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Nach Tod des FamilienvatersFeinkost Ortsiefer schließt nach sechs Jahrzehnten

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Ein Buddha inmitten des Weinsortiments, für das der Feinkostladen besonders bekannt war.

Ein Buddha inmitten des Weinsortiments, für das der Feinkostladen besonders bekannt war.

Weidenpesch – Die Abwicklung ihres Ladens, der mehr als 60 Jahre bestand, ist emotional besetzt und fällt der Familie Ortsiefer sehr schwer. Knapp acht Monate nach dem plötzlichen Tod von Dieter J. Ortsiefer, der die Geschäfte über Jahrzehnte führte, ist Ende Mai im Laden an der Ecke Derfflingerstraße/Neusser Straße Schluss. Momentan läuft der Verkauf der restlichen Bestände. „Schon kurz nachdem unser Vater verstorben war, wurde uns klar, dass es nicht mehr weitergehen kann“, bilanziert Roger Ortsiefer, der wie sein Bruder Phillip gelernter Koch ist.

Laden ist bereits verkauft

Der Laden ist nun an einen Nachfolger verkauft, der ab Juni etwas Neues in den Räumen beginnen möchte. Immer wieder verabschieden sich Stammkunden, die bereits Bescheid wissen. „Es ist so schade, dass Sie zumachen. Da geht uns im Veedel richtig etwas verloren“, so eine Kundin.

Es ist ein kleiner, verwinkelter, liebevoll eingerichteter und entschleunigter Laden, in dem man immer Entdeckungen – von Wein-Geheimtipps über Wurst von kleinen regionalen Höfen bis zu exquisiter, handverarbeiteter Schokolade – machen konnte. Gegründet wurde das Geschäft von Willy Ortsiefer 1955 an der Marzellenstraße in der City. Im Jahr 1957 übernahm die Familie den Laden am heutigen Ort in Weidenpesch zunächst als Zweitgeschäft; kurz darauf musste ihr Innenstadt-Laden einem Neubau weichen.

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Damals noch von unzähligen kleinen „Tante Emma“-Mitbewerbern im Veedel umringt, gehörten die Ortsiefers zu den Ersten, die sich bewusst auf Qualität und höherwertige Lebensmittel spezialisierten – sowie Ende der 1990er auf Bio-Fleisch, das es bis heute an der Frische-Theke gibt, damals aber noch die Ausnahme im Handel war. Auch das große Weinsortiment, für das der Laden vor allem bekannt ist, wuchs seit den Siebzigern ständig – auf zuletzt mehr als 1100 verschiedene Sorten. Noch in den 1990er Jahren hätten die Hobbyköche zeitweise in Dreierreihen im Laden gestanden, „nachdem sie in der Kochshow von Alfred Biolek wieder etwas Neues gesehen hatten“, erzählen sie lächelnd.

Keine gute Lage mehr

Der langsame Niedergang des Einzelhandels im Ort und die mit ihr gesunkene Kundenfrequenz habe mit dazu beigetragen, das Geschäft zu schließen. „Mein Mann glaubte bis zuletzt an die Renaissance der kleinen Läden“, so Luise Ortsiefer. „Doch früher bekam man hier im Viertel noch alles, von Schreibwaren bis Mode, man musste überhaupt nicht stadteinwärts fahren. Heute hingegen muss man es für fast alles.“

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„Lägen wir einen Kilometer weiter südlich im Nippeser Ortszentrum, hätten wir uns vielleicht noch mal überlegt, etwas Neues zu machen“, ergänzt ihr Sohn Roger, der sich noch gut an die Zeit erinnert, als er per Sackkarre die Senioren im Ort belieferte – eine frühe Art von Lebensmittel-Bringdienst. „Aber hier in Weidenpesch ist es nun mal schwer geworden.“ Auch die längeren Öffnungszeiten der Supermärkte hätten ihr Übriges getan.

Im vorigen Oktober war Dieter J. Ortsiefer kurz nach seinem 65. Geburtstag unerwartet verstorben. Nach dem Todesfall rappelte sich die Familie auf; irgendwie musste es weitergehen – und alle wuchsen über sich hinaus. „Er hatte sich bei uns um alles gekümmert, von der Buchhaltung bis zu den Ämtergängen“, betont seine Witwe.

Zusätzlich zu seinem Laden hatte er sich mit viel Liebe bei diversen Initiativen im Ort engagiert, allen voran beim Skater-Verein „Northbrigade“ an der Scheibenstraße, wo ihn alle – nach seinen Initialen – nur „DJ“ nannten; er hatte den 2015 eröffneten „Köllefornia“-Skatepark über Jahre vorangetrieben. „Er war eben ein Macher-Typ und riss viel an sich, wollte aber bei alledem nie im Mittelpunkt stehen“, so Phillip Ortsiefer. „Und einen Tag vor seinem Tod sagte er zum Northbrigade-Platzwart noch, heute ginge es ihm so richtig gut.“

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