Umweltministerin im Interview„Wir dürfen Dieselfahrer nicht im Regen stehen lassen“

Lesezeit 5 Minuten
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ist zuversichtlich, die Vorgaben zur Luftreinhaltung erfüllen zu können.

NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ist zuversichtlich, die Vorgaben zur Luftreinhaltung erfüllen zu können.

Juristen halten mögliche Fahrverbote in Köln für anfechtbar, weil die Messstationen zu dicht an der Fahrbahn sind. Was sagen Sie dazu?

Ursula Heinen-Esser: Zunächst: Ich gehe davon aus, dass es nicht zu Diesel-Fahrverboten kommen wird. Und wir gehen davon aus, dass die Messstellen korrekt aufgestellt sind. Gleichwohl gibt es regelmäßig Diskussionen um die Standorte. Wir werden daher jetzt alle 128 Messstellen in NRW erneut überprüfen. Mit der Aufgabe werden externe Gutachter betraut.

Rechnen Sie damit, dass Messstationen versetzt werden müssen?

Das werden wir nach der Evaluierung sehen. Damit rechne ich erst einmal nicht. Die Messstellen müssen in Bereichen mit hohen Belastungen an einem repräsentativen Messpunkt aufgestellt werden. Sollten wir feststellen, dass einzelne Stationen ein verzerrtes Bild ergeben, werden wir dies ändern. Dabei muss man auch die jeweils aktuelle Situation berücksichtigen: So haben wir es derzeit zum Beispiel am Clevischen Ring in Köln-Mülheim mit einem erheblichen Umleitungsverkehr durch die LKW-Sperrung auf der Leverkusener Brücke zu tun.

Das Verwaltungsgericht in Aachen und die Kölner Oberbürgermeisterin halten Fahrverbote aber für wahrscheinlich.

Legt man die Begründung des Bundesverwaltungsgerichtes zugrunde, ist eine Einhaltung der Grenzwerte im Jahr 2020 sicherzustellen. Die Aussage des Verwaltungsgerichtes, dass Fahrverbote für Aachen zum 1. Januar 2019 zu 98 Prozent wahrscheinlich wären, hat mich schon sehr verwundert. Die Bezirksregierung Köln wird bis zum Jahresende einen Luftreinhalteplan vorlegen, mit dem wir es schaffen, die Grenzwerte schnellstmöglich zu erreichen. Neben dem Ausbau der Elektromobilität und der Umrüstung von Busflotten muss auch die Autoindustrie – notfalls mit sanfter Nachhilfe der Politik – verstärkt ihren Beitrag leisten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat jetzt eine klare Ansage an Daimler gemacht und verlangt, dass mehr als 230.000 Fahrzeuge zurückgerufen werden. Das zeigt, wohin der Weg geht.

„Das darf nicht am Verbraucher hängen bleiben“

Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Es kann nicht sein, dass wir Dieselfahrer, die sich noch vor drei Jahren einen Neuwagen gekauft haben, im Regen stehen lassen. Viele haben in dem guten Glauben gehandelt, sie würden damit dem Klima und der Umwelt nutzen. Ich setze mich in Berlin dafür ein zu prüfen, zusätzlich zu den manipulierten Modellen Euro-5-Diesel umzurüsten. Der ADAC beziffert die Kosten dafür pro Auto mit rund 3000 Euro. Das darf nicht beim Verbraucher hängen bleiben. Was die Anzahl der Klagen zur Luftreinhaltung betrifft, ist Nordrhein-Westfalen das Bundesland mit den meisten Verfahren. Das Thema Luftreinhaltung hat daher für uns oberste Priorität.

Soll die Umrüstung auch mit Steuermitteln finanziert werden?

Für mich ist entscheidend, dass die Verbraucher nicht belastet werden. Ich bin für eine unkomplizierte Lösung.

