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Der Bart - Zierde oder Gesinnung?

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Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma - ohne Bart

Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma - ohne Bart

In Amerika tun sie's schon. Auch wir wollen es nun tun. Wir wollen - oder müssen - uns mal wieder Gedanken über ein wirklich haariges Thema machen: Was soll er eigentlich im Gesicht eines Mannes - der Bart?

Historiker haben darauf viele Antworten. Häufig in der Geschichte war der Bart ein Erkennungszeichen der Gesinnung, der jeweiligen weltanschaulichen Strömung (Franz-Joseph-Bart, Kaiser-Wilhelm-Bart, Existenzi¦alisten-Bart, Ho-Tschi-Minh-Bärtchen, Che-Guevara-Bart). Mal war er Zierde, mal Ausdruck der Macht oder des Anarchischen, der Kraft, der Männlichkeit oder der Altersweisheit, bei den Ägyptern einst sogar - als geflochtener Bart - Symbol der Königswürde. Bei Juden und Griechen gilt der zerzauste Bart als Zeichen der Trauer. Hierzulande war er als Dreitagebart zuletzt eigentlich nur noch - geben wir's zu - ein Sexsymbol. Aber das ist als Balzgebärde schließlich auch nicht ganz unwichtig.

Psychologen haben da freilich - es ist halt wie im richtigen Leben - ihre eigenen Meinungen. Der Bart, sagen sie zum Beispiel, sei ein Protest gegen die übermächtige Vaterfigur. Ist er das wirklich? Oder sie sehen darin ein letztes Mittel, sich im Kampf der Geschlechter überhaupt noch von der Frau unterscheiden zu können, nach dem Motto: „Nimmst du mir die Hose, musst du dich beim Küssen mit meinem Bart herum- schlagen.“ In dieses (letzte?) Reservat kann die Frau - das Damenbärtchen zählt hier nicht - dem Mann tatsächlich nur im Karneval oder als verkleideter Knecht Rup¦recht folgen, also nur im Spaß.

Der Spaß hört aber dort auf, wo die Diskriminierung beginnt. In Amerika haben sich nach dem 11. September viele Männer, vor allem arabischer Abstammung, ganz schnell den Bart abrasiert. Aus Angst. In Zeiten des Kampfes gegen die Taliban, die Männer ohne Bart nicht duldeten, erschien ihnen das wohl als opportun. Wer Bart trägt, ist verdächtig; die Amerikaner malen da gern schnell schwarzweiß. Spricht der Zeitgeist also wieder mal gegen den Bart, wie im 13. Jahrhundert, als der Bart ab, sprich: verpönt war?

Bei manchen Völkern wurde früher das Abschneiden des Bartes als Verlust der Ehre oder der Freiheit gewertet. In Afghanistan war es zuletzt ganz das Gegenteil: Männer zeigten sich in den Straßen glücklich mit glatt rasiertem Kinn. Für sie war es im wahrsten Sinne des Wortes eine Befreiung. Die Freiheit trägt keinen Bart, hieß es in Kabul. Dabei hat die Gesichtsmatratze dort nun wirklich eine lange Tradition.

Was lehrt uns das? Gar nichts. Außer, dass der Zeitgeist unberechenbar ist. Er fegt, wenn er will, mit einem Schlag Traditionen hinweg. Und da kümmert es ihn auch nicht, dass die Menschen nicht nur in dieser Region zum „Ehr-würdigsten“, was sie tun können, den Bart heranziehen: zum Schwören. Sie schwören beim Barte des Propheten. So unsinnig kann der Bart also gar nicht sein.

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