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BildungQualität in Zeiten der Massen-Universität

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Konzentrierte Studenten: Der Philiosoph Speer vermisst an der Universität zu Köln die Wechselwirkung zwischen Leben und Lehre.

Konzentrierte Studenten: Der Philiosoph Speer vermisst an der Universität zu Köln die Wechselwirkung zwischen Leben und Lehre.

Köln – Das Kreisen um sich selbst gilt gemeinhin nicht gerade als vornehmste aller Beschäftigungen. Doch Peter Strohmeier, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, nimmt den eigenen Lebensraum davon aus: „Die Universität gibt es nur als Streit um sich selbst.“ Als gesellschaftlich produktiven Streit, fügt er hinzu. Es sei kein Zufall, dass viele soziale und politische Revolten – zuletzt im Arabischen Frühling – von der akademischen Jugend an den Hochschulen ausgegangen seien.

Und so streiten sie beim „Albert-Gespräch“ des Förderkreises Albertus-Magnus-Stiftung im Kunstmuseum Kolumba: der Mediävist und Literaturwissenschaftler Strohmeier, die Philosophen Andreas Speer (Köln) und Ludger Honnefelder (Bonn) sowie die Theologin Annette Schavan, bis Anfang 2013 Bundesforschungsministerin. Welchen Stellenwert hat die Universität heute und in Zukunft für die Vermittlung von Bildung in einem umfassenden Sinn, der mit Wortverbindungen wie Herzens- oder Charakterbildung benannt ist?

Honnefelder übernimmt den Part als Anwalt Alberts des Großen und seines Anspruchs, den gebildeten Menschen „wirklichkeitsfähig“ zu machen. „Der Grund qualifizierter Ausbildung ist Urteilsfähigkeit.“ Das Publikum ahnt, dass der Gelehrte in Alberts Tradition den heutigen Wissenschaftsbetrieb als dementsprechend defizitär erachtet. Honnefelders überraschender Fingerzeig: Ausgerechnet im angelsächsischen Raum – gerne als Keimort des auf „Credit Points“ und „Benchmarks“ fixierten Studier-Bazillus ausgemacht –würden Reflexions- und Orientierungswissen noch am ehesten gepflegt, nämlich an den Colleges.

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Ein Fan der großen Uni

Das mag sein, hält Speer dagegen. Trotzdem sind solche in doppeltem Sinn entlegenen Institutionen nicht nach seinem Geschmack: „Ich bin ein Fan der großen Uni.“ Ein Hochschulstandort wie Köln – gerade wieder an die deutsche Spitze gerückt – repräsentiere die „Demokratisierung der Bildung“, so Speer. Was der Philosoph in Köln vermisst, ist die Wechselwirkung zwischen Leben und Lehre. Die Universität müsse stärker als heute eine Art „Stadtforum“ sein; eine Institution, die „mit beiden Beinen in der städtischen Kultur steht“. Das liege gerade in Köln nahe, dem Entstehungsort der ersten Bürger-Universität. Doch für viele Kölner ende ihre Vorstellung vom „Zentrum der Stadt“ bereits an den Ringen.

Annette Schavan gibt sich entspannt, was die Klage über Studierenden-Schwemme und Massen-Unis betrifft. „Die Debatten sind immer die Gleichen“, sagt die CDU-Politikerin, die ihren ersten Auftritt in Köln hat, seit sie ihr Ministeramt im Februar nach Plagiatsvorwürfen niedergelegt hatte.

Vehement verteidigt Schavan die Bildungsreformen der jüngeren Vergangenheit, wünscht sich aber Verbesserungen für den Übergang von den diversen Schulformen zur Qualifikation an Hochschulen und Universitäten. Unergiebig nennt die Ex-Ministerin das Hin und Her um das G8-Abitur und eine damit verbundene Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit. Sie steht zur Verkürzung, einem ihrer Lieblingsprojekte als Kultusministerin in Stuttgart. Ja, Zeit hält auch Schavan für einen „entscheidenden Qualitätsfaktor“. Aber sie dreht die Argumentation der G-9-Befürworter um: Solange die Woche vor und nach den Ferien im Freizeitmodus verstreiche, sei das ein „fahrlässiger Umgang“ mit vorhandener Zeit.

Nicht alle im Saal mögen ihr hier folgen: Eine Zuhörerin mit schulpflichtigen Töchtern klagt, sie verzweifle schier an einem „kranken System“, das sich immer weiter beschleunige und gleichzeitig zu Tode dokumentiere. Ein anderer wirft den bösen Begriff des „Bulimie-Lernens“ ein – die auf schnellen Prüfungserfolg angelegte Wissensaneignung ohne Nährwert. Ja, so etwas gebe es an Schulen und Hochschulen des Jahres 2013, sagen die Professoren und schauen bekümmert. Es sei aber an ihnen, dagegenzuhalten, proklamiert Andreas Speer, während Peter Strohmeier kurz und bündig ausspricht, wie er solche Perversionen des Bildungsbegriffs findet: „zum Kotzen!“ Albertus Magnus hätte es wohl genauso gesehen, wenn auch auf Latein.

Die Diskussion ist am Sonntag, 1. Dezember, von 19.05 bis 20 Uhr in WDR 3 zu hören.

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