Das reichste Mädchen der Welt

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Millionenerbin Athina Onassis wird in diesem Monat volljährig und tritt ihr Erbe an.

Millionenerbin Athina Onassis wird in diesem Monat volljährig und tritt ihr Erbe an.

Angeblich will Athiná das viele Geld nicht haben. Sie lebt in der Schweiz und fliegt zum Reiten nach Brüssel.

Athen - Die griechische Astrologin Christina Louka ahnt schon bald „unvermutete Wendungen“. Auch die Wahrsagerin Asi Biliou sieht Komplikationen voraus: spätestens 2005 werde die kosmische Konstellation von Jupiter und Pluto für „Turbulenzen“ sorgen.

Die düsteren Prophezeiungen der Sterndeuterinnen lassen die griechische Regenbogenpresse nicht kalt. Schließlich geht es nicht um irgendein Horoskop, sondern das der „goldenen Erbin“, so das Athener Klatschblatt Loipon. Die Boulevardzeitung Ethnos spricht sogar vom „reichsten Mädchen der Welt“.

Athiná Roussel, Enkelin des legendären griechischen „Tankerkönigs“ Aristoteles Onassis, wird mindestens 800 Millionen Dollar, vermutlich sogar 1,5 Milliarden erben, wenn sie am 29. Januar volljährig wird. Dann wird ihr der Amtsrichter im schweizerischen Lussy-sur-Morges eröffnen, dass sie nunmehr über ihr Vermögen verfügen kann. Sie tritt ein Erbe an, um das seit fast 15 Jahren erbittert gestritten wird. Ist das nun der Schlusspunkt? Wohl kaum. Man muss kein Astrologe sein, um zu ahnen, dass der Zank um die Onassis-Milliarden weitergehen wird.

Athiná ist die letzte Onassis, einziges Kind der 1988 verstorbenen Tochter des Großreeders, Christina. Sie stammt aus der Ehe der Griechin mit Thierry Roussel, dem schillernden Spross einer französischen Pharma-Dynastie. Ihrer Tochter gab Christina Onassis den Namen der Stadtgöttin Athens, gezeugt vom Göttervater Zeus.

Nicht nur griechische Vermögensverwalter offerieren der Milliarden-Erbin nun ihre Dienste, auch Investoren, die auf der Suche nach Risikokapital sind, umschwärmen die begeisterte Reiterin wie Fliegen den Honig. Von Vorhaben in der Medienbranche wird geredet, Tourismus-Projekten und Investitionen in der Schifffahrt. Da würde sich ein Kreis schließen. Denn mit Schiffen machte Athinás Großvater sein Vermögen.

Mit nichts als einem schäbigen Pappkoffer und 175 Dollar war der 17-jährige Aristoteles Onassis 1922 aus dem von den Türken eroberten Smyrna nach Argentinien ausgewandert. Er schlug sich anfangs als Laufbursche und Telefonist durch, machte dann lukrative Tabakgeschäfte und kaufte vom Ersparten ein schrottreifes Frachtschiff. Dank eines untrüglichen Gespürs für gute Deals gebot er zwei Jahrzehnte später über die weltgrößte Tankerflotte.

Durch die Ehe mit der 17-jährigen Tina Livanos, die aus einer angesehenen Athener Reederfamilie stammte, stieg der Parvenü in die besseren Kreise der griechischen Gesellschaft auf. Eine Affäre mit der Operndiva Maria Callas und die Heirat mit der Präsidentenwitwe Jackie Kennedy sicherten ihm das Interesse der internationalen Presse. Bei seinem Tod im Jahr 1975 hinterließ Onassis neben seiner Flotte ein auf mehr als 100 Unternehmen verzweigtes weltweites Firmenimperium mit einem geschätzten Jahresumsatz von 12 Milliarden Dollar, dazu Immobilien, Kunstwerke, Wertpapierdepots und Bankguthaben.

