Kaufhof-TurbulenzenKölner Warenhaus der Erinnerungen

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Unter riesigem Gedränge eröffnet 1914 das Stammhaus an der Hohe Straße.

Unter riesigem Gedränge eröffnet 1914 das Stammhaus an der Hohe Straße.

Köln – Kino und Fernsehen waren seltene Freizeitbeschäftigungen für ein Kind in den 1930er Jahren. Also suchte sich Angelika Busch ein wenig Zerstreuung „beim Tietz“. Das riesige „Mehrabteilungswarenhaus“ an der Hohe Straße begeisterte das Mädchen vom Quatermarkt vor allem an Weihnachten, wenn die Schaufensterfronten voll waren von Puppen und anderen Spielwaren. „Die Fenster waren schon etwas Besonderes, das gab es sonst nirgendwo“, sagt die 88-Jährige.

Das galt auch für die Rolltreppe, die seit 1925 eine Kölner Attraktion war. Existierte doch bis dato kein zweites deutsches Warenhaus mit einer solchen Anlage. Dann kam der Krieg und damit eher unschöne Erinnerungen an den neoklassizistischen Konsumtempel, den der jüdische Kaufmann Leonhard Tietz 1914 mit 9000 Quadratmetern Fläche auf vier Etagen errichten ließ: Beim  verheerenden „Peter-und-Paul-Angriff“ am  29. Juni 1943 flog das Dach des mächtigen Gebäudes der Familie Busch quasi vor die Füße, als sie aus ihrem ausgebrannten Haus Richtung Lindenthal flüchtete: „In der Nacht hat es uns den Weg versperrt“, sagt Angelika Busch.

Viele Kölner werden ihre eigene Geschichte mit dem Gebäude verbinden, das heute als „Galeria Kaufhof“ zumindest äußerlich noch so den Block von Hohe Straße/An St. Agatha und Gürzenichstraße ausfüllt, wie es vor 104 Jahren unter riesigem Gedränge und immensem Werbeaufwand als Stammhaus des Familienunternehmens Tietz eröffnet wurde. Weil auch die Kaufhof-Filialen seit jeher von Köln aus gesteuert werden, ist die anstehende Fusion von Kaufhof und Karstadt für Köln von besonderer Brisanz. Entschieden ist zwar noch nichts, aber möglicherweise wird die Karstadt-Zentrale in Essen aufgegeben und nach Köln verlegt. Die Rede ist von einem massiven Stellenabbau in beiden Zentralen.

Die Anfänge waren von Innovation und Wachstum geprägt. Leonhard Tietz, zusammen mit seinem Bruder Oscar deutscher Warenhaus-König der ersten Stunde, ging schon 1891 in der Kölner Innenstadt neue Wege. Zu kaufen gab es Textilien, Parfüm, Spielwaren oder Porzellan – alles unter einem Dach. „Für Deutschland war das komplett neu“, sagt Ulrich S. Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs. Als Tietz 1914 kurz nach der umjubelten Eröffnung in Köln starb, übernahm sein Sohn Alfred die Geschäfte der „Leonard Tietz AG“, die zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Geschäfte in Deutschland und acht in Belgien betrieb.

Die Nationalsozialisten „arisierten“ das Unternehmen 1933 und benannten es in „Westdeutsche Kaufhof AG“ um. Die Familie Tietz emigrierte, alle jüdischen Angestellten und Vorstandsmitglieder wurden entlassen. Das  Warenhaus blieb dennoch geöffnet, bis es im Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. 1948 wurde die Wiedereröffnung des nun „Kaufhof“ genannten Hauses gefeiert. Allmählich wurden neue Käuferschichten angesprochen. „Warenhäuser waren schon in den 1920er Jahren auf Massenkundschaft ausgelegt“, sagt Soénius: „Aber für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Arbeiter war das Angebot unerschwinglich.“ In der Zeit des „Wirtschaftswunders“ wurden zunehmend Luxusartikel wie Schmuck und Pelzmäntel angeboten, mehr und mehr griff das „einfache Volk“ zu. Und mittlerweile war es Angelika Buschs Tochter, die sich an den Schaufenstern die Nase platt drückt.

Bedeutung noch immer groß

1914 und noch lange danach war die Tietz-Fassade mit ihren 40 prall gefüllten Schaufenstern eine Sensation: „Die Waren quasi auf die Straße zu bringen, war etwas Neues“, sagt Soénius. Und die Bedeutung von Europas einst größtem und modernstem Warenhaus für den gesamten Kölner Einzelhandel sei noch immer groß. Das liege nicht nur an seiner Größe, sondern auch an seiner exponierten Lage am Scheitelpunkt von Hohe Straße und Schildergasse. 

Unweit der Galeria Kaufhof an der Hohe Straße befindet sich die Hauptverwaltung der Kaufhof AG. An der heutigen Leonhard-Tietz-Straße im Griechenmarktviertel entstand 1954 ein achtgeschossiger Bau mit verglaster Fassade, die seit 1992 unter Denkmalschutz steht. Geplant wurde das Bauwerk von Hermann Wunderlich und Reinhold Klüser, den führenden Architekten der Kaufhof AG. Auf sie geht auch das vielbeachtete Parkhaus  an der Cäcilienstraße zurück, das 1957 entstand. Heute gibt es deutschlandweit 96 Kaufhof-Filialen, drei davon in Köln: In der Innenstadt, in Nippes und in Weiden. Die Standorte in Mülheim und in Kalk wurden vor einigen Jahren geschlossen.

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