Aus der medialen Parallelwelt

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Lamya Kaddor

Lamya Kaddor

Die Deutschen wissen wenig über das Leben ihrer muslimischen Mitbürger, aber sie üben massive Kritik an den Integrationsbemühungen der Muslime in Deutschland: 79 Prozent der Bundesbürger haben den Eindruck, dass die meisten hier lebenden Muslime nicht genug tun, um sich einzugliedern.

Das ergab eine Umfrage, die das ZDF zum heutigen Auftakt des „Forum am Freitag“ durchführen ließ - ein nun ständig auf der ZDF-Internetseite abrufbarer Video-Beitrag über in Deutschland lebende muslimische Schriftsteller, Lehrer, Theologen, Filmemacher, Vertreter muslimischer Verbände. In fünf bis zehnminütigen Interviews gibt ihnen der Mainzer Sender die Möglichkeit, ihre spezielle Sicht des Zusammenlebens in Deutschland zu äußern - online, nicht im Fernsehen.

Das erste Gespräch wird mit Lamya Kaddor geführt, in Deutschland geborene Muslimin syrischer Herkunft. Sie unterrichtet im Rahmen eines Modellprojektes Islamkunde an einer Dinslakener Hauptschule. Die meisten ihrer Schüler sind Kinder türkischer Migranten: „Ich war ein wenig verwundert über die mangelnden Kenntnisse meiner Schüler, was aus ihrer Sicht der Islam tatsächlich ist und was er in Wirklichkeit nicht ist“, sagt sie da. Aufklärungsbedarf gibt es auf allen Seiten.

Viele redaktionelle Sicherheitsvorkehrungen

Für das „Forum am Freitag“ hat das ZDF eine ganze Reihe von redaktionellen Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Die Beiträge liegen in der Verantwortung der ZDF-Redaktion „Kirche und Leben“, die paritätisch von der evangelischen und der katholischen Konfession verrechnet wird. Sie hat inhaltlich das letzte Wort über die Muslimen-Interviews, die von den Journalisten Kamran Safiarian und Abdul-Ahmad Rashid geführt werden. Sie wählen ihre Gesprächspartner aus und sind stolz darauf, mit Lamya Kaddor eine Frau mit den Merkmalen liberale Muslimin, Nicht-Kopftuchträgerin, verbandsunabhängig als Erste zu Wort kommen zu lassen. Die beiden moderieren auch den Chat und achten darauf, das dort kein aggressiver Zungenschlag aufkommt. „Unser Online-Angebot wird keine Plattform für Äußerungen sein, die nicht vom Grundgesetz gedeckt sind“, so ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Es ist also alles unter Kontrolle.

Das „Forum“ ist keine Verkündigungssendung nach dem Vorbild des „Wort zum Sonntag“. Verkündigungsendungen erlaubt der Rundfunkstaatsvertrag nur anerkannten Religionsgemeinschaften, und diesen Status hat bislang kein muslimischer Verband. Aber schon gegen die Idee eines Gesprächsforums gab es Widerstand. „Deutschland braucht keinen Moschee-Sender“, polemisierte CSU-Generalsekretär Makus Söder. Eine solche Sendung fördere auch nicht die Integration, sondern bestärke Parallelgesellschaften.

Tatsächlich hat das ZDF das „Forum“ erst einmal in einem Parallelmedium platziert. Selbst im Mainzer Sender gibt es Stimmen, die von einem „medialen Getto“ sprechen. Der WDR beispielsweise hat mit „Funkhaus Europa“ oder „Cosmo TV“ längst Normalität für Migrations- und Integrationsthemen in Radio und Fernsehen geschaffen. Dass auch die 3,3 Millionen Muslime in Deutschland - viele von ihnen sind Gebührenzahler - Anspruch auf eine eigene Verkündigungssendung im Fernsehen haben könnten, weist der Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bernd Merz zurück. Deutschland sei ein „christlich-jüdisch geprägtes Land“, und für eine muslimische Verkündigungssendung fehle derzeit jede Voraussetzung: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sei kein „Offener Kanal“, sondern durch Gesetze geregelt, und das räume nur den Kirchen und der Jüdischen Gemeinde „angemessene Sendezeit“ ein. Solange unklar ist, wer die Muslime in Deutschland vertritt, sei an eine entsprechende gesetzliche Regelung auch für Muslime ohnehin nicht zu denken. Dagegen findet der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, dass ein Forum nur für Muslime zu kurz greife. Auch das „Wort zum Sonntag“ sei antiquiert, ein „Wort zum Wochenende“ verschiedener Religionsgemeinschaften viel sinnvoller. Daraufhin erklärte Merz, er bedaure es fast, dass er immer für ein „Wort zum Sabbat“ eingetreten sei.

ZDF-Mitarbeiter Abdul-Ahmad Rashid wertet das ZDF-„Freitagsforum“ indes als „Riesenchance“. Nach einer einjährigen Probephase will das ZDF entscheiden, wie es mit dem Forum weiterverfährt. Vielleicht haben die öffentlich-rechtlichen Bedenkenträger dann den Mut, die Beiträge auch im „Zweiten“ zu zeigen. Einstweilen füllen die Mainzer eine Lücke - denn der SWR hat längst das „Islamische Wort“ und der WDR den „Schwerpunkt Islam“ als öffentlich-rechtliche Netzangebote. Das ZDF will weitere „Wissensmodule“, ein „Islamglossar“ und eine Art muslimischen „Kulturknigge“ folgen lassen. Muslime und Nichtmuslime können dann erfragen, was sie schon immer über den anderen wissen wollten, aber nie zu fragen wagten.

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