Amoklauf-ProzessFünf Jahre Haft für Tanja O.

Lesezeit 3 Minuten
Die angeklagte Tanja O. (Bild: Polizei)

Die angeklagte Tanja O. (Bild: Polizei)

Sankt Augustin/Bonn – Tanja O. wollte ihre Schulkameraden und Lehrer des Sankt Augustiner Albert-Einstein-Gymnasiums mit selbst gebauten Molotowcocktails umbringen. Die Einser-Schülerin fühlte sich einsam und missverstanden, sie hatte alles lange geplant und das auch in Internetchats angekündigt. Die 16-Jährige war schon auf der Schultoilette und traf die letzten Vorbereitungen, als ihr wahnwitziger Plan in letzter Sekunde verhindert wurde: Eine Mitschülerin überraschte sie am Morgen des 11. Mai 2009.

Gestern wurde die Tanja O. von der Jugendschwurgerichtskammer am Bonner Landgericht wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das teilte ein Gerichtssprecher nach der einhalbstündigen Urteilsverkündung mit - aus Jugendschutzgründen wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Details wurden im Prozessverlauf vor allem dadurch bekannt, dass die verletzte Mitschülerin bei „Stern-TV“ freimütig Auskunft gab - gegen Honorar.

Die Angeklagte, die seit dem Vorfall in einer Jugendpsychiatrie untergebracht war, muss nun ins Gefängnis. Sie soll das Urteil äußerlich gefasst aufgenommen haben. Der Richter fasste darin ihre ursprünglichen Pläne zusammen: Tanja O. wollte zunächst einen Lehrer mit einem Schwert niederstechen und ihm die Schlüssel stehlen, danach wollte sie die Klassenzimmer mit elf Molotowcocktails in Brand setzen und die Türen von außen verschließen. Doch alles kam anders: Eine 18 Jahre alten Mitschülerin erwischte sie bei den Vorbereitungen. Die 16-Jährige griff sie mit dem Schwert an, bei den Abwehrbewegungen wurde sie schwer verletzt, unter anderem wurde der Daumen an einer Hand fast abgetrennt. Bis heute fehlt dem Opfer das Gefühl in beiden Händen. Ein durch die Schreie aufmerksam gewordener Lehrer eilte herbei und konnte mit der Verletzten ins Sekretariat flüchten und Amokalarm auslösen. Tanja O. sah ihren Plan gescheitert und versuchte, sich mit einer Schreckschusspistole umzubringen. Erfolglos. Sie floh und fuhr zunächst mit der Straßenbahn ziellos umher. Am Abend stellte sie sich in Köln der Bundespolizei.

Die junge Frau hatte die Tat lange geplant, gegen zwei Menschen, mit denen sie in einem Chat über ihre Amokabsichten sprach, wurden Ermittlungen eingeleitet, weil sie das nicht anzeigten. Auch die Tatwaffe, das Schwert, bestellte sich die Schüler via Internet. Die Gaspistole hatte sie ihrem Vater entwendet.

Das Motiv liegt laut Urteil in „Problemen im häuslichen und schulischen Umfeld", die angeklagte soll sich „einsam und missverstanden" gefühlt haben. Zeugen sprachen von „Massiven Minderwertigkeitsgefühlen“ und davon, dass Tanja O. sich nicht geliebt fühlte.

Zwei psychiatrische Sachverständige waren uneins darüber gewesen, ob Tanja wegen ihrer Persönlichkeitsprobleme schuldfähig war. Letztendlich kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Schülerin wusste, was sie tat. Allerdings sahen es eine Einschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und wertete das strafmildernd. Beide Gutachter hatten dem Mädchen eine Persönlichkeitsstörung mit depressiven, narzisstischen, dissozialen und emotional instabilen Strukturen attestiert.

KStA abonnieren