150 Jahre altes DenkmalHaus in Ehrenfeld um mehrere Zentimeter eingesackt

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Deutlich zu sehen ist der Riss quer durch die Fassade des zweistöckigen Hauses.

Deutlich zu sehen ist der Riss quer durch die Fassade des zweistöckigen Hauses.

Köln-Ehrenfeld – Ein klaffender Riss von der Dachtraufe quer durch die Fassade lässt erahnen, wie schwer beschädigt das Haus sein muss. In der Hansemannstraße wurde ein Haus im Zusammenhang mit Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück dermaßen in Mitleidenschaft gezogen, dass ein Abriss unausweichlich scheint. Es steht unter Denkmalschutz. Politiker wollen es erhalten.

Etwa 150 Jahre alt ist das kleine, zweigeschossige Haus in der Hansemannstraße 2. Eines der ältesten Häuser in Ehrenfeld. Noch aus der Zeit als selbstständige Gemeinde. Auf dem Nachbargrundstück sind umfangreiche Bauarbeiten im Gange zum Bau von 39 Eigentumswohnungen.

Eigentlich hätte sich das kleine Häuschen mit seiner schmucken Stuckfassade harmonisch mit der modernen Architektur der neuen Gebäude ergänzen sollen. Die muntere Aufforderung „An die Bagger, fertig, los!“, die Projektentwickler WvM-Immobilien vor knapp einem Jahr launig auf seiner Facebookseite veröffentlichte, als die Baugenehmigung für das Projekt auf dem Nachbargrundstück endlich eingetroffen war, klingt jetzt ein wenig makaber.

Panoramablick auf die Baulücke mit dem beschädigten Haus an ihrem rechten Rand.

Panoramablick auf die Baulücke mit dem beschädigten Haus an ihrem rechten Rand.

„Das Haus ist zu einem Zeitpunkt eingesackt, als es nicht hätte passieren dürfen“, erklärt Christoph Keilbar, Projektleiter beim Immobilienentwickler WvM. Einer Beteiligungsgesellschaft des Unternehmens gehört das Haus. Es sollte saniert werden. Ein Antrag dazu, sei bei der Bauaufsicht eingereicht worden.

Um mehrere Zentimeter eingesackt

Wegen der Baugrube auf dem Nachbargrundstück sollte das Gebäude mit mehreren Betonriegeln unterfangen werden. Ausgerechnet während dieser Arbeiten gab der Gewölbekeller ein Stück nach. Im Nanometerbereich sei dies normal, hier jedoch sei das Haus um mehrere Zentimeter eingesackt. „Es zieht sich ein Riss durch das ganze Haus, so als sei es in zwei Teile zerbrochen“, berichtet Keilbar.

Menschen befanden sich nicht im Gebäude. Die Bauaufsicht sprach ein Betretungsverbot aus. Die Arbeiten auf dem Nachbargrundstück sind ausgesetzt. Zudem ist die Hansemannstraße wegen der Einsturzgefahr gesperrt. Fußgänger müssen in Höhe des Hauses Hansemannstraße 2 die Straßenseite wechseln.

So wie in dieser Visualisierung hätte es aussehen sollen: das Neubauprojekt in Weiß mit dem kleinen Haus.

So wie in dieser Visualisierung hätte es aussehen sollen: das Neubauprojekt in Weiß mit dem kleinen Haus.

In der Bezirksvertretung erkundigte sich die Fraktion Die Linke, was jetzt passieren soll. Die Verwaltung antwortete knapp: „Das durch Bauarbeiten schwer geschädigte Gebäude Hansemannstr. 2 soll abgebrochen werden. Die hierzu erforderliche Abbruchgenehmigung wurde beantragt, konnte allerdings noch nicht erteilt werden. Da sich die statischen Nachweise durch die Vorschädigung schwierig gestalten und darüber hinaus das Gebäude unter Denkmalschutz steht, sind noch Abstimmungen erforderlich. Das Gebäude wurde für den jetzigen Zustand temporär gesichert, somit besteht keine Gefahr für benachbarte Grundstücke.“

Bürgervereinigung schlatet sich ein

Bezirksvertreter Ralf Klemm (Die Grünen) reagierte sauer: „Dies ist aus meiner Sicht wiederum ein hervorragendes Beispiel, wie in Ehrenfeld und Köln mit denkmalgeschützten Gebäuden umgegangen wird.“ Noch nicht lange zurück liegt der Abbruch eines der ältesten Gebäude von Ehrenfeld überhaupt am Ehrenfeldgürtel 112. Dort verschwand ein Backsteinhäuschen, das in früheren Zeiten sogar als Rathaus der damaligen Gemeinde gedient haben soll.

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Die Bürgervereinigung Ehrenfeld meldete sich zur Hansemannstraße ebenfalls zu Wort und setzt sich vehement für die Sicherung und den Erhalt des Gebäudes aus dem Jahr 1870 ein. Es handle sich um ein Zeugnis der Gründerjahre des Stadtteils. Im Ladenlokal im Erdgeschoss befand sich die Bäckerei von Peter Riem, der auch im 1891 noch nachgewiesenermaßen Eigentümer war. Auf die gewerbliche Historie des schmucken Dreifensterhauses weist auch noch die erhalten gebliebene Stuckverzierung – mit einem Brezel als Symbol der Bäckerinnung – hin. Die Bürgervereinigung weist darauf hin, dass laut Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen jemand, der ein Denkmal beschädigt, zum Wiederaufbau verpflichtet werden kann.

Politiker wollen Abbruch verhindern

Genau das will die Bezirksvertretung Ehrenfeld von der Verwaltung verlangen. „Wir wollen etwas auf den Weg bringen“, sagt Ralf Klemm von den Grünen, der dazu möglichst alle Fraktionen mitnehmen möchte. Das Ziel sei, den Abbruch zu verhindern und das Haus wiederherzustellen. Außerdem wollen die Politiker in Erfahrung zu bringen, ob es weitere Schäden an Gebäuden gibt.

Zur Möglichkeit eines Wiederaufbaus will Projektleiter Christoph Keilbar zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Kurzfristig müsse die Fassade abgestützt werden. Dann soll auch die Hansemannstraße wieder vollständig für den Verkehr freigegeben werden. Das Bauprojekt Hansemannstraße 4-12 werde unverändert realisiert. Sollte das Haus Nummer 2 also abgerissen werden, entstünde eine Lücke. Es bestehe nicht die Absicht, die Planungen zu verändern und dabei dieses Grundstück miteinzubeziehen.

Wunder von Ehrenfeld

Beim Bau des Barthonia-Forums auf dem früheren Gelände der 4711-Parfümfabrik kam es zu einem ähnlichen Vorfall, der jedoch weitaus schlimmere Ausmaße hatte. Am 13. März 1995 begann gegen 21 Uhr abends das Haus Venloer Straße 235 in die dahinter liegende Baugrube abzusacken. Eine Hälfte des Hauses stürzte schließlich wie ein Kartenhaus zusammen. Wie durch ein Wunder wurden Menschen dabei nur leicht verletzt. Das Haus musste nach Vorgaben des Denkmalschutzes wiederaufgebaut werden. 

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