Charlie MarianoGrenzüberschreiter in Kunst und Leben

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Charlie Mariano, hier bei einem Auftritt auf der Rheinkultur 2000 in Bonn. (Bild: ddp)

Charlie Mariano, hier bei einem Auftritt auf der Rheinkultur 2000 in Bonn. (Bild: ddp)

KÖLN - Wenn man das Leben von Charlie Mariano Revue passieren lässt, war er fast ständig auf Achse. Er lebte in den USA, in Japan, in Kuala Lumpur, in Europa, und mitunter purzelten Wohnsitze und Arbeitsplätze durcheinander. Seit 1990 jedoch war der in Boston / Massachusetts geborene Jazzer ein Kölner - damals fand er irgendwie zur Ruhe. In Köln ist er gestern auch im Alter von 85 Jahren einem Krebsleiden erlegen.

Als Carmine Ugo Mariano, Sohn italienischer US-Einwanderer, 17-jährig beschloss, Musiker zu werden, reagierte der Vater wie andere Väter in dieser Situation: „Lern was Anständiges. Musik ist ok, aber such dir einen richtigen Job.“ Zu spät. Aus Carmine Ugo wurde Charles Hugo, und daraus eben Charlie. Das Saxofon war sein Instrument. Seine Vorbilder hießen Johnny Hodges und Benny Carter - bis ihm Charlie Parker den Kopf verdrehte.

In Boston gab es eine kleine, aber rührige Jazzszene. Und darin eine Reihe guter Musiker wie Jacki Byard, Quincy Jones, Sam Rivers, Gigi Gryce, Serge Chaloff. Man tauschte sich aus, ging ins Studio, spielte in diversen Club-Sessions. Die Platten aber waren es, die den Musiker über seine Stadtgrenze hinaus bekannt machte. So reüssierte er 1951 auf einer Einspielung für das renommierte Label Prestige: „The New Sounds From Boston - Charlie Mariano And His Groups“. Und der anerkannte Musikjournalist Nat Hentoff adelte Mariano 1952 als „größten Musiker Bostons“.

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1953 kam Schwung in die Karriere des 30-Jährigen. Stan Kenton, Leader einer damals richtungweisenden („Progressive Jazz“) und doch populären Bigband, meldete sich bei Charlie in Boston und engagierte ihn für sein Orchester. Er blieb bis 1955, der Tour-Stress wurde ihm schließlich zu viel. Eine Konzertreise mit Stan Kenton indes sollte Mariano nie vergessen: die von 1954 mit den Gastsolisten Dizzy Gillespie, Lee Konitz, Errol Garner - und Charlie Parker. Wow!

1956 zog Mariano an die Westküste, der „West Coast Jazz“ war in jenen Tagen en vogue. Kein Geringerer als der Schlagzeug-Feinmotoriker Shelly Manne bat ihn in seine diversen „Men“-Combos. Bei ihm verweilte er über zwei Jahre. Schon da erlangte Mariano als Komponist und Arrangeur Reputation. Ein Schlüsselerlebnis allerdings sollte noch folgen: 1962 rief ihn Charles Mingus in seine „Working Group“.

Wechselnde Stationen

Marianos Leben wechselte von da an hin und her, von Lehrtätigkeiten (Berklee School Of Music), zu Aufnahmen und Gigs, von den USA nach Japan, Europa, Malaysia und Indien und wieder zurück. Trotzdem wurde mehr und mehr das alte Europa zu seinem Wohnsitz und Arbeitsraum. „Pork Pie“ und Eberhard Webers „Colours“ markierten eine wichtige Epoche in seinem Schaffen. Und er gehörte zu den Allstars des „United Jazz + Rock Ensemble“. Sein Faible für Grenzüberschreitungen verlor Mariano nie, vorzugsweise verbrüderte er sich mit dem indischen „Karnataka College Of Percussion“, das er seit 1976 kannte. Fare well, Charlie.

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