Das ideale Leben gibt's nicht

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Catherine Deneuve als Gaby in einer Szene der französischen Kriminalkomödie "8 Frauen" von Franzois Ozon.

Catherine Deneuve als Gaby in einer Szene der französischen Kriminalkomödie "8 Frauen" von Franzois Ozon.

Für die Franzosen, und nicht nur für sie, ist sie etwas ganz Besonderes: Catherine, die Große. Marcus Rothe traf die Diva Deneuve in Paris.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Wie hat Francois Ozon es geschafft, Sie zur Rolle der bürgerlichen Über-Mutter in der intriganten Arena der „Acht Frauen“ zu überreden?

CATHERINE DENEUVE: Ozon hat mir keine bestimmte Rolle sondern das gesamte Projekt vorgeschlagen. Denn ich war ehrlich gesagt nicht besonders scharf darauf, diese bürgerliche, elegante und versnobte Familienmutter zu spielen. Mir gefiel die Idee, acht Frauen in einem Haus einzuschließen und abzuwarten, was passiert. Und ich wollte mit den sieben anderen Schauspielerinnen zusammenarbeiten.

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Hatten Sie für diese Lady im Familiennahkampf bestimmte Vorbilder?

DENEUVE: Nein, aber Ozon schwärmte von den Melodramen Douglas Sirks und Frauen wie Lana Turner, die blond, einfach viel zu blond sind! Mir war sofort klar: Es sollte eine glamouröse Frau sein, ein wenig fehl am Platz, wenn sie schon morgens im Leoparden-Pelz zum Frühstück kommt! Von einer solchen Rolle hatte ich nicht unbedingt geträumt. Aber da ich vor der Lektüre des Drehbuchs Ozons Familiensatire „Sitcom“ gesehen hatte, konnte ich mir besser vorstellen, was Ozon mit seinen stereotypen und stilisierten Figuren vor hatte.

Acht Frauen buhlen unter sich um die Gunst eines Mannes. Ist das misogyn oder feministisch?

DENEUVE: Die acht Frauen sind stark und mutig, aber zwischen ihnen herrscht kleinlicher Kleinkrieg. Der Film spielt nicht heute sondern in den Fünfziger Jahren, aber trotzdem geht es allen Frauen nur um ihren eigenen Wohlstand. Sie betrügen und belügen sich, aber letztlich sind sie abhängig von den Männern. Im Klartext: Sie lassen sich aushalten. Das Ganze ist reichlich misogyn.

Wollte Ozon die Schauspielerinnen oder die Frauen feiern?

DENEUVE: Vor allem wollte er das Kino einer bestimmten Epoche feiern. Ihn faszinieren die Schauspielerinnen, ihre Repräsentation und Idealisierung, aber ob er die Frauen wirklich liebt - da bin ich mir nicht so sicher.

Der Film spielt auch mit dem Mythos und der Geschichte der einzelnen Schauspielerinnen. Wie war es für Sie zum Beispiel, Fanny Ardant gegenüber einen Satz aus Truffauts „Die letzte Métro“ zu wiederholen?

DENEUVE: Ozon ist ein schlauer Bursche, der sich mit unserem Image als Schauspielerin amüsiert. In der Szene mit Fanny und mir wollte er etwa Truffaut eine Hommage erweisen.

Fanden Sie es - kinogeschichtlich - symbolisch, in Ozons Film Truffauts ehemalige Geliebte Fanny Ardant zu schlagen und zu küssen?

DENEUVE: Natürlich! Aber dieser erotische Zweikampf war keine künstliche Konstruktion, weil er durch die Geschichte der beiden Figuren und ihre Eifersucht gerechtfertigt wird. Und ich war glücklich, endlich mit Fanny Ardant zu spielen, die ich bisher nur als Frau kannte und mochte.

Haben Sie sich also beim Kämpfen und Küssen gut amüsiert?

DENEUVE: Anfangs waren wir beide ein wenig verschreckt. Es ist für Schauspielerinnen nicht ganz einfach, sich in einer Szene erst zu schlagen und dann zu küssen. Aber ich vertraute Ozon, dass er dabei keine hässlichen Details beleuchten, sondern die Szene mit einer gewissen Eleganz inszenieren würde. Denn nichts ist schwerer, als einen Kuss gut zu filmen.

Wie arbeiten Sie an Ihren Rollen?

DENEUVE: Ich kann meine Arbeit selber schlecht einschätzen. Ozon ist autoritär und lässt sich nicht reinreden. Aber da ich mich gerne mit Pflanzen beschäftige, hat er mich gebeten, jede der acht Frauen mit einer bestimmten Blume zu charakterisieren, damit der Zuschauer sich schneller zurechtfinden kann. Ich habe Blumen gewählt, die jeder kennt. Na ja, die Blumen - das war meine Domäne . . .

Mit Demys Musical „Die Regenschirme von Cherbourg“ sind Sie bekannt geworden. Haben Ihnen Lars von Trier („Dancer in the Dark“) und Ozon jetzt wieder Lust auf Singen und Tanzen gemacht?

DENEUVE: Das war ein glücklicher Zufall. Beide Filme sind ja nicht gerade traditionelle musikalische Komödien, sondern Filme mit Musik-und Tanzeinlagen. Das reine Musical war nie ein französisches Genre und da es teuer ist, war es lange von der Leinwand verschwunden.

Gerade die französischen Schauspielerinnen versuchen sich gerne als Sängerinnen. Sie haben nicht nur im Film Ozons, sondern auch zum Abschied von Yves Saint Laurent ein Liebeslied gesungen. Wären Sie gerne Sängerin geworden?

DENEUVE: Alle Schauspielerin lieben es zu singen. Selbst wenn sie es nicht können. Denn zu singen ist mehr als angenehm. Beim Reden in einem Film wird man ständig an den Alltag erinnert. Beim Singen ist man dann ganz woanders. Das Leben ist wie verwandelt.

Warum haben Sie lieber in Autorenfilmen von Polanski, Truffaut, Bunuel oder Garrel gespielt als in großen kommerziellen Filmen?

DENEUVE: Ich habe die Autorenfilmer oft an ihren Anfängen getroffen. Das war bei Jacques Demy („Die Regenschirme von Cherbourg“) so oder auch bei Polanski („Ekel“), der damals in Frankreich noch unbekannt war. Mich reizte es immer, mit jungen talentierten Regisseuren zu arbeiten, die ihre Drehbücher selber schreiben. Ich mag eine persönliche Handschrift.

Wie sieht Ihr idealer Regisseur aus? Sollte er wenig von allen haben - von Polanski, Bunuel, Truffaut, Téchiné oder Ozon?

DENEUVE: Manchmal wünscht man sich eine ideale Mischung für die Menschen seiner Umgebung. Aber die Fehler und die Qualitäten eines Menschen gehören untrennbar zusammen. Es gibt keinen idealen Menschen und kein ideales Leben. Manche Regisseure könnten ein wenig mehr Humor gebrauchen, anderen fehlt die Ästhetik oder die Liebe zu ihren Figuren. Aber das sind Hirngespinste. Denn wir finden Menschen berührend und liebenswert, gerade weil sie bestimmte Schwächen haben.

Welcher Regisseur liebte die Schauspielerinnen am meisten?

DENEUVE Truffaut. Er hat es gesagt und immer wieder bewiesen.

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