wie gefährlich ist aus Ihrer Sicht die Lage?

Die Lage ist nicht ungefährlich. Andererseits glaube ich nicht, dass es zu einer dramatischen militärischen Auseinandersetzung kommt. Trump ist zweifellos mitschuldig an dem, was sich zwischen Israel und dem Iran entwickelt. Die Kündigung des Atomabkommens war unverantwortlich. Sie bringt gewaltige Schwierigkeiten zwischen den Europäern und Amerika. Ich glaube, dass die Europäer mit Chinesen und Russen gemeinsam hart reagieren müssen.

Wie gefährlich ist die Lage speziell für Israel?

Israel ist die militärisch stärkste Macht in der Region. Aber was sich aus dem iranischen Engagement in Syrien entwickelt, ist schwer vorhersehbar.

Ist Europa stark genug, um gegenzusteuern?

Ja, das glaube ich schon. Zweifellos ist die Lage schwierig. Aber ich halte es für undenkbar, dass die Europäer jetzt einfach nachgeben.

Ließe sich aus Ihrer Sicht ein besseres Abkommen erreichen? Immerhin hat der Iran ja auch Schwächen, nicht zuletzt in wirtschaftlicher Hinsicht.

Das ist eher illusorisch. Der Iran hat sich bereits entsprechend ablehnend geäußert. Das Abkommen ist zwar nicht ideal. Aber es war das beste Abkommen, das zu erreichen war.

Aktuell gefährlicher als eine etwaige iranische Atombombe ist der Umstand, dass der Iran sich überall in der Region militärisch einmischt – im Jemen, im Libanon, in Syrien. Lässt sich dem Einhalt gebieten?

Das halte ich für eher schwierig. Der Iran ist regional stark und hoch engagiert unterwegs. Militärisch dagegen vorzugehen, kommt wohl nicht infrage. Die Israelis haben das zwar des Öfteren schon erwogen, wären dazu kräftemäßig aber nicht in der Lage ohne amerikanische Unterstützung. Trotzdem allem darf die Aggressivität des Iran nicht unterschätzt werden.

Der neue US-Botschafter Richard Grenell hat deutsche Unternehmen aufgefordert, ihre Investitionen im Iran nun zurückzufahren. Kann Deutschland sich diesen Ton gefallen lassen – zumal von einem Mann, der gerade erst angekommen ist?

Vielleicht sollte sich der amerikanische Botschafter zu Beginn seiner Amtszeit hier ein bisschen mehr zurückhalten. Wenn es ernst wird, wird die deutsche Wirtschaft allerdings Probleme haben, sich zwischen einem Engagement im Iran und in den USA zu entscheiden. Das muss man sehen. Trump jedenfalls ist alles zuzutrauen.

Aus der transatlantischen Kooperation scheint jetzt Konfrontation zu werden. Sie selbst sagten soeben, dass sich die Europäer gemeinsam mit Russen und Chinesen gegen die amerikanische Entscheidung stellen sollten. Das zeigt ja schon, wie außergewöhnlich die Situation ist.

Die Situation ist außergewöhnlich; das ist gar keine Frage. Und ich bin sehr besorgt und auch traurig. Ich habe selbst persönlich und politisch miterlebt, was das Verhältnis zu Amerika nach 1945 für uns Deutsche bedeutet hat. Wenn man die Gegenwart betrachtet, kann man nur verstört und unruhig in die Zukunft blicken.

Was kann Europa tun, um den weiteren Zerfall des Bündnisses aufzuhalten? Bis zur nächsten US-Präsidentschaftswahl vergehen ja noch ein paar Jahre.

Die Beziehungen Deutschlands und Europas zu den USA bleiben trotz Trump zentral wichtig. Wir dürfen auch nicht darüber hinwegschauen, dass er aus amerikanischer Sicht und was zum Beispiel das Verhältnis zu Nordkorea anbelangt, einiges bewegt. Wir müssen ansonsten leider mit Trump leben, einem irrlichternden Twitterer, der offensichtlich nicht genau weiß, was er da gerade anrichtet, wenn er sich morgens, mittags und abends unterschiedlich äußert. Als nach wie vor stärkster Mann in der Weltpolitik müsste er eigentlich in dieser aus den Fugen geratenen Welt ein ordnender Faktor sein. Trump ist das Gegenteil. Sein fast kindisches und nur auf sich selbst bezogenes Gehabe ist einerseits zum Lachen und andererseits zum Fürchten.

Das Gespräch führte Markus Decker

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