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Freigesprochen und entschädigtHambach-Aktivisten siegen vor Gericht

Lesezeit 3 Minuten
Fünf bis sechs Menschen saßen auf diesem „Tripod“. (Bild vom 22. Januar 2018)

Fünf bis sechs Menschen saßen auf diesem „Tripod“. (Bild vom 22. Januar 2018)

Kerpen/Düren – Als freie Menschen und um einige Euro reicher durften eine Aktivistin und zwei Aktivisten aus dem Hambacher Wald am Dienstag das Dürener Amtsgericht verlassen. Richterin Sabine Bleser sprach die Angeklagten und in Abwesenheit eine vierte Beschuldigte vom Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte frei. Zudem sprach sie ihnen einen Entschädigungsanspruch für ihre Untersuchungshaft zu.

Die Vorkommnisse hatten sich am 22. Januar ereignet, als Polizei und RWE-Mitarbeiter im Wald zwischen Buir und Morschenich Rettungswege von Barrikaden frei räumten. Dabei wurden auch die vier Angeklagten in Gewahrsam genommen.

Weil sie ihre Personalien nicht nennen wollten, ordnete die Justiz in Aachen Untersuchungshaft an. Nach zehn Tagen wurden sie wieder auf freien Fuß gesetzt.

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Ist es schon Widerstand gegen die Staatsgewalt, wenn sich in Gewahrsam genommene Demonstranten Polizisten verweigern, sie zu Fuß zum Gefangenenwagen zu begleiten, und sich statt dessen auf den Boden legen und wegtragen lassen? Eine als Zeugin geladene Polizistin sah das so und rechtfertigte damit auch den schmerzhaften Oberkieferkontrollgriff, mit dem eine gefesselte Aktivistinnen zum Aufstehen gezwungen wurde. Aber nicht nur die Verteidiger, sondern neben der Richterin auch der Staatsanwalt plädierte auf Freispruch.

Am Ende ohne Gegenwehr

In den beiden anderen Fällen stellte sich die Frage, ob das Anketten hoch oben auf Pfahlgerüsten und die Weigerung, freiwillig abzusteigen, als strafwürdig zu beurteilen ist. Die Täter hatten sich am Ende ohne erkennbare Gegenwehr freischneiden lassen. Auch hier verneinte die Richterin den Widerstandsvorwurf deutlich, zumal nicht ausreichend nachgewiesen werden konnte, dass die Angeklagten von den Beamten im geforderten Umfang über die Rechtslage aufgeklärt worden seien.

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Überhaupt kamen einige Einsatzkräfte nicht gut weg. So hatte ein Beamter ausgesagt, sein Kollege von der Höhenrettung, der einen angeblich extrem widerspenstigen Aktivisten bergen wollte, habe wegen des enormen Kraftaufwandes beim Loslösen eine Gesichtsmimik „wie ein Gewichtheber“ gezeigt. Videoaufnahmen legten allerdings nahe, dass der Beamte das Gesicht des Kollegen von seinem Standort aus gar nicht hatte sehen können. Ohnehin fand die Richterin keinerlei Beweise für die Vorwürfe eines „massiven Widerstands“. Akten, Zeugenaussagen der Polizisten und das Bildmaterial seien sehr widersprüchlich. Auch habe es an Dokumenten gemangelt, wer was wann angeordnet und protokolliert habe. Alle vier Verteidiger deuteten an, dass dies keine Einzelfälle seien, sondern dass die neue Polizeitaktik anscheinend laute, Protestler mit übertriebenen Vorwürfen einzuschüchtern. Dass die Polizei damit den Eindruck vermittele, man könne schon wegen bloßen Hinlegens in U-Haft landen, sei ein bedenklicher Angriff auf das Demonstrationsrecht.

Rund 40 augenscheinlich aus der Hambach-Szene stammende Prozessbeobachter bedankten sich mit lautstarkem Applaus für die Freisprüche.

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