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Südstadt-KneipeErinnerungen an den Wunschbürgermeister

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Wunschbürgermeister

Mit der Veröffentlichung der Grabrede ehren Gefährten ihren verstorbenen Freund Clemens Böll (v. l.): Stefan Peil, Andreas Hupke, Cornel Wachter, Günther Zabel, Rich Schwab, Robert Hilbers, Costa Fotiadis und Grafiker Timo Belger, der das Heft designte. Foto: Uwe Weiser

Köln-Innenstadt – „Dat is’ aber schön.“ Das sagte er gern und oft. Egal, ob eine interessante, attraktive Frau durch die Kneipentür kam, ob es Essen gab, das appetitlich aussah, oder ob der Umsatz am Abend gut war: „Dat is’ aber schön!“ Gefolgt meistens von: „Da freu’ ich mich.“ Als Rich Schwab am 25. April 2017 in der Lutherkirche über den verstorbenen Freund sprach, lachten und weinten viele Trauergäste gleichzeitig. Clemens Böll, der Südstadt-, Theater- und Menschenfreund, der tolerant-entspannte und ewig getriebene Tausendsassa, war in der Erinnerung wieder lebendig.

Ein getriebener Tausendsassa

Ulrich Soénius und Cornel Wachter hatten nach Schwabs Worten den gleichen Gedanken: Diese Rede sollen viele Menschen lesen. Also trommelten sie alte Weggefährten zusammen, darunter Günther Zabel (Ubierschänke, Alcazar), Costa Fotiadis (Filos), Robert Hilbers (Chlodwig Eck), Stefan Peil, Daniel Rabe (Bagatelle), Carmelo Bennardo (Formula Uno) und Bernhard Paul. Schnell war auch dank der SK-Stiftung Kultur und der Bezirksvertretung Innenstadt das Geld für eine Veröffentlichung zusammen – sogar ein Überschuss, der an den Vringstreff geht. 

Am Montagabend wurden die Erinnerungen Schwabs im Chlodwig Eck vorgestellt. Josef Loup und Micha Zass spielten kölsche Lieder, darunter „Ruut-wieß-blau querjestriefte Frau“ von BAP, einem Song über eine „Wahnsinnsfrau“, die in der Kneipe eine „Schwachsinnstirade“ (O-Ton Wolfgang Niedecken) loslässt, woraufhin bei Clemens zwei Schabau geordert werden. „Clemens war ein unglaublich toleranter, aber auch sehr unruhiger Mensch“, sagte Zabel, der lange mit Böll das Alcazar betrieb.

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Ständig neue Kneipen

Ständig eröffnete Böll neue Kneipen. „Wir wollten immer noch eine Kneipe zusammen machen, schade, dass wir das nicht mehr geschafft haben“, sagte Fotiadis, der selbst 15 Jahre das Chlodwig Eck betrieb. „Aber für die Leute blieb das immer Clemens’ Kneipe.“ Der Neffe von Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll, auch das berichtet Schwab in seiner Rede, hat mit dem Chlodwig Eck, später auch mit dem Ferkulum und dem Alcazar die bis dahin piefige Kölner Kneipenkultur umgekrempelt. Er hat BAP die ersten Kneipenauftritte ermöglicht – als Niedecken einen BAP-Sticker mit seiner Telefonnummer an eine Wand klebte, las Böll nicht „BAP“, sondern „EAP“ – die Abkürzung der rechtslastigen europäischen Arbeiterpartei. Wutentbrannt habe Böll bei Niedecken angerufen: „Die Dinger könnt ihr euch sonstwohin hinkleben, aber nicht bei mir!“

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Der Musiker und Schriftsteller Schwab erinnert in dem von Timo Belger gestalteten Heft auch an Bölls Alkoholsucht in jungen Jahren – und an seine Schwäche für jüngere Frauen, die seine Tochter Renée Böll mit dem Spruch quittierte: „Solange ich meinen Stiefmüttern nicht die Schulbrote schmieren muss, geht’s ja noch...“ Für viele wäre Clemens Böll so etwas wie ein „Wunschbürgermeister“ gewesen, schrieb Schwab. Zu Politikern habe Böll aber eher mal gesagt: „Klug reden kann er schlecht, aber dumm labern kann er gut.“ Die gedruckte Trauerrede gibt es gratis im Chlodwig Eck, Filos, in der Bagatelle, Ubierschänke, im Formula Uno und im Vringstreff. 

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