Auf allen Vieren durch den Stollen

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Besucher in der Zeche "Graf Wittekind"

Besucher in der Zeche "Graf Wittekind"

Dortmund - In gebückter Haltung und voller Schutzmontur,aber immerhin noch auf beiden Beinen - das ist der einfache Eingangins Schaubergwerk Syburg im Süden Dortmunds. Denn: "Eigentlich gehtes hier unten durch", sagt Heinz-Ludwig Bücking, und kriecht durcheine nur rund 50 Zentimeter hohe Öffnung. So können die Besucher desalten Stollens von Anfang ihres Besuchs an am eigenen Leib erahnen,wie ab 1858 Bergleute in der Steinkohlenzeche Graf Wittekindschufteten.

Der 56-Jährige und seine Kollegen vom Arbeitskreis Dortmund des"Fördervereins Bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier" haben inzwanzig Jahren Arbeit einen alten Steinkohle-Abbauort rekonstruiertund ein Besucherbergwerk geschaffen. Für ihre Rekonstruktion des"einfachen" Bergbaus haben Bücking und seine Kollegen neulich einehohe Denkmalschutz-Auszeichnung erhalten: die Silberne Halbkugel desDeutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz.

Einige der Bergbaubegeisterten vom Arbeitskreis fühlen sich in denstets rund neun Grad warmen Stollen fast wie zu Hause - wie etwaWolfgang Rühl. Der 64-Jährige hat 37 Jahre unter und über Tage fürdie Kohle gearbeitet. Mit Stolz trägt er seine weißeBergmannskleidung. Und nicht nur er: Grubenkleidung und Knieschoner,Helm und Grubenlampe müssen alle Besucher tragen. 700 sind es imJahr, die sich auf den mitunter beschwerlichen Weg durch den in denSyberg getriebenen Stollen machen.

Rühl nimmt es gerne auf sich, auch im Ruhestand durch die feuchtenund engen Stollen zu kriechen. "Hier sehen Sie die alten Spurrillender Holzschlitten, mit denen früher Kohle rausgezogen wurde", erklärter. Der Boden ist schwarz von liegen gelassener Feinkohle. "Die wardamals noch nicht gefragt."

Kohle mit der Hand abgebaut

An diesem Tag sind einige Landtagsabgeordnete gekommen. "Das istja echt ganz schön eng hier", sagt Rainer Schmeltzer (SPD). Er ist ineinen der alten Abbaustollen hineingekrochen. Im Liegen und mitSchlägel und Eisen in der Hand wurde hier die Kohle abgebaut - oftunter widrigsten Bedingungen. "Es ist gar nicht ungewöhnlich, dasslange nur mit der Hand Kohle abgebaut wurde", sagt Eva Koch vomDeutschen Bergbaumuseum in Bochum. Erst in den 1920er Jahren hieltenPresslufthämmer Einzug in den Ruhrbergbau.

Die ehrenamtlichen Museumsbetreiber treibt dabei auch die aktuellepolitische Diskussion um den Kohleabbau in Deutschland um. "UnsereEnkel werden uns nochmal verfluchen", sagt Rühl. Er ist sich sicher,dass der beschlossene Ausstieg aus der Steinkohle-Förderung falschist. Die Rohstoffpreise stiegen weltweit. Wegen Unwirtschaftlichkeitwar auch die Zeche Graf Wittekind stillgelegt worden. Das warallerdings schon im Jahr 1900.

Das Besucherbergwerk ist nach eigenen Angaben die älteste nocherhaltene Steinkohlen-Zeche in Nordrhein-Westfalen. Am Syberg könnendie Besucher in der Nähe des Bergwerks auch einen sogenanntenBergbauweg entlanggehen, an dem Infotafeln über die Geschichte desfrühen Kohleabbaus berichten und auf weitere ehemalige Stollenhinweisen.

Für einen samstags zwischen 9 und 16 Uhr möglichen Besuch der ZecheGraf Wittekind ist eine Anmeldung unter Tel. 0231/713696 (Heinz-Ludwig Bücking) erforderlich. (dpa)

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