Onassis vermachte 52,5 Prozent seines Besitzes der gemeinnützigen Alexander-Onassis-Stiftung, benannt nach seinem bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Sohn. 47,5 Prozent gingen an seine damals 24-jährige Tochter Christina.

Doch von Anfang an gab es Streit um das Erbe. Jackie Kennedy-Onassis, die laut Testament „nur“ 250 000 Dollar pro Jahr erhalten sollte, drohte mit Klage. Christina fand sie mit 25 Millionen ab. Als Geschäftsfrau zeigte die Onassis-Tochter Geschick. Unglücklich aber verlief ihr Liebesleben. Drei Ehen, darunter die mit dem mutmaßlichen KGB-Agenten Sergei Kausow, mit dem sie in einer kargen Zweizimmerwohnung in Moskau lebte, wurden schon bald wieder geschieden. Auch die vierte Verbindung mit Thierry Roussel hielt nur zweieinhalb Jahre. Ein Jahr nach der Scheidung starb Christina Onassis unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen in Buenos Aires. Als offizielle Todesursache gilt eine Lungenembolie. Womöglich waren Drogen oder Tabletten im Spiel.

Ihre damals dreijährige Tochter hatte sie zur Universalerbin eingesetzt. Bis zu deren Volljährigkeit sollten vier alte Vertraute ihres Vaters, die auch im Vorstand der Onassis-Stiftung saßen, das Vermögen verwalten. Ex-Ehemann Roussel wurde mit einer großzügigen Apanage von 1,42 Millionen Dollar jährlich bedacht. Doch das reichte ihm nicht. Nachdem sich Roussel nach Christinas Tod bereits das Sorgerecht für Athiná vor Gericht erstritten hatte, klagte der Franzose auf das alleinige Verfügungsrecht über das Vermögen seiner Tochter.

Mit seinen eigenen Unternehmungen, einer Baufirma in Algerien, einem Forstbetrieb in Westafrika, Erdbeer- und Tomatenfarmen in Portugal, war Roussel nach eigenem Eingeständnis mehr als einmal erfolglos geblieben. Das nährte den in der griechischen Presse geäußerten Verdacht, der glücklose Franzose wolle sich am Erbe seiner minderjährigen Tochter bereichern. Roussel konterte. Den griechischen Vermögensverwaltern seiner Tochter warf er vor, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Das trug ihm wegen Verleumdung eine fünfjährige Haftstrafe ein, die in der Berufungsinstanz auf dreieinhalb Jahre reduziert wurde. Gegen Zahlung von 20 000 Dollar kam Roussel frei.

Der Versuch, sich zum Vermögensverwalter seiner Tochter aufzuschwingen, schlug fehl. Nach sechsjährigem Rechtsstreit übertrug ein Schweizer Gericht nicht ihm, sondern der Treuhandgesellschaft KPMG Fides die Verwaltung des Vermögens seiner Tochter, bis zu deren Volljährigkeit Ende dieses Monats.

Die künftige Milliardärin, die mit ihrem Vater, ihrer schwedischen Stiefmutter und zwei Halbgeschwistern in der Schweiz wohnt, lebt schon lange auf großem Fuß. Zu Reitstunden fliegt sie an den Wochenenden mal eben nach Brüssel. Nicht weniger als 15 Leibwächter hat Vater Roussel für seine reiche Tochter engagiert. Nach dem Abitur in diesem Sommer will Athiná Wirtschaftswissenschaften studieren.

Will sie das viele Geld vielleicht gar nicht? Das behauptet jedenfalls der selbst ernannte „Biograf“ der Milliardenerbin, Chris Hutchins. Athiná mache den Reichtum für den frühen Tod ihrer Mutter verantwortlich, behauptet er.

Dass Geld unglücklich macht, scheint Athinás Vater nicht zu glauben. „Athiná rettet die Familie Roussel“, schreibt jetzt die Athener Illustrierte Loipon unter Anspielung auf angebliche finanzielle Engpässe der Familie und den erwarteten Geldsegen.

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