BetrugDie gekaufte Abschlussarbeit

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(Symbolbild: Max Grönert)

(Symbolbild: Max Grönert)

Kaum Motivation, Zeitmangel, so viele andere Dinge zu tun: Verschiedene Gründe bewegten Lena Schultze (Name geändert) aus Köln dazu, sich ihre Abschlussarbeit von einem Ghostwriter schreiben zu lassen. Vor einem Jahr schloss die 23-Jährige ihr Studium ab. Und zwar mit einer 60-seitigen Arbeit, die sie gegen Bezahlung bei einem Bekannten in Auftrag gegeben hatte.

Ghostwriting ist auch unter Akademikern keine Seltenheit. Kinderleicht finden sich im Internet zahlreiche Agenturen, die diesen fragwürdigen Service zu horrenden Preisen anbieten. Sie versprechen ihren Kunden den „perfekten Text“, bezeichnen ihr Angebot als „schnell, zuverlässig und diskret“. Für Lenas Studentenbudget kam solch ein Auftrag nicht in Frage. „Also habe ich mich in meinem Bekanntenkreis umgehört und irgendwann jemanden gefunden, der dazu bereit war und sich einigermaßen in dem Gebiet auskannte.“

Zu dieser Zeit ging sie an fünf Tagen in der Woche arbeiten, hatte keine Lust und keine Zeit, sich selbst in die Materie hineinzudenken. Der Abgabetermin rückte näher und näher - einen Monat vor Ablauf der Frist hatte sie noch immer nichts zu Papier gebracht. „Ich habe es nicht eingesehen, meine Wochenenden und Nächte für diese Arbeit zu opfern. Und ich wollte einfach nur bestehen“, gibt die ehemalige Studentin zu. Also zahlte sie ihrem Ghostwriter 200 Euro, die Hälfte bekam er bereits im Voraus.

Die möglichen Folgen hielten Lena damals nicht davon ab, den Betrug durchzuziehen. Dabei drohen im Fall, dass Ghostwriting oder Plagiat (der Diebstahl geistigen Eigentums, etwa die Benutzung fremder Quellen ohne diese anzugeben) auffliegen, schwere Konsequenzen.

„Es gibt zwar kein Gesetz, das den Umgang mit solchen Täuschungsfällen deutschlandweit regelt, doch sehen viele Hochschulprüfungsordnungen in diesem Fall eine Exmatrikulation vor“, sagt Debora Weber-Wulff von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Sie ist Professorin für Medieninformatik und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Plagiat. Regelmäßig testet sie Software, die solche Kopien erkennen soll. „Es ist leicht, einem Plagiat auf die Schliche zu kommen.“ In einer von ihr entwickelten elektronischen Lerneinheit für Lehrer und Dozenten erklärt Weber-Wulff, wie Plagiate erkannt werden können.

Zwar würden Abschreiber in vielen Fällen schnell überführt, doch umso schwerer sei es, einen Ghostwriter-Text, der extra für diesen Zweck von einer anderen Person geschrieben wurde, zu enttarnen. „Wenn ich ein Seminar für 30 Studenten halte, kenne ich bis zum Ende des Semesters die meisten Namen und die unterschiedlichen Stile.“ Wenn dann beim Korrigieren der Hausarbeiten ein Verdacht auf Ghostwriting aufkommt, lädt die Professorin den Studenten in ihre Sprechstunde ein und erkennt im persönlichen Gespräch schnell, ob er sich wirklich selbst mit dem Thema befasst hat. „In Zeiten von Massen-Unis ist das allerdings ein Problem“, sagt Weber-Wulff: „Wie soll das bei einem Seminar funktionieren, in dem 100 Leute oder mehr sitzen?“

Doch nicht nur wegen der Gefahr, erwischt zu werden, rät die Plagiatexpertin dringend allen Studierenden davon ab, die Dienste eines Ghostwriters in Anspruch zu nehmen: „Das Ziel eines Universitätsstudiums ist doch, zu lernen, wie man lernt. Ganz egal, welches Fach man studiert. Natürlich können Recherchen lange dauern und es erfordert viel Ausdauer, sich in etwas einzuarbeiten und sich eine Meinung zu bilden. Aber genau das ist doch gerade das Spannende!“

Eine Notengarantie gibt es mit Ghostwriting ebenfalls nicht. Das musste auch Lena erfahren. „Letztendlich stand nur eine Drei vor dem Komma. Und bis zum Schluss hatte ich Angst, dass die Arbeit nicht rechtzeitig fertig wird. Heute denke ich: Wenn ich sie selbst geschrieben hätte, wäre der psychische Druck nur halb so hoch gewesen.“ Der Ghostwriter lieferte die Arbeit erst am Abgabetag und Lena hatte keine Möglichkeit, noch selbst etwas zu ergänzen. „Ich bin zum Copy-Shop gerannt, habe sie binden lassen und abgegeben. Es war ein Fehler, jemand Anderem mein Studium in die Hand zu geben.“ Das hat die 23-Jährige inzwischen eingesehen.

Nach ihrem Abschluss hat Lena schnell gemerkt, dass ihre Studienrichtung nicht das Richtige für sie war und hat eine neue Ausbildung begonnen. „Jetzt bin ich viel motivierter und engagierter. Es ist das, was ich wirklich machen will.“

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