Nur 500 WohnungenIm Kreis mangelt es an Neubauten

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Die Eugebau baut öffentlich geförderten Wohnraum wie hier in der Euskirchener Erftbleiche – auch wenn es unwirtschaftlich ist.

Die Eugebau baut öffentlich geförderten Wohnraum wie hier in der Euskirchener Erftbleiche – auch wenn es unwirtschaftlich ist.

Kreis Euskirchen – Der Gast aus Düsseldorf findet es gut, dass es bald im Kreis Euskirchen ein Bündnis für Wohnen gibt (siehe „Das Bündnis“). 1200 Wohnungen müssten kreisweit jedes Jahr gebaut werden, um den Bedarf künftig decken zu können, rechnet Sigrid Koeppinghoff, die Leiterin der Abteilung Wohnungsbau im NRW-Heimatmuseum, am Donnerstagabend auf einer Fachtagung der CDU-Kreistagsfraktion vor. Tatsächlich würden seit längerem jährlich nur rund 500 Wohnungen gebaut – damit befinde sich der Kreis im Landestrend. Ein schwacher Trost.

Zwar will Oliver Knuth nicht von Wohnungsnot sprechen. „Wir haben aber einen Vermietermarkt“, sagt der Geschäftsführer der Euskirchener Baugesellschaft (Eugebau): Große Nachfrage, wenig Wohnungen – da hätten vornehmlich die Besitzer das Sagen. Bezahlbarer Wohnraum für die, die es nicht so dicke haben, ist damit kaum zu schaffen.

Eugebau baut geförderten Wohnraum

Die Eugebau, zu deren Gesellschaftern der Kreis, die Städte Euskirchen, Zülpich, die Kreissparkasse und die Volksbank Euskirchen gehören, arbeitet mit ihren Aktivitäten im geförderten Wohnungsbau dagegen an – zuweilen unter Schmerzen, wie Knuth betont: „Bei allen Projekten der letzten Jahre musste ich unserem Aufsichtsrat erklären, dass sie unwirtschaftlich sind.“ 

Das Bündnis

Am Montag, 8. Oktober, findet ab 17 Uhr im Seehaus am Zülpicher See die Auftaktveranstaltung für das Bündnis für Wohnen im Kreis Euskirchen statt. Alle am Wohnungsmarkt relevanten Akteure sind eingeladen, an einem Konzept mitzuwirken.

Ziel ist es laut Kreistagsbeschluss, „die gesellschaftliche Bewusstseinsbildung über demografische und soziale Herausforderungen, den Austausch über wirksame Möglichkeiten einer kommunalen Wohnraumpolitik und die Entwicklung nachhaltiger Strategien zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums gemeinsam zu initiieren.“ (sch)

Seine Aufseher stimmten dennoch zu, schließlich habe die 111 Jahre alte Eugebau einen sozialen Auftrag in der Satzung stehen. Von den rund 1500 Wohnungen, die Knuth verwaltet, sind 700 Sozialwohnungen – ein Begriff, den der Geschäftsführer für irreführend hält. „Den Wohnberechtigungsschein (WBS) erhalten auch Familien mit zwei Kindern mit normalen Einkommen und alle Rentner und Pensionäre, wenn sie nicht gerade in Führungspositionen viel Geld verdient haben.“

Knuth kann im öffentlich geförderten Wohnungsbau agieren, weil er sich berufsbedingt in den Förderkulissen auskennt: „Wir nehmen mit, was wir bekommen.“ Mit den Wohnungen, die nach 20 Jahren aus der Mietbindung herausgefallen sind und nun marktübliche Mieten abwerfen, könne er die Defizite der neuen Projekte ausgleichen.

5,50€ im Schnitt

Im Schnitt zahlen die Eugebau-Mieter 5,50 Euro kalt pro Quadratmeter. In der Stadt Euskirchen darf das Unternehmen den WBS-Inhabern 5,55 Euro abverlangen, in Weilerswist 6,20 Euro. Dahlem, Blankenheim und Hellenthal befinden sich am anderen Ende der Tabelle. Hier lässt der Gesetzgeber eine Miete von höchstens 4,60 Euro im sozialen Wohnungsbau zu. Dazwischen liegen Bad Münstereifel, Kall, Mechernich, Nettersheim, Schleiden und Zülpich mit fünf Euro.

Diese Einteilung bereitet dem Kaller Bürgermeister Hermann-Josef Esser Unbehagen. Auf dem angespannten Wohnungsmarkt im Kaller Kernort und dessen Speckgürtel seien ganz andere Mieten zu erreichen als in den Außenorten. Dennoch werde ganz Kall bei der Förderung über einen Kamm geschoren.

Das mache es schwer, Investoren für sozialen Wohnungsbau zu finden. Die Förderung, entgegnet Koeppinghoff, müsse sich aber an den üblichen Mietpreisen vor Ort orientieren. Sie sei schließlich dafür da, den Investoren die niedrigen Mieten im Sozialwohnungsbau auszugleichen. Sie wies auch darauf hin, dass die Landesregierung vier Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode für die Wohnungsbauförderung bereitstelle.

Derzeit sieht es mit dem sozialen Wohnungsbau im Kreis allgemein mau aus. Der Bestand geförderter Wohneinheiten ist seit 2011 von gut 6400 auf rund 5400 gesunken. Auch der freie Markt könne wenig ausrichten, bemängelt Knuth: „Um eine schwarze Null schreiben zu können, muss ein privater Investor schon neun Euro verlangen.“ Es sei denn, er sei nicht auf Darlehen angewiesen, weil er viel Geld auf dem Konto habe, das er in „Betongold“ investieren könne.

Voussem: Bauland muss her

Ansonsten kommt man bei der Zielgruppe, die Manfred Poth im Auge hat, nicht weit. Der Allgemeine Vertreter des Landrats warnt davor, „sich in der Diskussion an den Fördermöglichkeiten festzubeißen“.

Für Langzeitarbeitslose, Senioren, Flüchtlinge und in einer alternden Gesellschaft natürlich für Pflegebedürftige werde künftig viel Wohnraum benötigt. Auch wenn derzeit im Pflegewohnbereich „Friede, Freude, Eierkuchen“ herrsche, mahnte Poth, würden 2040 Prognosen zufolge 700 bis 1000 Betten mehr benötigt.

Aber auch da geht es um die Frage: Wer baut und womit? Steigende Baupreise – im Kreis Euskirchen nahmen sie seit dem Jahr 2000 um rund 25 Prozent zu – wirken nicht gerade als Baumotor. Immerhin habe die Landesregierung die Anforderungen etwa im energetischen Bereich gelockert, so der Landtagsabgeordnete Klaus Voussem.

Land und Bund sollten Kommunen fördern

Dass Landbesitzer wegen niedriger Zinsen ihr Land kaum in Geld umwandeln wollten, sei nun mal ein Fakt, stellt Kreistagsmitglied Hans-Josef Engels klar. Land und/oder Bund sollten die Kommunen fördern, damit sie Bauland günstig bereitstellen können. „Denn auf teurem Boden kann man nicht günstig bauen“, so Engels. Von 30 bis 235 Euro geht derzeit die Spanne im Kreis für den Quadratmeter Bauland.

Um die Preise in Schach zu halten, müsse das Angebot steigen, fordert Voussem – vor allem in den Kommunen: „Es gilt, Bauland zu schaffen.“ Der Kreis und die elf Kommunen seien dabei, so Fachbereichsleiter Achim Blindert. Ein Kreisentwicklungskonzept sei in Vorbereitung.

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