Mittelpunkte der LeserMit dem Sommertour-Bus durch Overath

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Lebensmittel Höller

Ingrid Behnks (r.) Mittelpunkt: Der Laden mit Poststelle von Christa Laudenberg (l.) und ihrer Tochter Pia Breidenstein. 

Rhein-Berg – „Lebensmittel Höller“ steht über der Ladenmarkise, darunter jedoch werden auch mal wilde Tiere angeboten: Löwen, Tiger und Elche sitzen zwischen Nudeln, Waschmittel und Unterwäsche in den Auslagen. Und wer möchte, bekommt im wohl letzten „Tante-Emma-Laden“ Overaths auch belegte Brötchen. „Als die ganzen Discounter kamen, mussten wir unser Sortiment eben etwas anpassen“, sagt Einzelhändler Eduard Höller.

In seinem Laden an der Straße nach Lindlar, im letzten Außenposten Overaths vor der Grenze nach Oberberg beginnt die zweite Etappe der Lokalredaktion-Sommertour. Keine Frage, der Laden von Höller ist ein wichtiger Mittelpunkt nicht nur für die Menschen im Nordosten des Overather Stadtgebiets.

„Gerade wegen der Stofftiere kommen die Leute auch aus Leverkusen oder Köln mit ihren Enkeln hierher“, sagt Höller, dessen Großvater das Geschäft 1924 gebaut hat.

Im „Kaufhaus des Westens“

„Na, wart ihr schon im Kaufhaus des Westens?“, empfängt uns gegenüber Winfried Voß von Gummi Berger, dem Reifendienst samt Kfz-Werkstatt am Landstraßenabzweig, und zieht mit Jahrespraktikantin Carlotta Pieper die Radmuttern des Redaktionsmobils nach.

Bus-Pilot Norbert Kuhl und Schaffner Benny Promberger erzählen dem Verkaufsleiter vom Plattfuß, den der Bus mal auf der Rückfahrt vom Karnevalsempfang in der Lokalredaktion hatte: Das ganze Schmölzchen der Overather Tollitäten habe beim Reifenwechsel mit angepackt.

Sommertour Radmuttern nachziehen

Carlotta Pieper und Winfried Voß ziehen die Radmuttern fest. 

Diesmal passieren wir die Pannenstelle in Untereschbach ohne Plattfuß – Glück gehabt. Auch den steilen Berg Richtung Neichen meistert der historische Bus und bringt uns zur „Mitte Europas“.

In der jedenfalls hat Beowulf Walter jüngst Festgäste in seinem Garten begrüßt, als er eine Tradition aus der Zeit wieder aufleben ließ, als er Chefarzt des Krankenhauses Holweide war. „Bis Ende der 90er Jahre haben sich Mitarbeiter aus dem Krankenhaus, Familie und Nachbarn, Jäger des Hegerings Overath und Mitglieder der »Bruderschaft kochender Männer« hier regelmäßig getroffen“, erinnert sich der 85-Jährige.

Treffen in der Mitte Europas

Aus dem Kreis der ehemaligen Kollegen sei jetzt die Idee gekommen, daran anzuknüpfen, um sich nicht nur noch ab und an auf Beerdigungen zu treffen. Gesagt – getan: Beowulf und Sonja Walter luden zu einem Fest ein, bei dem zudem Spenden für den Förderverein der Viszeralmedizin und Onkologie der Klinik in Holweide gesammelt wurde, und er begrüßte die Gäste auf 50,9 Grad nördlicher Breite und 7,21 Grad östlicher Länge: „Das ist so ziemlich die Mitte Europas.“

Sonja und Beowulf Walter

Sonja und Beowulf Walter am „Mittelpunkt Europas“ in ihrem gastfreundlichen Garten in Overath-Neichen. 

Wo die Mitte des Nachbarortes Heiligenhaus liegt? Da braucht Ingrid Behnk nicht lange zu überlegen: „Bei Laudenbergs! Da bekommt man alles, von Haushaltswaren über Süßes für Klein und Groß bis zur Briefmarke, trifft nette Leute und kann auch immer ein kleines Schwätzchen halten“, sagt die 78-Jährige und drückt Pia Breidenstein den roten Mittelpunkt-Pfeil in die Hand.

