InterviewSülzer Pfarrerin fordert mehr Miteinander im Veedel

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Gaby Masanek ist seit 20 Jahren Pfarrerin in der Gemeinde Sülz/Klettenberg.

Gaby Masanek ist seit 20 Jahren Pfarrerin in der Gemeinde Sülz/Klettenberg.

Sülz/KLettenberg – Frau Masanek, Sie haben 20 Jahre in der evangelischen Gemeinde Sülz/Klettenberg gearbeitet. Sind Sie auch ein kölsches Mädchen?

Ich komme von der Mosel. Ich habe in Heidelberg studiert und dort zufälligerweise eine nette Dame kennen gelernt, die immer von ihrer Gemeinde in Köln erzählte. Später habe ich mitgekommen, dass es Gerlinde Viertel war,die Frau des Pfarrers Eberhard Viertel hier in Klettenberg und Sülz. Die beiden haben mich dann gefragt, ob ich das Vikariat hier absolvieren wollte. Und ich fand schon immer Städte mit Flüssen so schön, weil der Fluss eine gewisse Bewegung hereinbringt, Kreativität und Umdenken. In solchen Städten wurde man immer über das, was über den Fluss hereinkommt, den Verkehr, gezwungen, sich auf etwas Neues einzulassen und dann wieder Abschied zu nehmen. Das wirkt sich bestimmt auch auf das Leben und die Menschen vor Ort aus.

Die Mosel ist ja auch ein großer Fluss. Woher kommen sie denn genau?

Aus Enkirch in der Nähe von Traben-Trarbach. Dieser kleine Ort hat mich in dem Sinne geprägt, weil er einerseits sehr alt ist mit viel Tradition, gleichzeitig schon früh Stadtrechte hatte und so ein großes Vereinsleben stattgefunden hat. Ein ganz starker Sinn für Gemeinschaft herrscht in dem Ort. Es gibt ganz viele Vereine, jeder ist in vier, fünf Vereinen. Und es gibt sehr viele Gaststätten und Kneipen, sehr viel Geselligkeit und Weinseligkeit.

Zur Person

Geboren und zur Schule gegangen ist Gaby Masanek im Weinort Traben-Trarbach. Aufgewachsen ist sie dort an der Mosel im Örtchen Enkirch.

Später studierte sie evangelische Theologie in Wuppertal, Mainz und Heidelberg. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder und ist seit über 20 Jahren in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg tätig - jetzt arbeitet sie als Religionslehrerin.

Und wie kam es, dass Sie sich entschieden haben, Theologie zu studieren?

Ich komme nicht aus einer Theologenfamilie, sondern bin sehr bodenständig aufgewachsen. Im Dorf kannte man nicht viele Berufe und mir war es immer wichtig, viel mit Menschen zu tun zu haben, mit Menschen für Menschen Gemeinschaft zu gestalten. Glaube kann dabei helfen: Wie so eine Kirche im Zentrum des Dorfes steht, so verdeutlicht auch Glaube mit dem zentralen Satz: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, dass es im Leben mehr gibt als sich selbst. Dazu kommt bei mir ein Glauben des Vertrauens, der mich in Krisensituationen bis jetzt immer aufgefangen und getragen hat. Dadurch gelingt es mir in Situationen, in denen mein Geist sich eng zieht, noch einmal eine andere Dimension zu finden und dort wieder heraus zu kommen. Bildlich gesprochen: meinen gebückten Blick zur Spitze des Kirchturms wieder zu erheben und den Himmel an dieser Spitze wieder zu sehen.

Was kennzeichnet denn aus Ihrer Sicht die evangelische Gemeinde Sülz/Klettenberg?

Es ist eine sehr offene Gemeinde. Unsere Vorgänger, Pfarrer Seidel und Pfarrer Viertel, haben auch schon eine sehr offene Gemeinde gestaltet, mit Abendmahl jeden Sonntag, das immer mit Traubensaft gefeiert wird, damit auch alle Kinder daran teilnehmen können. Dann gibt es bereits seit den 80er Jahren die Beatmesse. Und das Jugendwerk in der Rhöndorferstraße ist als sozialpolitisches Projekt der Gemeinde gegründet worden.

Und warum hören Sie dann nun nach 20 Jahren als Pfarrerin auf?

Mein Mann und ich haben uns die Stelle ja seit 2003 geteilt und zwar so, dass wir immer alles drei Jahre komplett gewechselt haben. Wir haben vier Kinder bekommen in der Zeit. Und das haben wir zwölf Jahre so gemacht. Die Kinder sind jetzt größer. Wir haben daher mehr Zeit. Ich möchte jetzt aber doch noch ein bisschen zusätzlich arbeiten. Diesen zusätzlichen Bereich müssten wir ja dann auch alle drei Jahre mitwechseln. Darum hat mein Mann jetzt die ganze Stelle in der Gemeinde alleine übernommen. Und ich habe jetzt die Möglichkeit Religionsunterricht zu geben.

Steckbrief

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Was fällt Ihnen denn an dem Viertel Sülz und Klettenberg besonders auf?

Es hat sich sehr verändert, finde ich. Es gab früher viel mehr Wohnraum für Menschen mit Wohnberechtigungsschein. Das hat sehr nachgelassen. Man kann hier mit Immobilien halt viel Geld verdienen. Die Durchmischung lässt nach und für viele Menschen ist es finanziell einfach nicht mehr zu stemmen, im Viertel wohnen zu bleiben. Wenn Stadtteile sich so auf eine Gesellschaftsschicht spezialisieren, ist das angesichts der wachsenden Stadt schlecht. Die bodenständigen Geschäfte, wie Bäckereien und Metzgereien verschwinden und wenn Lebensmittelgeschäfte aufmachen, dann sind das oft eher Gourmet- oder Kochläden.

Was wünschen Sie sich denn für das Viertel?

Ich wünsche mir Impulsgeber. Ich glaube, dass hier ein großes Potezial von Menschen lebt, die kreativ denken. Wir haben ja auch so viele Schulen im Stadtteil. Das ist auch eine Aufgabe für Schulen, bei ihren Schülern nicht nur den Leistungsgedanken in den Vordergrund zu stellen, sondern darüber hinaus zu denken. Der Leistungsgedanke stärkt den Egoismus. Ich finde, das ist aber nicht mehr das, was unsere Gesellschaft braucht. Deshalb sollte Schule andere Möglichkeiten suchen, Impulse zu geben, die nicht durch das Ich und die eigene Leistung gesteuert sind, sondern durch die Gemeinschaft und das Miteinander. Wenn es den Menschen klar ist, dass es auch ein anderes gutes Sein gibt als „haste was“, dann hätten sie vielleicht auch nicht so große Angst ihr Kind an eine andere Schule zu schicken, als ans Gymnasium, würden nicht ständig fördern und fordern, sondern es sich einfach entwickeln lassen.

Was glauben Sie, warum das so schwierig ist?

Man möchte im Stadtteil dazu gehören. Hier haben ja schon Kinder das Gefühl arm zu sein, wenn sie sich irgendetwas mal nicht leisten können. Der Armutsbegriff in Sülz und Klettenberg ist anders als im gesellschaftlichen Durchschnitt. Ich glaube auch nicht, dass man mit dieser Meinung viele Likes bekommt, aber Menschen, die Gemeinschaft positiv geprägt haben, haben in der Anfangsphase nie viel Zustimmung bekommen.

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