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Der Herr der Moscheen

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Wir müssen begreifen, dass wir uns nicht abschotten dürfen IBRAHIM EL-ZAYAT

Wir müssen begreifen, dass wir uns nicht abschotten dürfen IBRAHIM EL-ZAYAT

Er habe über den 9. November gepredigt, sagt Ibrahim El-Zayat. Über die Reichspogromnacht des Jahres 1938 und über die Maueröffnung von 1989. Darüber, wie schmerzlich das eine, wie zukunftsweisend und befreiend das andere Ereignis „auch für unser Land“ gewesen sei. Seine Ansprache beim Freitagsgebet hat der 39-Jährige in der Niehler Mevlana-Moschee der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ auf Deutsch gehalten.

„Das kommt nicht bei allen meiner Glaubensbrüdern an“, sagt er anschließend und streicht sich durch die leicht ergrauten schwarzen Locken. „Wir müssen begreifen, dass wir uns nicht abschotten dürfen, dass wir dazugehören müssen in dem Land, in dem einige von uns bereits in dritter Generation leben.“

Spricht so ein gefährlicher Islamist, als den die deutschen Sicherheitsbehörden El-Zayat beschreiben? Ein Feind der deutschen Demokratie, der vom Verfassungsschutz beobachtet werden muss?

Die Aufregung jedenfalls war groß, als El-Zayat im Frühjahr ungebeten am Tisch der Islamkonferenz der Bundesregierung Platz nahm, um über Integration und die Gleichberechtigung der Religionen in der Bundesrepublik mitzuverhandeln. „Rauswerfen“ hätte man ihn müssen, zürnte Kristina Köhler, die Islamexpertin der CDU. Der in Marburg geborene Sohn eines Ägypters und einer Deutschen stehe für eine Ideologie, „die die absolute Geltung des Grundgesetzes nicht akzeptiert“. Verfassungsschutzberichte verweisen auf die Verbindung der „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland“ (IGD), deren Vorsitzender El-Zayat ist, zur Muslimbruderschaft (siehe Info-Kasten), die wiederum Teil eines Netzes von islamistisch-extremistischen Gruppierungen sei.

„Ein Stellvertreterkrieg“ sei das, den deutsche Behörden und Politiker mit islamischen Institutionen ausfechten wollten, sagt El-Zayat. Anstatt sich um die echten Gefahren zu kümmern, stürze man sich auf ihn, versuche in seinem Umfeld Informanten zu rekrutieren. „Was für ein Schwachsinn!“ Er wolle nichts anderes, als dass Muslime ihre islamische Identität in dieser Gesellschaft leben können. Daran sei nichts verwerflich.

El-Zayat formuliert schnell und präzise, punktet mit Humor. Er referiert über „die vielen Elemente der Muslimbruderschaft, die sinnvoll sind und auch uns weiterbringen“, wirbt für „eine zeitgemäße Auslegung des Korans“ und nennt die bundesdeutsche soziale Marktwirtschaft „ein absolut mit dem Islam zu vereinbarendes Konzept“.

Der Familienvater, der eine seiner drei Töchter jeden Morgen von Bornheim nach Köln in die Montessori-Grundschule und eine andere zum Gymnasium fährt, bezeichnet sich als „Workaholic“. Er arbeite täglich mehr als zwölf Stunden, habe in Darmstadt, Marburg und Köln Jura und Volkswirtschaft studiert. Seine Frau ist Ärztin. Eine moderne Familie, so scheint es. Die Töchter spielen Engel und Hirte im christlichen Krippenspiel. „Ich fände zwar gut, wenn die Mädchen Kopftuch tragen“, sagt El-Zayat. „Aber sie sollen selbst darüber entscheiden.“

Der 39-Jährige, der als jugendli cher Fußballer in die Hessen-Aus wahl berufen wurde, spricht flie ßend sieben Sprachen, ist weltweit als Funktionär und Wirtschaftsma nager unterwegs. Es verwundert nicht, dass er auch als derjenige gilt, der im Hintergrund die Fäden im deutschen „Koordinierungsrat der Muslime“ zieht. Dass er der Archi tekt dieses fragilen Gebildes sein soll, ein Zusammenschluss von Partnern, die sich nicht mögen - und die nun als Interessenvertretung al ler Muslime in Deutschland aner kannt werden wollen. El-Zayat, so heißt es, moderiert und vermittelt hinter den Kulissen, bestimmt, wo es lang geht, und soll nach den Sit zungen die Protokolle schreiben.

Seine Machtzentrale ist ein Büro an der Merheimer Straße in Köln-Nippes auf dem Gelände von „Milli Görüs“ - der großen Organisation, der der Verfassungsschutz noch deutlich mehr Seiten in seinen Berichten einräumt als El-Zayats IGD. Im dunklen Anzug mit blütenweißem Hemd bittet er an einen kunstvoll verzierten Tisch. Neben einigen Andenken aus Arabien ist er das Einzige, was ein wenig Glanz in das spartanisch eingerichtete Büro bringt. Auf dem Boden liegen Haufen von Akten, Plakaten und Papieren. Hinter dem Schreibtisch hängt ein Bild mit den „99 Namen Gottes“ sowie eine Karte der Welt - das ist der Kosmos, in dem sich der Multifunktionär bewegt. Hier, in diesem unscheinbaren, gerade mal 20 Quadratmeter großen Büro, werden Millionen bewegt und ein international erfolgreiches Unternehmen gesteuert. Als Generalbevollmächtigter der „Europäischen Moscheebau- und Unterstützungsgesellschaft“ verwaltet El-Zayat mehr als 600 Moscheen in Europa. Mit seiner Firma „Spezial-Liegenschafts-Management“ bietet er sich als Projektentwickler und Berater an. Zurzeit helfe er bei 50 Neu- und Umbauten von Moscheen. El-Zayat hat das Immobilienmanagement wie auch Versicherungsangebote für Moscheeträger als Marktlücke entdeckt. Mindestens so lukrativ ist die Beratung arabischer Investoren, die nach Expertenschätzungen in den nächsten acht Jahren weltweit bis zu 2,8 Billionen Dollar anlegen werden.

