PflegekostenHeimbewohner müssen immer mehr selbst zahlen

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Pflege dpa neu

Die Pflegereform ist auf eine guten Weg.

Berlin – Selbst kritische Sozialverbände erkennen an, dass die letzte Pflegereform für die Betroffenen viel gebracht hat: Seit Anfang 2017 werden Demenzkranke bei der Pflege genauso behandelt wie Menschen mit körperlichen Gebrechen. Hunderttausende Betroffene erhalten damit erstmals überhaupt Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Auch für die Pflegekräfte gab es Fortschritte, denn sie werden dank gesetzlicher Änderungen zunehmend besser bezahlt. Das treibt die Kosten.

Es bleibt allerdings dabei, dass die Pflegeversicherung nur eine Teilkasko-Absicherung ist. Deshalb müssen die Pflegebedürftigen immer mehr aus der eigenen Tasche dazu zahlen. Dabei ist der Anstieg der Eigenbeteiligung enorm, wie eine aktuelle Auswertung des Verbandes der privaten Krankenversicherung zeigt. Sie liegt dieser Zeitung exklusiv vor.

Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen am stärksten betroffen

Nach den neusten Zahlen aus der „PKV-Pflegedatenbank“, die die Informationen von rund 11.400 der etwa 13.000 Pflegeheime in Deutschland enthält, betrug der Eigenanteil im Juni im Bundesdurchschnitt 1831 Euro. Im Mai 2017 – also vor gut einem Jahr - waren es noch rund 1690 Euro. Das bedeutet eine Kostensteigerung von mehr als acht Prozent innerhalb eines Jahres.

Am tiefsten in die eigene Tasche greifen müssen die Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen. Dort kostet ein Heimplatz im Schnitt 2326 Euro im Monat. Es folgen das Saarland mit 2247 Euro sowie Baden-Württemberg und Berlin mit je 2098 Euro.

Starke Schwankungen zwischen den Ländern

Im Mittelfeld liegen unter anderem Bremen (1805 Euro) und Hessen (1896 Euro). Am billigsten sind Heimplätze in Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo nur 1201 beziehungsweise 1205 Euro fällig werden. Damit sind die Kosten hier in etwa nur halb so hoch wie in Nordrhein-Westfalen.

Anders als früher zahlen die Pflegebedürftigen seit der Reform für einen Heimplatz einen Eigenanteil, der unabhängig von der Schwere der Pflegebedürftigkeit ist. Es gibt also für alle Bewohner eines bestimmten Heimes eine identische Zuzahlung. Der Fachbegriff dafür lautet Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE). Mit ihm soll verhindert werden, dass Patienten in einer Pflegeeinrichtung schlechter gestellt werden, wenn ihr Pflegegrad steigt. Hinzu kommen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesondert in Rechnung gestellten Investitionskosten.

Auch diese schwanken zwischen den Ländern sehr stark. Aus der Summe dieser Beträge ergibt sich der insgesamt von den Pflegebedürftigen zu zahlende Eigenanteil. Die Leistungen der Pflegeversicherung sind dabei schon berücksichtigt.

Personalkosten sind ausschlaggebend

Wichtigster Grund für die unterschiedlich hohen Zuzahlungen sind die Personalkosten. Sie machen gut 80 Prozent der Aufwendungen in einem Pflegeheim aus. Die Personalkosten werden durch mehrere Faktoren bestimmt, die von Land zu Land anders sind. So verdient eine Pflegefachkraft in Nordrhein-Westfalen im Schnitt brutto 2692 Euro im Monat, in Berlin 2271 Euro und in Sachsen-Anhalt nur 1743 Euro.

Hinzu kommt, dass jedes Bundesland eigene Vorgaben dafür hat, wie viel Personal ein Heim haben muss. Beispielsweise soll eine Vollzeitkraft in Berlin rechnerisch 3,9 Pflegebedürftige mit Pflegegrad zwei versorgen. In Nordrhein-Westfalen muss sich dieselbe Pflegekraft um 4,7 Heimbewohner kümmern, in Schleswig-Holstein sogar um 5,4 Bewohner. Eine Rolle spielt auch die Höhe der Pflegesätze, die Pflegekassen und Heimbetreiber in jedem Bundesland gesondert aushandeln.

PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach wirbt für Pflege-Zusatzversicherung

„Im Ernstfall bleibt eine Pflegelücke, die mehrerer tausend Euro im Monat betragen kann“, sagte PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach dieser Zeitung. Er warb deshalb für eine private Pflege-Zusatzversicherung. Sozialverbände verlangen hingegen eine Deckelung der Eigenbeteiligung. Die Krankenkassen fordern einen Steuerzuschuss an die Pflegeversicherung, um den Eigenanteil zu begrenzen.

Diskutiert wird zunehmend auch, die Pflegeversicherung in eine Vollversicherung umzuwandeln. Experten erwarten, dass trotz der in Aussicht gestellten Anhebung des Beitragssatzes um 0,5 Prozentpunkte zum Jahresanfang 2019 die Eigenanteile weiter wachsen werden. Denn die große Koalition verfolgt das Ziel, flächendeckend eine tarifliche Bezahlung der Pflegekräfte zu erreichen. Die Kosten dafür könnten in die Milliarden gehen.

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