Armes Köln, reiches Köln

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Szene vor dem Dom

Szene vor dem Dom

„Die Armut in den Städten nimmt immer mehr zu“, sagt Jürgen Friedrichs, Professor für Soziologie an der Uni Köln. Sein Kollege, Armutsforscher Christoph Butterwegge, sieht bereits das Sterben der „sozialen Stadt“. Sozial Schwache blieben auf der Strecke. Die Stadt sei das Spiegelbild der Globalisierung.

Das trifft auf Köln zu: Schon heute gibt es arme und reiche Stadtteile, was dazu führt, dass die Chancen für Kölner Kinder ungleich verteilt sind: Wer in Thielenbruch oder Bayenthal groß wird, hat deutlich bessere Lebensperspektiven als in Blumenberg oder im Westend. Weil immer mehr „Problemgruppen“ auf den Wohnungsmarkt drängen und die Zahl der Sozialwohnungen nicht reicht, werde sich in einzelnen Vierteln die Lage dramatisch zuspitzen. Volker Eichener, Politikwissenschaftler an der Fachhochschule, warnt bereits vor „ghettoähnlichen Entwicklungen“. „Diese Perspektive dürfte auch für die Gewinner der wirtschaftlichen Entwicklung nicht verlockend sein“, sagt Butterwegge. Die Wohlhabenden, die sich auch in einzelnen Vierteln konzentrieren werden, dürften wenig Lust haben, ihre Quartiere zu verlassen. Die Stadt zerfalle in arme und reiche Teile.

Zu dieser Spaltung könnte eine ethnische Zersplitterung kommen - nicht nur in Viertel mit hohem und niedrigem Migrantenanteil. Die Gruppen werden sich weiter aufspalten. Es wandern nicht nur Eliten aus dem Ausland ein. Die Städte bleiben auch Zufluchtsorte für arme Menschen. Zusammenwohnen wollen sie nicht.

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Falsche Sozialpolitik

Deutschlands Städte sind sich keineswegs einig, wie man reagieren soll. Geldnot, aber auch die Vorgaben von Förderprogrammen zwingen zur Konzentration von Angeboten in sozial benachteiligten Vierteln. Herbert Schubert, Fachmann für Sozialmanagement an der Kölner Fachhochschule, hält das für falsch. So würden problematische Viertel weiter stigmatisiert. „Man verstärkt, was man abbauen will.“

Er hält den neuen Ansatz der Kölner Sozialpolitik, die „Sozialraumorientierung“ ähnlich wie den Ausbau der Kindergärten zu Familienzentren, für wegweisend. „Aber solche Aktivitäten müssen flächendeckend vorgehalten werden.“ Als Beispiel nennt er München: Dort gibt es in allen Teilen der Stadt so genannte „Sozialbürgerhäuser“, eine Anlaufstation für alle Bürger, die den Anschluss jedes Stadtteils an die Infrastruktur der Stadt garantieren. „Vom Leitbild der sozialen Mischung sollte man in keinem Fall Abschied nehmen“, so Schubert.

Doch die Welt ist nicht so, wie Planer sich das wünschen. Die Erfahrungen der Vergangenheit hätten gezeigt, dass die Steuerungsmöglichkeiten der Politik begrenzt sind, sagt André Kaiser vom Lehrstuhl für vergleichende Politikwissenschaft der Uni Köln. „Versuche der Mischung gab es immer wieder. Doch wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass nach einigen Jahren wieder eine Entmischung stattfindet.“

Das Umzugsverhalten von Menschen ist schwer zu beeinflussen. Und: Welcher Familie mag man übel nehmen, wenn sie anlässlich der Einschulung ihrer Kinder in einen anderen Stadtteil umzieht, weil sie vor den negativen Verhaltensweisen oder niedrigen Erziehungsstandards ihres Wohnumfelds flüchten wollen.

„Stadtteile wie Chorweiler bleiben Stadtteile für sozial Benachteiligte“, stellt Stadtentwicklungsdezernent Bernd Streitberger fest. Daran könne man aufgrund der relativ homogenen Bevölkerungsstruktur nichts ändern, genauso wenig wie man „Marienburg neu aufmischen“ kann. Durchaus beeinflussen lasse sich jedoch die Entwicklung in den älteren gewachsenen Stadtteilen wie Ehrenfeld, Nippes oder Vingst mit durchaus heterogener Bevölkerungsstruktur, die sich mit einer Vielzahl von Maßnahmen stabilisieren lassen.

Mieter werden Eigentümer

Für den Soziologen Jürgen Friedrichs ist die Eigentumsbildung dafür ein wichtiges Instrument. „Wenn man Mietern ihre Wohnungen verkauft, sorgt das für Werterhalt, soziale Kontrolle und viele positive Auswirkungen auf die Nachbarschaft“, sagt der geläuterte Gegner von Wohnungsverkäufen. Das lasse sich auch in problematischen Stadtteilen machen. Er verweist auf viele Erfahrungswerte in den USA. Wichtig ist, dass alteingesessene Bewohner nicht verdrängt werden. Sie müssen die Käufer der Wohnungen sein. Luxussanierungen sind schädlich. Wenn Wohnungen wie bei der GAG an Mieter verkauft werden, müssten sie jedoch in gleicher Zahl an anderer Stelle neu gebaut werden. Nur so lasse sich der Druck vom Wohnungsmarkt nehmen.

Außerdem müsse die Stadt unbedingt der Ballung von „sozialen Problemfällen“ an einzelnen Orten entgegenwirken. Schon die Konzentration in einzelnen Häusern sei schwierig. Am besten wäre, wenn die Stadt Belegungsrechte für einzelne Wohnungen in allen möglichen Häusern und allen Stadtteilen hätte. Friedrichs schlägt vor, Familien aus sozial schwierigen Siedlungen beim Umzug zu helfen.

Eine wirkungsvolle kommunale Politik gegen die Folgen wachsender Armut ist schwierig, solange die Finanzen so knapp sind. „Die Kommunen brauchen eine verbesserte Grundausstattung, einen größeren Anteil an Steuereinnahmen und mehr eigene Gestaltungsmöglichkeiten“, sagt Armutsforscher Christoph Butterwegge. Die Aufgabenpalette gehe weit über die Wohnungspolitik oder gezielte sozialpolitische Maßnahmen in den Quartieren hinaus. Sie umfasse die Bereiche Bildung, Schulen und Kindergärten genauso wie die Schaffung von Ausbildungsplätzen und die Ermöglichung der Teilhabe am öffentlichen und kulturellen Leben einer Stadt für alle. „Der Schlüssel zur Lösung aller Zukunftsaufgaben ist vor allem eins“, sagt Jürgen Friedrichs: „Die Schaffung von Arbeitsplätzen.“

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