Freilandversuch mit MilchschaumMit der mobilen Kaffee-Bar durch Köln radeln

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Etwa 480 Kilo wiegt das mit einer Espressomaschine bestückte Lastenfahrrad.

Etwa 480 Kilo wiegt das mit einer Espressomaschine bestückte Lastenfahrrad.

Köln – Wenn die berühmte gute Fee irgendwann bei mir angeklopft und mir drei Wünsche gewährt hätte, wäre ich mit ihr raus auf die Straße gegangen und hätte mit Blick auf die dort parkenden Fahrzeuge gesagt: Könntest Du vielleicht zwei von denen verschwinden lassen und mir statt dessen einen Lieferwagen hinstellen, in dem sich ein Lastenfahrrad mit einer Espressomaschine befindet?

„Seitdem ich eine Leidenschaft für guten Kaffee entwickelt habe“, hätte ich der Fee erklärt, „träume ich manchmal davon, ein mobiles Café zu eröffnen, das es mir ermöglicht, die Menschen überall dort, wo ich möchte, mit einem perfekten Cappuccino oder Espresso glücklich zu machen.“

Kaffee auf holländischem Lastenrad

Genau diesen Wunsch hatte vor sechs Jahren noch jemand anderes in Köln. Da sich aber auch bei Nasser Zuri keine gute Fee blicken lassen wollte, investierte er rund 45.000 Euro, kaufte sich ein holländisches Lastenfahrrad und rüstete dieses mit Hilfe entsprechender Holzaufbauten und einer Siebträgermaschine zu einer fahrbaren Kaffeebar auf drei Rädern um.

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Seitdem steht der 41-Jährige unter der Woche im Lindenthaler Tierpark und bringt koffeinhaltige Heißgetränke an den Mann oder die Frau. Heute werde ich ihm dabei helfen. Es ist kurz nach zehn, als wir die Türen des Transporters öffnen und das Kaffee-Rad über eine flexible Rampe herunterrollen lassen. Die nächste halbe Stunden verbringen wir damit, das Gefährt betriebsfertig zu machen. Als erstes wird die gasbetriebene Espressomaschine auf Touren gebracht. Mühle und andere Geräte wie Zitruspresse brauchen Strom, den ein Akku liefert. Neben großen Behältern mit gefiltertem Wasser bunkern wir Milch – natürlich auch laktosefreie und vegane.

Als nächstes wird die Plastikplane hochgerollt und befestigt, schließlich das Gefährt noch dekorativ mit Muffins und Saftorangen bestückt. „Magst Du?“, fragt Zuri und deutet auf den Sattel. „Unbedingt!“, entgegne ich, setze die Füße auf die Pedale und merke, wie schwer es ist, ein 480 Kilo-Gefährt in Bewegung zu setzen.

„Wir haben Dich schon vermisst“, sagt eine Mutter mit einem gelockten Mädchen an der Hand. Zuri erklärt, dass sich Tage mit 30 Grad und mehr für ihn nicht lohnten. „Da will keiner Kaffee!“ Er lacht. Das tut er oft an diesem Tag, selbst dann, wenn ich Milch verschütte oder Kaffee überläuft.

Der 41-Jährige, der als Kind mit seiner Familie aus Afghanistan geflüchtet ist, hat anscheinend immer gute Laune, obwohl ihm die Hitze in diesem Sommer an manchem Tag das Geschäft vermiest hat. Eine italienische Familie baut sich halbkreisförmig vor uns auf und verlangt drei Latte Macchiato und zweimal Cappuccino. Meine erste Herausforderung.

Zu lange geschäumt

Während ich den leeren Siebträger unter die Mühle halte, lasse ich Zuris Instruktionen noch einmal im Schnelldurchgang durch meinen Kopf rattern. Der Kaffee als solcher macht mir wenig Probleme, obwohl Reste des gemahlenen Pulvers nicht immer ganz da landen, wo sie sollen. „Nicht so feste!“, bremst mich mein Chef, als ich den Hahn für den Wasserzulauf zudrehe. Ich nicke und schaue auf die Milchkanne links neben mir: der heikelste Part beim Cappuccino.

Zuri macht ein paar Mal vor, wie das Aufschäumen funktioniert, dann halte ich die Dampfdüse in die Kanne und drehe den Hahn auf. Es zischt in etwa so, als übte ein Baby-Drachen das Fauchen. Anfangs weiche ich zurück, dann wächst mein Zutrauen zur Maschine. Trotzdem passiert mir bei meinen ersten Aufschäumversuchen ständig das, was ich als Gast aus Cafés zur Genüge kenne: Ich schäume zu lange, nämlich bis die Milch dicke Blasen wirft, weil sie buchstäblich kocht. An dem Punkt kann sie nie mehr die cremige Konsistenz erhalten, die man für ein gutes Ergebnis braucht.

Eine Frau kommt mit Fahrrad und bestellt einen Cappuccino. Ich drücke auf den Portionierknopf der Mühle, fülle den Siebträger, drücke das Pulver mit einem Spezialstampfer fest und hake den Siebträger in die Maschine ein. Während der Kaffee ganz langsam in einem goldbraunen Strahl in den Becher läuft, schütte ich Milch nach, „Und jetzt, liebe Susanne, machst Du ein Muster“, ordnet mein Chef an und legt so viel Zuversicht in seine Stimme, dass ich mich traue, die Kanne beim Gießen in etwa so zu bewegen, wie ich es vorher bei ihm abgeschaut habe.

Falls in der nächsten Sekunde ein paar Rehe im Wildpark zusammenzucken, liegt es an dem „Yeeaah!“, das ich in den Wald hineinbrülle, als ich sehe, dass mir erstmals ein passables Muster gelungen ist; sprich: ein Blatt, das man als solches halbwegs erkennen kann.

„Ich habe Sie gesucht“, sagt eine Frau, die mit ihrer kleinen Tochter bei uns stehenbleibt. „Man bekommt hier ja sonst keinen gescheiten Kaffee“, erklärt Eva-Dorothee Kretschmer. Für sie ist das Espresso-Mobil ein „ganz großes Plus, was es lange nicht gab und das Highlight beim Parkbesuch“.

„Haben Sie vielleicht einfach nur heißes Wasser?“, ruft eine junge Frau, die sich im Laufschritt nähert. An ihrem Bein ist eine auffallend rote Stelle. Ein Wespenstich. „Ich habe gestern gelesen, dass heißes Wasser das Gift neutralisiert“, sagt sie und betupft den Stich, nachdem Zuri einen Espressobecher halbvoll mit kochendem Wasser gefüllt hat. „Gute Idee“, murmelt mein Chef. „Daran muss ich morgen denken.“ „Ich sollte immer was gegen Insektenstiche dabeihaben.“

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