Die Stickoxide stammen nur zu einem Drittel aus dem PKW-Verkehr. In den Rheinmetropolen sorgt auch die Rheinschifffahrt für dicke Luft…

Grundsätzlich sind Binnenschiffe auf dem 226 km langen Rheinabschnitt und den rund 380 km Schifffahrtkanälen in Nordrhein-Westfalen ein klimafreundliches Transportmittel. Aber Schiffsmotoren verursachen enorme Schadstoffmengen, weil sie oft nicht mit neuester Technik ausgerüstet sind. Landesweit hat die Binnenschifffahrt zwar nur einen Anteil von sieben Prozent an den Gesamt-Emissionen. Allerdings ist der Beitrag in den Rheinstädten deutlich höher: In Köln entfallen rund 20 Prozent der Stickoxid-Emissionen auf den Schiffsverkehr, in Düsseldorf rund 30 Prozent. In Pilotstudien wurde gezeigt, dass durch Katalysatoren und Partikelfilter Stickoxidemissionen um rund 70 Prozent, Feinstaubemissionen sogar um rund 90 Prozent reduziert werden könnten. Das Beispiel Schiffsverkehr zeigt die Vielfalt potenziell möglicher Stellschrauben zur Verbesserung der Luftqualität.

Was halten Sie von begrenzten Fahrverboten?

Gar nichts. Damit werden nur Umleitungsstrecken belastet. Und ich glaube nicht, dass wir die Verkehrssicherheit erhöhen, wenn wir den Schwerverkehr durch enge Nebenstraßen umleiten.

„Es wäre absurd, wenn wir unsere E-Autos mit Atomstrom aus Tihange aufladen würden“

Hat die Politik beim Thema Luftreinhaltung geschlafen?

Wir haben uns immer wieder unter anderen Vorzeichen mit dem Thema beschäftigt. Zuerst ging es primär um den Klimaschutz und um Kohlendioxid, dann um den Feinstaub. Die Stickoxide standen nicht so sehr im Fokus, bis die Deutsche Umwelthilfe sie in den Blick genommen hat.

Was nützen uns E-Autos, die mit Braunkohlestrom fahren?

Elektromobilität ist die Antwort auf viele Mobilitäts- und Umweltfragen, aber die Entwicklungen benötigen ihre Zeit. Der Umstieg auf E-Autos macht natürlich nur Sinn, wenn der Strom ganz überwiegend aus erneuerbaren Energiequellen kommt.

Kernenergie macht auch keinen Dreck…

Wir haben zum Glück einen klaren Ausstiegsbeschluss für 2022. Es wäre absurd, wenn wir unsere E-Autos mit Atomstrom aus Tihange aufladen würden, um unsere Luftreinhaltepläne einhalten zu können.

Machen Sie die E-Mobilität jetzt auch zu ihrem Thema?

Das Thema ist bei Minister Pinkwart gut aufgehoben. Aber wie die Themen Luftreinhaltung und Klimaschutz und –anpassung zeigen, müssen alle Ressorts eng zusammenarbeiten und sich abstimmen, um die Zukunft von NRW weiter nachhaltig zu gestalten.

Bleibt es beim Jagdgesetz beim Kurs ihrer Vorgängerin?

Das Gesetz ist eingebracht. Wir sind im Stadium der Verbändeanhörung. Die Stellungnahmen werten wir derzeit aus. Wo erforderlich, werden wir den Entwurf anpassen. Dabei werden wir uns am Bundesjagdgesetz und den Jagdgesetzen unserer Nachbarländer orientieren.

Also wird das Gesetz aus Sicht der Tierschützer „abgemildert“?

Wir führen intensive Gespräche mit allen Beteiligten und werden dann ein modernes Jagdgesetz auf den Weg bringen.

„Ich bin mit Leidenschaft Umweltpolitikerin“

Ihnen eilt den Ruf voraus, eine „Grünen-Versteherin“ zu sein...

Wir haben eine starke und erfolgreiche Koalition mit der FDP und ein sehr gutes Klima. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich mit Leidenschaft Umweltpolitikerin bin. Ich lade die Opposition ein, mit mir gemeinsam eine ambitionierte und zukunftsorientierte Umweltpolitik zu gestalten.

Das Umweltministerium gilt in CDU-Kreisen als „Schlangengrube“ – wegen der vielen Grünen in Schlüsselpositionen.

Meine Erfahrungen sind bislang anders. Die Mitarbeiter sind dem Land und der Sache verpflichtet, nicht einer Partei.

Machen Sie die Auflösung der Stabsstelle Umweltkriminalität rückgängig?

Dies ist eines der Themen, mit denen ich mich noch intensiver befassen werde. Dazu möchte ich jetzt noch nichts sagen.

Waren Sie überrascht, dass 2017 ihre Vorgängerin zur Ministerin berufen wurde, und nicht sie selbst?

Nein. Für mich war Christina Schulze Föcking mit ihrer umfangreichen Erfahrung die optimale Besetzung für das Haus.

KStA abonnieren