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Siegburger InnenstadtSilbermöwen leben und brüten am Amtsgericht

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möwe amtsgericht

Eine Möwe auf dem Dach des Siegburger Amtsgerichtes.

Siegburg – Laute Möwenschreie wie an der Küste: Wer durch die Siegburger Innenstadt geht und die Augen schließt, darf sich fühlen wie im Urlaub an der Nordsee. Über dem Mühlengraben, am Rathaus und am Amtsgericht ziehen Möwen stundenlang ihre Kreise. „Morgens um 4.30 Uhr geht es los, dann treffen die ersten Möwengeschwader wieder ein, um ihre Jungtiere zu versorgen“, berichtet Adi Kneutgen (79), Siegburger Urgestein und Anwohner der nah am Siegburger Verwaltungssitz gelegenen Humperdinckstraße. Auf dem Flachdach des Rathauses hat er Brutplätze ausgemacht: „Die schieben die warmen Steine auseinander, brüten dann in kleinen Gruben.“

Zu früher Stunde ist damit auch für den Maler Jürgen Schmitz, der gleich um die Ecke an der Ringstraße sein Atelier hat, die Ruhe endgültig vorbei. „Hordenweise fallen die Möwen laut kreischend ein.“ Sie lassen sich nieder auf Zinnen und hohen Laternen. „Die feiern Party, lachen sich kaputt und hinterlassen manch ordentlichen Möwenschiss.“ Anfang des Jahres, berichtet der 65-Jährige, sei es mit der Möwen-Party so richtig losgegangen.

Zuvor seien Möwen nur vereinzelt in der Innenstadt zu vernehmen gewesen. Singvögel wie Amsel und Kleiber, früher heimisch in den schattigen Gärten der Nachbarschaft, hätten diesen Sommer das Weite gesucht.

Lach- und Sturmmöwen hat es hier in der Region schon immer gegeben. Bevorzugt am Rhein, an nahe gelegenen Kies-Seen, auf Mülldeponien – seit wenigen Jahren nun auch in Siegburg, am Trerichsweiher und am Mühlengraben erscheinen aber auch vier Großmöwenarten, von denen drei inzwischen sogar bei uns brüten.

Seevögel gelangen ins Binnenland

„Bei den oft über der Stadt kreisenden Großmöwen handelt es sich eigentlich um Seevögel, die auf der Suche nach Nahrung einst durch die großen offenen Müllkippen mehr und mehr ins Binnenland gelangt sind“, sagt Reiner Petersen. Im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn seien bisher zehn Möwenarten nachgewiesen. Acht davon hat Petersen beobachtet. Der Siegburger kennt sich aus: „Ich habe schon über 500 unterschiedliche Vogelarten bestimmt und gesehen.“

Seit 2009 müssen Deponien abgedeckt werden. Dadurch nahm die Zahl der Großmöwen im Binnenland wieder ab. „Einige finden jedoch immer noch geeignete Nahrungsquellen, so dass sie ganzjährig hier an Rhein und Sieg überleben können.“ Sie brüten auf den Flachdächern von Supermärkten und Werkhallen, sogar auf kleinen Absätzen von Dächern. „Möwen werden als Opportunisten bezeichnet“, sagt Klaus Weddeling von der Biologischen Station des Rhein-Sieg-Kreises. „Sie ernähren sich von dem, was sie finden. Das können Nahrungsreste auf Müllhalden sein oder in Ausnahmefällen auch Jungvögel.“ 

Adi Kneutgen ist dem Ruf der Möwen schon auf das obere Deck des Parkhauses an der Rhein-Sieg-Halle gefolgt, hat sich kürzlich auch von dort das abendliche Treiben auf dem Dach des Rathauses angesehen. Dabei sei er aber, berichtet er, von den Möwen aggressiv angeflogen und vertrieben worden. „Das war fast so wie in diesem Hitchcock-Film.“ Auch Jürgen Schmitz hat bereits festgestellt: „Die Möwen haben hier die Herrschaft übernommen.“

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