Bandenkrieg am Ring

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Staatsanwaltschaft hat die Anklage gegen drei Mitglieder einer arabischen Gang fertig gestellt.

Es sollte ein Rachefeldzug werden:Am 10. September 2002 trafen sich in einer Wohnung in Niederkasselsechs Männer. Zwei Anführer einer Gruppierung, die in der Türsteher-und Rotlichtszene nur die „Araber“ genannt werden, hatten zur Attackeauf einen türkischen Widersacher aufgerufen. Der Mann hatte einender Ihren niedergeschlagen. Bewaffnet mit Pistole und Handgranate, sollte ein Exempel statuiert werden. Angesichts des Sprengkörpersbekamen die Gefolgsleute der Chefs kalte Füße - so wurde auf die Granate verzichtet. Am Treffpunkt für den Show-down warteten die „Rächer“ vergeblich. Der Gegner kam nicht.

Es ist nur eine Episode aus der Anklage gegen die Hauptakteure einer arabischen Milieu-Gang. Die Staatsanwaltschaft will den Brüdern Ahmed und Brahim Z. sowie Rachid B. als auch Sascha H. den Prozess machen. Es geht um mehrfachen Mordversuch, unerlaubten Waffenbesitz und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

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Die Anklage ist ein Spiegelbild wachsender Gewalt im Ringmilieu. Seit Jahren bekriegen sich zwei Gruppierungen. Die Staatsanwaltschaft gliedert sie in „Türken“ gegen „Araber“.

Eine Macht ist die überwiegend mit türkischen Mitgliedern besetzte Bande um den mutmaßlichen Rotlichtpaten Necati Coskun A., genannt „Neco“. Im Ernstfall, so schätzen die Ermittler, wusste der 30-jährige Boss mehr als hundert Männer zu mobilisieren. Er unterhielt eigene Sicherheitsdienste, sein Arm reichte bis in Vergnügungsviertel im Ruhrgebiet. Etliche Bordelle im Kölner Umland sollen unter der Kontrolle der Gruppe stehen, nach Erkenntnissen der Polizei gingen Prostituierte in Sauna-Clubs in Wuppertal, Bochum, Frankfurt und München für ihn anschaffen. Außerdem beobachteten Ermittler, dass Leute des Kölner Paten einträchtig mit der durch die Landesregierung verbotenen Düsseldorfer Gruppe der weltweit mächtigsten Rockerbande „Hells Angels“ die Security machten. Im Oktober 2002 wurden Necati A. und seine beiden Hauptleute wegen Rädelsführerschaft einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Eine Anklage steht noch aus.

Zu den schärfsten Rivalen zählen die vier Angeklagten und deren Gruppe, zu der Deutsche als auch Araber gehören. In den Revierkämpfen geht es um die Macht an den Türen der Disko-Clubs, um Drogen, Geld, um Anteile an Bordellen, um Zuhälterei, Menschenhandel und Schutzgelderpressung. „Die Türen an den Diskos sind eine Goldgrube für diese Leute. Nichts ist einfacher, als dort Mädchen anzugraben, um sie später in die Bordelle zu stecken“, schildert ein Ermittler die Methoden. Mitunter ist es aber auch nur eine Frage der Ehre. „Es reicht da schon, wenn du einen von denen schief anguckst.“

Mitte der 90er Jahre eskalierte die Gewalt bei einer Schießerei vor der Ring-Disko Relax. Seither sitzt ein Mann im Rollstuhl, der Fall ist nie geklärt worden. Ende der 90er Jahre wurde die alte Führungscrew der türkischen Gang zu langen Haftstrafen verurteilt. Als Kronzeugen der Anklage sagten unter anderem die Gebrüder Ahmed und Brahim Z. aus. So viel Offenherzigkeit sorgte im Milieu für böses Blut.

Als Rotlichtpate Neco das Kommando am Ring übernahm, häuften sich die Anschläge seiner Gegner. Im Jahr 2001 erteilte er den Arabern „Köln-Verbot“ - diese wiederum waren verärgert über den Wechsel eines Gefolgsmannes zur Türken-Gang. In der Szene nur „der Boxer“ genannt, avancierte Hüseyin C. zum Hauptmann des Ring-Paten. Am 29. September 2001 sollen die vier Angeklagten laut Staatsanwaltschaft Jagd auf den Abtrünnigen gemacht haben. Auf der A 57 bei Neuss feuerte einer von ihnen auf das Auto des „Verräters“ mehrere Schüsse ab, ohne größeren Schaden anzurichten. Der Schütze hörte erst auf, als sich eine Patrone in der Pistole verklemmte. Sein Opfer berichtete später, es habe Gas gegeben und sei um sein Leben gefahren.

Vier Monate später fielen laut Anklage nahe der Porzer Diskothek „Klima“ erneut Schüsse. Die Araber lagen mit einer albanischen Gruppierung im Clinch. Es ging um den Sicherheitsdienst des Clubs. Am Abend des 19. Januar 2002 verabredeten sich beide Gangs zur Aussprache in Porz. Während die Albaner auf dem Bürgersteig warteten, schoss das führende Bandenmitglied Sascha H. aus seinem S-Klasse-Mercedes auf die Gegner. Die Kugeln verfehlten ihr Ziel. H. gilt in der Szene als unberechenbar. Bei einer Schlägerei zertrümmerte er mit einer Axt das Stoffverdeck eines Porsche Cabrios, in dem sein Widersacher gesessen haben soll. Nur um Haaresbreite, so die Staatsanwaltschaft, verfehlten die Schläge den Kopf des Fahrers. Im Oktober 2002 setzte der 29-Jährige bei einer Schlägerei im Servatiushof in Ostheim zwei Männer mit Schüssen in die Beine außer Gefecht. Der Schütze wurde festgesetzt. Für ihn hat die Staatsanwaltschaft Sicherungsverwahrung beantragt. Sollte er verurteilt werden, so droht ihm ein Leben hinter Gittern. Die Verteidiger Dietmar Müller und Gabriele Paukens bezeichneten den Antrag als rechtlich „unhaltbar“. Derzeit werde die Sicherungsverwahrung inflationär gehandhabt. Alexandra Hagen, Verteidigerin eines der beiden arabischen Anführer sagte: „Die Einzelheiten des Geschehens werden in der Hauptverhandlung umfassend aufgeklärt werden - daraus wird sich ergeben, dass an der Anklage nichts dran ist.“

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