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SummerjamBarbarossaplatz-Rap und Marteria mit monumentalem Druck

Lesezeit 3 Minuten
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Scheute nicht den Sprung in die Menge: Marteria

Köln – Vielleicht sollten Sie das nächste Familientreffen ja auch im Freien unter brennender Sonne abhalten und an die Verwandtschaft erstmal ganz besondere Zigaretten verteilen. Vielleicht wird es dann auch so nett und/aber familiär wie beim 33. Summerjam. "The everlasting Festival" verkünden stolz große Banner neben den beiden Bühnen. Es gibt auch keinen Grund, warum das Reggaefestival jemals aufhören sollte. Es pflanzt sich einfach von Generation zu Generation fort.

Und so rappt Afrob, Urgestein der deutschen Rap-Szene, inzwischen selbstironisch darüber, dass er wegen seiner Bandscheibe nur noch Two-Step tanzen kann und erinnert sich selig, wie er als junger Hund am Barbarossaplatz Hasch gekauft hat. Den Platz, der keiner ist, hatten zuvor schon Querbeat zusammen mit eifrigem Publikumschor besungen.

Bob-Marley-Version für verstorbenen Demba Nabé

Auf der kleinen Bühne spricht derweil Seeed-Sänger Frank Dellé über den plötzlichen Tod seines Kollegen Demba Nabé vor einigen Wochen, widmet ihm dann eine Version von Bob Marleys "Redemption Song" - dessen gemeinsames Absingen markiert eigentlich am Sonntagabend traditionell den Abschluss des Festivals. Aber als Abschiedsgruß ist es natürlich das einzig Angemessene.

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Auch Naâman, Roots-Reggae-Sänger aus dem französischen Dieppe, bürgerlich Martin Mussard, pflegt familiäre Verbindungen zum Summerjam: Schon als kleiner Junge, erzählt der nette Surfer-Typ, sei er staunend über das Festivalgelände gelaufen und habe sich vorgenommen, hier irgendwann auf der großen Bühne zu stehen. Voilà.

Mit 23 Jahren Erfinder des Afro-Trap

Auf der folgt ihm ein weiterer Star aus Frankreich: Mohamed Sylla ist als Kind guineischer und senegalesischer Eltern im 19. Arrondissement von Paris aufgewachsen und tritt unter dem Kürzel MHD auf. Gerade mal 23 Jahre alt, kann er sich schon der Erfindung eines Genres rühmen, des Afro-Trap, einer Verbindung aus westafrikanischer Highlife-Musik und amerikanischen Trap, der zur Zeit vorherrschenden Ausformung des HipHop.

Dessen drogenschwangere Dämmersounds infiziert MHD mit fröhlicher Lässigkeit. Sein Auftritt ist der energetische Höhepunkt dieses Freitags, als er auf die Absperrung vor der Bühne klettert und sich ins Publikum vorbeugt, möchte ihn dieses am liebsten mit Haut und blondgefärbtem Haarschopf verschlingen.

HipHop-Superstar Ty Dolla Sign: Ich muss kein Gras mitnehmen, das Gras kommt zu mir

Dagegen wirkt der singende HipHop-Superstar Ty Dolla Sign bloß routiniert. Ob er wirklich, wie er sich entschuldigt, nach dem er ein paar Minuten zu spät die Bühne betreten hat, gerade erst aus seinem Jet-Lag-Schlaf erwacht ist? Immerhin, musikalisch ist das erste Sahne, man versteht schnell, warum der Mann aus Los Angeles der gefragteste Feature-Gast im Rap und R'n'B ist, warum er Songs für Rihanna, Kanye West und Beyoncé schreibt. Und er hat die lustigste Hasch-Prahlerei im Gepäck. Am Flughafen wären er und seine Entourage durchsucht worden, erzählt Ty Dolla Sign, „aber so blöd sind wir natürlich nicht. Ich muss kein Gras mitnehmen, das Gras kommt zu mir.“

Marteria erzeugt monumentalen Druck

Schließlich noch der Headliner, Marteria. Es ist endlich dunkel geworden und das weiß Marten Laciny mit aufwendiger Licht- und Videoshow zu nutzen. Der Mann, der schon im U-17-Kader der deutschen Nationalmannschaft spielte, als Modell in New York arbeitete, in Berlin die Schauspielschule besuchte, und Hits für die Toten Hosen komponiert, weiß wie man auf dem Spielfeld die Übersicht behält und dabei noch gut aussieht. Ob Marteria über sich selbst, linken Widerstand, oder seine politisch unkorrekte Liebe zu Nike-Schuhen rappt, stets erzeugen er und seine Band monumentalen Druck, ohne jemals im dumpfen Ernst deutschen Gangsta-Raps zu versinken. Und wenn er zehntausend hüpfende Fans dazu auffordert, ihre Pfandbecher auf die Bühne zu werfen, um sie der Hilfsorganisation Viva con Agua zu spenden, die sich für den weltweiten Zugang zu sauberem Trinkwasser einsetzt, dann zeigt er, wie man Krawall, Engagement und Unerschrockenheit verbinden kann.

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