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Maschine im KörperHans-Joachim Schwarz trägt seit einem Jahr ein Kunstherz

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Schwester Ramona Glogowski, Leiterin des Wundmanagements im Siegburger Krankenhaus, zeigt die Stelle, an der die Versorgungsleitung für das künstliche Herz in den Körper geht.

Schwester Ramona Glogowski, Leiterin des Wundmanagements im Siegburger Krankenhaus, zeigt die Stelle, an der die Versorgungsleitung für das künstliche Herz in den Körper geht.

Siegburg – Eigentlich wäre Hans-Joachim Schwarz schon seit einem Jahr tot. Doch eine Maschine entlastet jetzt sein schwer geschädigtes Herz. „Ich fühle mich wieder wie 20“, sagt der 59-Jährige. Das künstliche Herz hat ihm das Leben gerettet.

„Und das ist heute fast schon eine Routineoperation, wenn man die Technik beherrscht“, berichtet Professor Farhard Bakhtiary. Mehr als 5000-mal hat der 43-jährige Kardiochirurg am Herzen operiert. Im März vergangenen Jahres wurde er Chefarzt in Siegburg. Zusammen mit seinem Kollegen Dr. Sami Sirat kam er damals aus Leipzig und brachte das Wissen um eine neue Technik mit.

Schwarz wurde im August 2017 mit einem Multiorganversagen ins Siegburger Krankenhaus eingeliefert. Nach einer Wiederbelebung kam er an die Herz-Lungen-Maschine. Doch es zeigte sich keine Erholung. „Das ist für Ärzte die Situation, wo man mit Angehörigen sprechen muss“, erläutert Dr. Peter Noetges, Chefarzt der Anästhesie und Leiter der Intensivstation. Doch da auch Schwarz’ Herz schwach war, war das Team der Herzspezialisten im Haus schon längst eingeschaltet.

Die Schwester des damals nicht ansprechbaren Patienten entschied, dass die lebensrettende Operation gemacht werden sollte. Der Eingriff dauerte knapp drei Stunden. Die Spezialisten Professor Bakhtiary und Dr. Sirat operierten im Team.

Auf der Intensivstation wurde Schwarz noch einige Zeit betreut, durfte dann wieder nach Hause. „Meine Freundin ist jetzt immer bei mir“, sagt der ehemalige städtische Angestellte. Gemeint ist damit eine Steuereinheit außerhalb seines Körpers. Sie versorgt das Kunstherz mit Energie, nachts wird es an den Strom angeschlossen. „Die Akkus reichen für 17 Stunden“, sagt Schwarz, der auch wieder Auto fahren kann.

Was es bedeutet, wenn man zwischen Leben und Tod steht, kennt Schwarz aus seiner Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr. „Da mussten wir Menschen nach schweren Unfällen aus total zerbeulten Autos herausschneiden, damit sie vom Arzt behandelt werden können.“ Schwarz muss wegen seiner Herzpumpe täglich blutverdünnende Medikamente nehmen. „Ein Bierchen ab und zu hat mir der Doktor ausdrücklich empfohlen.“ Und mit seinem E-Bike dreht er auch schon fleißig die ein oder andere Runde in Siegburg.

Es gebe auch Patienten, „die fahren mit dem Kunstherz Ski“, berichtet Professor Bakhtiary. Das Leben solle wieder so normal wie möglich werden. Er weist auf ein Problem hin, das „leider immer wieder auftaucht“: Wenn Patienten im Koma lägen, müssten Angehörige entscheiden, ob die Technik zum Einsatz komme. Aus Unkenntnis über die Methode werde dann ein Eingriff abgelehnt. „Diese Operation hat jedoch nichts mit unnötiger Leidensverlängerung durch Maschinen zu tun“, betont der Arzt. „Sie ist dazu gedacht, Menschen wieder auf die Beine zu helfen. Und das gelingt auch.“

Schwarz muss einmal in der Woche in die Klinik kommen, damit ein Blick auf die Stelle geworfen wird, an der das Kabel in seinen Körper geht. Beim Pressetermin macht dies Schwester Ramona Glogowski. Sie ist Leiterin des Wundmanagements in der Helios-Klinik. „Sonst schauen aber auch die Kollegen drauf“, meint sie.

Beim Verlassen des Tagungsraumes nach der Pressekonferenz in der der Klinik trifft Schwarz einen Bekannten, der ebenfalls eine Steuereinheit am Gürtel trägt. „Hast du Werbung für unser neues Herz gemacht?“, fragt er ihn lachend und klopft seinem Kumpel lachend auf die Schulter. Man hat einen ersten Eindruck, dass das Kunstherz im Körper fast schon wie das Tragen einer Brille ist. So unbeschwert begegnen sich beide Patienten.

1000 Fälle pro Jahr

In Deutschland warten aktuell 4000 Menschen auf ein Spenderherz. Doch es gebe zu wenig Organspender, deshalb werde nur rund 300 Patienten pro Jahr ein neues Herz implantiert, berichtet Professor Bakhtiary.

Durch das Kunstherz kann ein ausreichender Blutfluss und die Sauerstoffversorgung im Körper gesichert werden. Jährlich werden rund 1000 Kunstherzen in Deutschland implantiert. In Siegburg wurde die Kapazität für diese Operationen so erweitert, „dass keine Patienten abgewiesen werden müssen“, so Klinikchefin Carolin Lieven. Das Herz-Team steht rund um die Uhr bereit, künstliche Herzen zur schnellen Implantation seien griffbereit im Haus. „Wichtig ist, dass die niedergelassenen Ärzte uns Patienten rechtzeitig schicken“, so Professor Bakhtiary. „Je früher wir eingreifen können, desto besser ist es.“

Operiert werde nur, wenn alle medikamentösen Therapieformen ausgeschöpft seien. Je nach Krankheitsverlauf und Diagnose könne das Kunstherz später auch wieder entfernt werden, wenn sich das Herz später erholt habe, wie beispielsweise bei Patienten mit einer Herzmuskelentzündung. (vr)

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