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Happy End nach GeburtsfehlerEin zweites Leben für Ella

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Ella auf dem Schoß ihres Vaters – fünf Monate nach der OP

Ella auf dem Schoß ihres Vaters – fünf Monate nach der OP

Das kleine Mädchen wird mit einer fehlerhaften Speiseröhre geboren. Es kann weder trinken noch essen. Einen Tag nach der Geburt wird es in der Kölner Uniklinik operiert. Eine Erfolgsgeschichte.

  • [Lesedauer: rund 5 Minuten]

In diesen Tagen wird Ella von Milch auf Brei umsteigen. Selbstverständlich ist das nicht. Denn Ella aus dem Kölner Süden, knapp fünf Monate alt, 65 Zentimeter groß und 6,4 Kilo schwer, litt bei ihrer Geburt an einer seltenen Fehlbildung der Speiseröhre. Eine Operation nur einen Tag nach ihrer Geburt hat ihr das Leben gerettet.

Fröhlich hockt sie an diesem verregneten Vorweihnachtstag auf dem Arm ihres Vaters Tim. Runde Wangen, schwarze Haare. Die Nase stupst ein wenig gen Himmel. Mit großen blauen Augen schaut sie die fremden Besucher neugierig an.

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Ella wird – nach einer problemlosen Schwangerschaft – am 26. Juli 2017 im St. Elisabeth-Krankenhaus in Köln-Hohenlind geboren. Die Geburt sei zwar lang, aber auch sehr schön gewesen, erinnert sich Emma S. (Namen der Eltern geändert). Endlich, eine halbe Stunde nach Mitternacht, ist Ella auf der Welt: ein zartes Bündel Leben, knapp 50 Zentimeter groß, 2,6 Kilo schwer. „Es war überwältigend“, erinnert sich die 31-Jährige an den Moment, als sie ihre Tochter zum ersten Mal sieht.

Ella hustet so heftig, dass sie blau anläuft

Die Eltern wollten das Geschlecht des Kindes vor der Geburt nicht wissen. „Alle sagten, es wird garantiert ein Junge, aber wir hatten uns eine Tochter gewünscht.“ Umso größer sei die Freude gewesen, dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen war. „Wir haben Ella ja erst mal als gesundes Kind wahrgenommen und uns keine Sorgen gemacht. Wir haben uns einfach nur gefreut, dass sie endlich da war.“

Doch die Kleine hat ein Problem. „Sie hat von Anfang an geröchelt und sich immer wieder heftig verschluckt“, erinnert sich Tim. Zunächst sind die Eltern nicht sonderlich beunruhigt. „Man hat sich ja vor der Geburt schon ein bisschen informiert und weiß, dass noch Fruchtwasser in der Lunge sein kann, das erst mal rausgehustet werden muss.“ Die Ultraschalluntersuchungen vor der Geburt hätten zudem keine Unregelmäßigkeiten gezeigt.

Indes: Ella hört nicht auf zu husten. Blasiger Speichel läuft ihr aus dem Mund. Irgendwann verschluckt sie sich so heftig, dass sie keine Luft mehr bekommt und blau anläuft. Die Hebamme saugt das Sekret zwar regelmäßig ab, doch der übermäßige Speichelfluss hört nicht auf. „Das war über einen normalen Nasensauger nicht mehr in den Griff zu kriegen“, sagt Tim und erinnert sich an die wachsende Angst, die mit jedem weiteren Hustenanfall der Tochter in ihm aufsteigt.

Eine angeborene Fehlbildung der Speiseröhre verursacht die Schwierigkeiten

Auch die Ärzte des St. Elisabeth-Krankenhauses sind inzwischen beunruhigt wegen Ellas offensichtlicher Schluckprobleme. Ein Notfallteam der Universitätsklinik Köln wird gerufen. Es möge sich das Neugeborene doch einmal ansehen. Das Krankenhaus in Köln-Hohenlind ist für Fälle wie diesen nicht ausgestattet, der Ruf nach dem Notfallteam jedoch Routine.

Ella wird eine haarfeine Sonde in die Nase und weiter Richtung Magen geschoben. Sie könnte Probleme mit der Speiseröhre haben, vermutet das Team der Uniklinik. Ösophagusatresie, so lautet der medizinische Begriff für eine angeborene Fehlbildung der Speiseröhre, unter der Ella, wie sich im Laufe der Nacht herausstellt, leidet. Etwa eines von 4000 Neugeborenen ist davon betroffen.

„Die Speiseröhre ist unterbrochen“, erläutert Martin Dübbers, Leiter der Kinderchirurgie an der Uniklinik Köln, das Problem. Dabei handele es sich um eine angeborene Fehlbildung. „Sie entsteht, wenn sich während der Schwangerschaft Luft- und Speiseröhre unzureichend trennen. Der obere Teil endet in einem Blindsack. Der untere Teil ist entweder ebenfalls blind oder mündet in die obere Luftröhre.“ Die Folge: „Die Kinder können weder essen noch trinken noch können sie ihren eigenen Speichel schlucken.“ Außerdem werde durch die Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre Luft in den Magen des Kindes gepumpt. „Dadurch wird der Magen immer dicker. Er drückt das Zwerchfell nach oben, so dass die Lunge weniger Platz hat“, was zu Problemen mit der Atmung führen könne.

Eingriffe an der Speiseröhre sind besonders kniffelig

Eine erste Untersuchung des Notfallteams ergibt keine Besonderheiten. Doch beim ersten Stillversuch verschluckt sich Ella erneut dramatisch. Ein zweites Mal wird sie untersucht, und diesmal ist die Diagnose eindeutig. Ellas Speiseröhre ist unterbrochen.

Um 5.30 Uhr, fünf Stunden nach ihrer Geburt, wird sie in die Universitätsklinik gefahren. Einen Tag später näht Martin Dübbers die beiden losen Enden ihrer kaum makkaroni-großen Speiseröhre in einer zweistündigen Operation zusammen. Es ist ein minimal-invasiver Eingriff, der den früher üblichen großen Brustschnitt überflüssig macht. In Ellas Brustraum wird eine kleine Kamera eingeführt und das Bild auf einen Bildschirm übertragen. Operiert wird durch winzige Einschnitte in der Brust.

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Zwei Anästhesisten überwachen die Operation, was durchaus üblich ist bei sehr kleinen Patienten. Eingriffe an der Speiseröhre sind jedoch besonders kniffelig. Bei kaum einer anderen Operation sei eine so enge Kooperation zwischen Anästhesist und Chirurg notwendig, sagt Uwe Trieschmann, einer der beiden Anästhesisten bei Ellas Operation. Der Chirurg brauche ausreichend Platz zum Operieren und wolle „möglichst wenig Lunge im Brustkorb haben“. Der Anästhesist hingegen müsse dafür sorgen, dass das Kind ausreichend beatmet werde. „Und dafür braucht man die Lunge.“

Die Operation verläuft erfolgreich. Drei Wochen bleibt Ella in der Klinik. Mehrmals in den folgenden Monaten muss ihre Speiseröhre nachgedehnt werden. „Heute ist sie ein ganz normales Kind“, sagt Dübbers. Eines, das sich auf seinen ersten Brei freut.

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