Psychische ErkrankungenImmer ein Rat für junge Angehörige

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Kinder leiden besonders stark, wenn ein Elternteil psychisch erkrankt ist.

Köln – Es waren noch andere Zeiten. Mitte der 90er Jahre galten psychische Erkrankungen in Deutschland oft noch als Tabuthema. Kein Wunder also, dass Ulrike Demmig denkbar schlechte Erfahrungen gemacht hat. Ihre Tochter war als Kind geistig behindert und entwickelte mit 18 Jahren eine Schizophrenie, erzählt sie. Nicht nur für die Betroffene eine harte Diagnose, sondern auch für die Angehörigen. Als belastend empfand Demmig, „dass die Ärzte kaum mit uns gesprochen haben“. Denn die Familie habe als Teil der Ursache für die psychische Erkrankung der Patienten gegolten. Hilfe fand Demmig erst beim Kölner Verein Rat und Tat, der sich seit 1985 speziell um die Angehörigen von psychisch Kranken kümmert.

Demo vor dem Kölner Rathaus

Der Verein wurde von zwei Dutzend Menschen um Susanne Heim gegründet, die auch die erste Vorsitzende war und 1997 das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement erhielt. Schon kurz nach der Gründung berichteten die Helfer im „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Probleme der Angehörigen, organisierten eine Demo vor dem Kölner Rathaus als ein sozialpsychiatrisches Zentrum in Porz geschlossen werden sollte und gründeten viele Gesprächskreise für die Angehörigen, in denen diese Unterstützung fanden und sich austauschen konnten. Heute gibt es sieben dieser Gesprächskreise.

Das Team um die frühere Vorsitzenden Susanne Heim (4.v.r.), Ulrike Demmig (r.) und dem heutigen Vorsitzenden Rolf Fischer.

Das Team um die frühere Vorsitzenden Susanne Heim (4.v.r.), Ulrike Demmig (r.) und dem heutigen Vorsitzenden Rolf Fischer.

Mit Hilfe der Kölner Stiftung des Vereins konnte immer wieder den Angehörigen auch finanziell geholfen werden. Mal wurde eine Ferienfreizeit unterstützt, mal ein Kühlschrank gekauft. Die Stiftung, die Heim mit einer Spende aus einer Erbschaft von 114 000 Mark anstieß, wurde nun 25 Jahre alt. Gefeiert wurde in der Nippeser Kulturkirche unter anderem mit Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und Sozialdezernent Harald Rau.

Minderjährige leiden am meisten

Immer wieder kümmern sich die derzeit 189 Mitglieder von Rat und Tat in den Beratungen auch um Kinder und Jugendliche. Denn die Minderjährigen gehören zu den Angehörigen, die besonders stark darunter leiden, wenn Familienmitglieder, etwa ein Elternteil, von psychischen Problemen betroffen ist. Heim erzählt von einem zwölfjährigen Mädchen, dass eine psychisch kranke Mutter hatte. „Mal war die Mutter sehr lieb, dann plötzlich aber sehr aggressiv.“ Klar, dass das Kind oft nicht wusste, wie es mit der Situation umgehen sollte.

Heim kennt auch Geschichten von Kindern, die Schuldgefühle entwickeln, weil sie sich an der Situation, die für sie zunächst kaum zu durchschauen ist, verantwortlich fühlen. Andere schämen sich, bringen keine Freunde mehr mit nach Hause und isolieren sich zunehmend. Wieder andere übernähmen Aufgaben für die Eltern, betreuen Geschwister, erledigen die Einkäufe. Heim erinnerte sich an ein Mädchen, dass sogar ihre Mutter in eine Psychiatrie zwangseinweisen lassen musste. Ein anderes Mädchen habe jahrelang das Jugendamt über den gesundheitlichen Zustand der Mutter getäuscht, um diese zu schützen.

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