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Städte im VergleichSo fühlt sich ein Berliner bei einer Fahrradfahrt durch Köln

Lesezeit 4 Minuten
Slalom mit Passanten am Neumarkt.

Slalom mit Passanten am Neumarkt.

  • Unser Autor Klaus Grote (45) ist Redakteur der „Märkischen Oderzeitung“ in Oranienburg und als Teilnehmer des bundesweiten Reportertauschs 2018 eine Woche zu Gast in der Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Grote lebt in Berlin.

Köln – Köln macht es Radfahrern erst einmal leicht. Es gibt keine Steigungen, die mit eigener Kraft nicht zu überwinden wären. Die meisten größeren Straßen verfügen über Radwege. Es gibt Leihfahrräder und keine größeren Schwierigkeiten bei der Parkplatzsuche.

In der Radstation am Hauptbahnhof miete ich ein knallgelbes Trekkingrad. Der hohe Lenker sorgt für eine aufrechte Haltung. Statt sportlich bin ich relativ gemütlich, aber nicht langsam unterwegs. Auf dem Weg ins Verlagsgebäude an der Amsterdamer Straße fällt mir auf: Es gibt viele Radfahrer und viele von ihnen tragen Helm.

Auf Radwegen überholt werde ich von Rennrädern und E-Bikes. Platz zum Überholen ist aber selten. Zwischen Fahrbahn und Gehweg oder parkenden Autos muss man aufpassen. Einmal passiert, wovor sich die meisten Radfahrer fürchten: Eine Autotür öffnet sich direkt vor mir. Zum Glück bin ich vorsichtig an den großen weißen Jeep herangefahren, der mitten auf dem Radweg an der Neusser Straße parkt.

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Kein einziger aggressiver Verkehrsteilnehmer

Als ich mich vorbeischlängle, will die Beifahrerin aussteigen. Ich verhindere das mit einem kurzen Klingelkonzert. Zweimal kommen mir Frauen auf Fahrrädern auf dem Radweg entgegen. Sie fahren auf der falschen Seite. Eine hält einen Blumenstrauß in der Hand und lächelt mich freundlich an, als ich ausweiche. Es entsteht keine Gefahr. Die Lage lässt sich mit Gelassenheit lösen.

Zum Glück erlebe ich keinen einzigen aggressiven Verkehrsteilnehmer. Und das ist dann auch der größte Unterschied zum Straßenverkehr in Berlin, wo ich wohne. Dort herrschen auf der Straße oft Egoismus und Aggression. Das lässt einen defensiver fahren. Auch in Köln verlasse ich mich nicht auf die Vorfahrt.

An den sogenannten freilaufenden Rechtsabbiegespuren zum Beispiel. Dort wird mir tatsächlich einmal die Vorfahrt genommen. Ich kann früh genug bremsen. Tödlich endete so eine Situation vor einem Jahr für einen 51-jährigen Radfahrer an der Subbelrather Straße. Davon lese ich im „Stadt-Anzeiger“.

Auch von den weißen Rädern, die an getötete Radfahrer erinnern, von den Demofahrten der „Critical Mass“ und dem „Ride of Silence“ lese ich. Mein subjektiver Eindruck aus wenigen Tagen stimmt mit der tatsächlichen Gefahr und der Unzufriedenheit vieler Radfahrer also nicht ganz überein.

Auf dem Radweg hinter der   Zoobrücke treffe ich Jan. Der 37-Jährige fährt jeden Tag, bei jedem Wetter mit dem Rad zur Arbeit: Sechs Kilometer von Ehrenfeld nach Deutz und wieder zurück. „Die Radwege sind katastrophal“, sagt Jan. Er spricht von Buckelpisten und losen Gehwegplatten, seltsamen Radwegführungen und unverständlichen Beschilderungen.

Später bestätigt sich mir Jans Einschätzung. In den kleinen Straßen der Viertel gibt es zwar viele Einbahnstraßen, die für Fahrräder in beiden Richtungen befahrbar sind. Doch mittendrin liegen immer wieder Abschnitte, in denen das aus unersichtlichen Gründen nicht gilt.

In der Neusser Straße fehlt zwischen Agneskirche und Innerer Kanalstraße plötzlich der Radweg. Fahrräder werden auf die Straße geführt. An der Kreuzung gibt es am Fußgängerüberweg trotzdem eine Ampel mit Fahrradpiktogramm. In der Rush Hour fahren und laufen dort alle durcheinander.

So ist es auch am Neumarkt und am Rheinufer. Radfahrern bleibt der wenigste Platz. Zügiges Vorankommen ist zwischen den vielen Passanten kaum möglich. Man muss wirklich aufpassen: Augen auf und durch!

Konzeptlos ist auch die Verkehrsführung an Baustellen. Geh- und Radweg an der Bachemer Straße sind gerade gesperrt. Die Beschilderung ist hinter einer Litfaßsäule versteckt. Radfahrer und Fußgänger drängen sich an der Absperrung vorbei, einige fahren in der Kurve plötzlich auf die Straße. Die Stelle ist richtig gefährlich.

Jan berichtet mir von der Dauerbaustelle auf der Zoobrücke. „Da bin ich zum Wutradfahrer geworden“, gibt der gebürtige Recklinghausener zu. Fußgänger und Radler mussten sich einen schmalen Streifen am Bauzaun teilen. „Das war die Hölle.“ Viele Radfahrer seien gestürzt. Zusätzliches Geld für die Radinfrastruktur? „Ich weiß gar nicht, wo man anfangen müsste“, sagt Jan.

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