Gegründet vor 90 Jahren

Eigentlich heißt ihr Laden mit der Postagentur ja „Geschenke und mehr“, aber unter Breidensteins Mädchennamen „Laudenberg“ ist der Dorfmittelpunkt einfach bekannter. Mutter Christa Laudenberg ist auch noch regelmäßig im Laden, der Schwiegervater der 84-Jährigen hat das Geschäft 1928 gegründet.

In Probstbalken besuchen wir den Land- und Baumaschinentechniker Martin Dickmann, der in seiner Werkstatt alle Hände voll zu tun hat. „Wenn bei einem Traktor oder einer Erntemaschine etwas kaputt geht“, sagt der Diplom-Ingenieur, „muss ich sofort ran, das kann nicht warten.“

Im Sommer sei es ein wenig ruhiger gewesen, schildert der Spezialist – „bei der Trockenheit konnte ja keiner was machen“. Der 53-Jährige hat sich spezialisiert auf die Reparatur großer Traktoren, Mähdrescher, Maschinen für die Landschaftspflege und Oldtimer-Traktoren.

Martin Dickmann

 Benny Promberger reicht Martin Dickmann Werkzeug an. 

Viele Teile stellt der Ingenieur in der eigenen Werkstatt her, dort hat er die passenden Maschinen, aber auch die Möglichkeit, Hydraulikschläuche in zahllosen Varianten herzustellen. Und mit dem „Kulturboard 6400“ hat er auch eine eigene Maschine zur Grünlandpflege konstruiert, die viele Möglichkeiten bietet, für gesundes Graswachstum zu sorgen.

Dickmann ist anzumerken, dass ihm die Arbeit an den großen Land- Forst- und Baumaschinen Spaß macht, auch wenn er häufig lange Arbeitstage hat. Kummer macht ihm lediglich, dass es so schwer ist, einen Auszubildenden oder Mitarbeiter zu finden. „Auch die großen Firmen suchen alle händeringend“, erzählt er.

Von Probstbalken aus geht es hinunter nach Vilkerath, wo eine gut gelaunte Gruppe des Casinos Vilkerath auf den Bus wartet. An ihrem ausgewählten Mittelpunkt: auf „Vogels Platz“ in der Ortsmitte.

Vorsitzender Peter Schwamborn hat die amtierende Erntekönigin Michaela Pütz bei sich, die mit ihrem Mann Michael in diesem Jahr das Casino repräsentiert hat. Auch das künftige Erntepaar ist schon gefunden: Elke Lohölter und Berthold May freuen sich schon sehr auf das Festwochenende 12. bis 15. Oktober.

Casino Vilkerath Mitglieder

Ihr Mittelpunkt ist gleich neben dem Kreisverkehr in Vilkerath: Mitglieder des Casinos Vilkerath gingen mit auf Bus-Tour. 

„Seit 1950 haben wir ununterbrochen jedes Jahr ein Erntepaar“, sagt Schwamborn nicht ohne Stolz und ergänzt: „Manchmal ist das nicht ganz einfach, viele Menschen scheuen es, so in der Öffentlichkeit zu stehen, und auch die finanzielle Belastung spielt eine Rolle.“ In vier Jahren kann das Vilkerather Casino schon sein 150. Erntefest feiern.

Vergnügt steigen die Vilkerather nach kurzer Busfahrt aus, um sich auf dem Hof von Elke und Stefan Becher in Cyriax umzusehen. Seitdem sie vor einem Jahr Hühner angeschafft haben und Bio-Eier verkaufen – übrigens auch in einem Verkaufsautomaten – spricht man in Overath nur noch vom Eier-Becher.

