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ArchäologieRömer halten den Betrieb auf

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Rund 50 Gräber aus spätrömischer und fränkischer Zeit wurden vom Grabungsteam entdeckt, darunter auch drei Sarkophage. (Bild: Sprothen)

Rund 50 Gräber aus spätrömischer und fränkischer Zeit wurden vom Grabungsteam entdeckt, darunter auch drei Sarkophage. (Bild: Sprothen)

Zülpich – So ganz ernst gemeintwar die Bemerkung von Petra Tutlies nicht: „Mich wundert, dass ich in Zülpich noch nicht geteert und gefedert worden bin.“Das hätte die Leiterin der Wollersheimer Außenstelle des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege auch nicht verdient. Sie kann nichts dafür, dass in der geschichtsträchtigen Römerstadt auf Baustellen fast immer Relikte aus längst vergangenen Zeiten gefunden werden. Auch ist die Archäologin unschuldig daran, dass die Grundstückseigentümer für solche Funde mit Verzögerungen bei ihren Bauprojekten und mit einem tiefen Griff in ihre Portemonnaies „bestraft“ werden. Der Landesgesetzgeber hat die Vorschrift ausgeheckt, dass Archäologen das Terrain untersuchen müssen und der Grundstückseigner als angeblicher „Verursacher“ der Störung von Bodendenkmälern auch noch dafür blechen muss.Davon weiß derzeit auch die Stadt Zülpich als Eigentümerin des Marktplatzes vor dem Rathaus ein Lied zu singen.

Petra Tutlies hatte fast schon Mitleid mit Bürgermeister Albert Bergmann und dessen unter anderem für Hoch- und Tiefbau zuständigen Geschäftsbereichsleiter Georg Goebels, als sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gemeinsam mit den beiden Herren den Sachstand auf dem Marktplatz erläuterte: „Für eine Kommune im Nothaushalt ist das der Supergau.“

Filetstück

Anfang April waren die Bauarbeiter auf dem Platz angerückt. Das zentral gelegene Filetstück, das bis dato als Parkplatz vergeudet worden war, sollein schön gepflasterter, autofreier und begrünter Platz mit Kinderspielgeräten, Außengastronomie und „Verweilqualität“ werden. Als Kosten waren inklusive der Sanierung der umlaufenden Straßen 1,1 Millionen Euro einkalkuliert, die zu 70 Prozent mit Städtebaufördermitteln des Landes bezahlt werden.

Bis zu den Sommerferien sollte die Maßnahme fertiggestellt sein. Davon war die Stadtverwaltung fest überzeugt. „Denn wir gingen davon aus, dass der Untergrund des Marktplatzes im Zweiten Weltkrieg und beim Wiederaufbau derartig zerstört wurde, dass dort keine Bodendenkmäler mehr zu finden sind“, so Bürgermeister Bergmann. Stattdessen kam der besagte „Supergau“:Man stieß auf Relikte aus der spätrömischen und fränkischen Historie Zülpichs. Und zwar in einer Fülle, dass ein externes Archäologenteam unter Grabungsleiter Stephan Weber mit gleich zehn Mitarbeitern anrückte, um die Bauarbeiten nicht länger als unbedingt nötig zu verzögern.

Die Funde sind aus Tutlies’ Sicht „sehr bedeutend“. Rund 50 Gräber, darunter drei Sarkophage, die aus dem sechsten oder siebten Jahrhundert stammen könnten, waren unter dem Parkplatz verborgen. Die Hinterbliebenen hatten den Toten damals übliche Grabbeigaben mit auf den letzten Weg gegeben: unter anderem Mode-Accessoires bei den Frauen, Waffen bei den Männern. Dass sich vom Mühlenberg in Richtung Weiertor ein Gräberfeld hinzog, war zwar schon bekannt. Aber die neuen Funde unterstreichen laut Tutlies die „maßgebliche Bedeutung Zülpichs für die Konsolidierung des fränkischen Reichs, die gar nicht überschätzt werden kann“.

Je mehr Gräber, desto höher die Einwohnerzahl, die man allerdings mit heutigen Maßstäben nicht vergleichen dürfe. Tutlies: „Genaue Fakten sind nicht bekannt, aber die Zahl dürfte im hohen dreistelligen Bereich gelegen haben.“

Mittelalterlichen Brunnen entdeckt

Auch die weiteren Funde hatten es in sich: Erstmals wurde im Bereich der Kernstadt ein Stück der Römerstraße entdeckt, die nach Neuss führte. Und ein mittelalterlicher Brunnen mit einer Tiefe von 17 Metern, einem Grundwasserstand von vier und einem Durchmesser von 2,5 Metern wurde freigelegt. Dort versorgten sich sämtliche Familien rund um den heutigen Marktplatz mit Frischwasser. Der Brunnen war vermutlich bis Ende des 19. Jahrhunderts, als in Zülpich die ersten Haushalte mit Wasseranschlüssen versehen wurden, eine Begegnungsstätte ersten Ranges.

Bemerkenswert sind auch die Kosten für die archäologischen Grabungen. Eine „Anzahlung“ der Stadt Zülpich in Höhe von 40 000 Euro wurde noch vom Land bezuschusst. Die weiteren 89 000 Euro, die noch aufgebracht werden müssen, hat die Römerstadt voraussichtlich allein zu blechen. Bürgermeister Bergmann: „Die Töpfe der Städtebauförderung sind leer.“ Über die Kanalgebühren werden die Zülpicher wohl auch jene 100 000 Euro zahlen müssen, die der Erftverband für Grabungsarbeiten überweisen muss. Der Wasserverband erledigt derzeit in den umliegenden Straßen Kanalarbeiten, die bereits ohne die Grabungskosten mit 750 000 Euro zu Buche schlagen.

Dabei wird nur etwa ein Drittel des gesamten Baugrundstücks nach historischen Relikten durchforstet. Nur dort, wo die Bagger so tief buddeln müssen, dass unweigerlich Bodendenkmäler zerstört würden, sind die Archäologen im Einsatz. Die Grabungsstelle, die bereits in früheren Jahrhunderten von Plünderern heimgesucht wurde, steht unter der Beobachtung eines Wachdienstes. Der Rest der Fläche wird nicht untersucht, weil laut Bergmann dafür „kein Geld mehr da ist“. Dort werde nur vorsichtig die oberste Schicht abgetragen und durch einen neuen Belag ersetzt, um eventuelle Bodendenkmäler nicht zu gefährden. Aber für diese Unannehmlichkeiten sollen die Römerstädter zumindest ein klein wenig entschädigt werden. Die Ergebnisse der Grabungen sollen in einer Ausstellung publik gemacht werden.

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