Die Hühner suchen sich ihr Futter selbst und sind über Nacht in einem großen Fahrzeug geschützt. „Der Habicht hat allerdings trotzdem schon ein paar Hühner geholt“, berichtet Elke Becher, „obwohl die Hähne versuchen, die Hennen zu beschützen.“

Overather Eier-Becher

Elke und Stefan Becher haben Bio-Eier im Automaten.

Mit Kuchen, den Elke Becher gebacken hat, geht’s zurück, am Dom-Hotel wartet schon die nächste Fahrgastgruppe. Mit dabei: Ehrenbürger Siegfried Raimann. Gemeinsam geht’s vor der Fahrt über die Marialindener Höhen zum Betrieb von Rainer, Philipp und Niklas Habers – letzterer wird mit seiner Frau Ina übrigens das nächste Erntepaar in Eulenthal am ersten Oktoberwochenende.

Als der Bus der Humanitären Hilfe Overath, der als Redaktionsmobil fungiert, auf den Hof fährt, spenden die Habers spontan 600 Euro für die Humanitäre Hilfe. „Eine tolle Arbeit“, finden sie.

Unterdessen hat das Fahrradteam der Redaktion in Federath Klaus Kukuk besucht, der einige Nachbarn mobilisiert hat. Über eine Whatsapp-Gruppe mit 65 Teilnehmern funktioniert der Austausch im Ort sehr gut. Rainer Hofstadt wünscht sich aber eine noch besser organisierte Dorfgemeinschaft.

„Es geht darum, unbürokratisch was zu bewegen.“ Durchaus ein Thema in Federath ist das Zusammenleben von Alteingesessenen und Zugezogenen, offenbar ist es harmonisch. „Die Integration klappt“, sagt Alt-Federather Hofstadt.

„Die Alteingesessenen erklären uns schon, wie es zu funktionieren hat“, scherzt „Immi“ Sandro Kreuzer. Er fühlt sich in Federath wohl, beklagt aber die schlechte Internetverbindung und wünscht sich einen Kinderspielplatz. Ein großes Thema sind marode Straßen und Radwege.

Eymelt Sehmer schickt das Redaktionsteam ans Ortsende, wo die Grenze zum Rhein-Sieg-Kreis verläuft: Vor der Grenze ist die Fahrbahn eine geflickte Holperpiste, im Rhein-Sieg-Kreis folgt makelloser Asphalt. Die Federather rufen auch nach einem durchgehenden Geh- und Radweg nach Marialinden – bis Landwehr gibt es keinen Weg neben der Fahrbahn.

Grenze Rheinsieg, Rheinberg

An der  Grenze von Rhein-Berg (rechts) und Rhein-Sieg (links). 

Der Bedarf wäre durchaus da, sagt Marcus Schumacher, der Zweirad-Verkehr habe durch die E-Bikes deutlich zugenommen: „Der Berg ist kein Thema mehr.“ Zwischen Landwehr und Marialinden ist ein Geh- und Radweg zwar vorhanden, aber sanierungsbedürftig – Wurzeln sorgen für eine Achterbahnfahrt. Dabei ist die Fahrbahn der Landstraße frisch saniert.

Wer die Radfahrt nach Marialinden scheut, kann die neue Mitfahrerbank nutzen. Yvonne Hoffmann und Rainer Hofstadt, die mit nach Marialinden radeln, weisen darauf hin. Radelnd unterwegs ist auch Heike Eschbach. Sie fährt mit ihrem Hund Sammy spazieren: „Ich tu was für meine Gesundheit.“

Nach dem Besuch in Federath wirkt Marialinden fast wie eine Metropole mit seinen Gaststätten und dem Supermarkt. Umso einleuchtender, dass sich die Federather eine gute Radverbindung wünschen.

Über den Ortsteil Cyriax und das Schulzentrum kommen die Redaktionsvertreter ins Overather Zentrum, am Schul-Parkplatz fällt auf, dass schon einen Tag vor Ferienende viele Autos von Lehrkräften dort stehen. Über Cyriax geht’s hinunter zum Redaktionsstand am Dom-Hotel, wo Stammgästin Anne Sauer bereits mit Pflaumenkuchen wartet. Hmmm, lecker!

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