„Das ist ein riesiger Finanzmarkt“, sagt El-Zayat. Der Familienvater, dessen Kinder aus religiösen Gründen kein Sparbuch haben, weil der Koran keine Zinsen erlaubt, zieht einen Verkaufsprospekt unter einem Stapel Papieren hervor. Daten über ein Einkaufszentrum, eine mögliche Geldanlage für fromme Investoren. Um sie zu gewinnen, wird in Statistiken fein säuberlich ausgerechnet, wie viel Prozent am Umsatz durch den Verkauf von Alkohol oder eine Discothek erzielt werden. „Ein paar Prozent sind erlaubt.“ Aber es dürften nur „sehr geringe Anteile“ bleiben, um für die frommen Geldgeber interessant zu sein. Mit der hier geplanten Discothek jedoch wird fast ein Fünftel der Mieteinnahmen erwirtschaftet. „Viel zu viel, das würde ein islamischer Investor niemals akzeptieren.“

El-Zayat sitze „wie eine Spinne im Netz“ zahlreicher Organisationen, sagt Hartwig Möller, Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Für deutsche Sicherheitsbehörden seien seine Aktivitäten insbesondere deshalb so brisant, weil in seinem Firmengeflecht „islamistische Bestrebungen mit massiven Wirtschaftstätigkeiten verbunden werden“.

El-Zayat selbst sieht sich als Türöffner und Vermittler. Er erzählt, dass ausländische Gelder in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder einmal in deutsche Moscheebauprojekte geflossen sind. 1972 habe Ghaddafi eine Rate für ein Münchner Bauvorhaben bezahlt, aus Dubai sei Geld für Moscheen in Dublin, Rotterdam, Penzberg und Wolfsburg geflossen. Mit diesen Spenden habe er aber nichts zu tun. Er empfehle deutschen Moschee-Trägervereinen immer, ihre Bauwünsche durch eigene Spenden und Beiträge zu finanzieren. „Wo Moscheen mit Geld aus dem Ausland entstanden sind, da waren das über kurz oder lang tote Gemeinden.“

Seine Geschäftstätigkeit habe rein gar nichts mit einer Parallelgesellschaft zu tun, sagt El-Zayat. Das „permanente Misstrauen“ könne er zwar „zum Teil verstehen“. Die deutsche Öffentlichkeit solle jedoch „zur Kenntnis nehmen“, dass sich die muslimischen Verbände im Laufe der Jahre und Jahrzehnte gewandelt hätten. Damit meint er sowohl „Milli Görüs“ - El-Zayat ist mit der Schwester des langjährigen Chefs dieser umstrittenen Organisation verheiratet - und seine IGD als auch die Muslimbruderschaft.

Doch nicht jeder nimmt den muslimischen Organisationen die Läuterung ab. „Wenn man sieht, wie viele sich in den letzten Jahren gewandelt haben wollen, darf man misstrauisch bleiben“, sagt ein Kenner aus dem Umfeld des Koordinierungsrates, der viel mit El-Zayat zu tun hat. Die CDU-Politikerin Köhler meint: „Inzwischen haben wir es mit Medienprofis zu tun, die in der Öffentlichkeit ihre radikalen Ansichten geschickt verbergen.“

El-Zayat versucht jeden Anschein zu vermeiden, etwas verheimlichen zu wollen. Dazu passt, dass er offen mit dem Vorwurf der Verfassungsschützer umgeht, die Beziehungen der IGD reichten bis „zu einer islamischen Hilfsorganisation, die im Verdacht steht, heimlich den islamistischen Terrorismus zu unterstützen. .Es habe IGD-Mitglieder gegeben, die auch zum Aachener „Al Aqsa“-Verein gehörten. Dieser wurde imAugust 2002verboten, weil er Spenden für die „Hamas“ gesammelt hatte. Die Doppelmitglieder von damals seien schon seit dem Jahr 2001 nicht mehr in der IGD. Außerdem finde er es höchst fraglich, die „Hamas“, die von Millionen im Libanon oder in Palästina gewählt werde, als terroristische Organisation zu bezeichnen.

Dass er häufig in der Schusslinie steht, scheint ihn kaum zu beeindrucken. Ägyptische Sicherheitsbehörden wollen dem deutschen Staatsbürger und 39 weiteren Angeklagten wegen „Operationen gegen die Sicherheit des Staates“ den Prozess machen. Eine Standardformulierung, die das Mubarak-Regime für vermeintliche politische Gegner wählt, die der im Lande verbotenen Muslimbruderschaft zugeordnet werden. El-Zayat soll laut Medienberichten verdächtigt werden, in die finanziellen Transaktionen der radikalen Islamisten verwickelt zu sein. Das auch von „Amnesty International“ kritisierte Ägypten indes ist kein Rechtsstaat. Er habe „bisher noch nicht einmal eine Anklageschrift erhalten, in der steht, was ich überhaupt getan haben soll“, sagt El-Zayat. Unermüdlich versichert er, „jeglichen Terror“ zu verurteilen“. Als Medien berichteten, ein Führer der ägyptischen Muslimbruderschaft habe gesagt, El-Zayat sei in Deutschland deren Chef, hat er eine Gegendarstellung erwirkt.

„Ich lasse mir eine Mitgliedschaft doch nicht überstülpen“, sagt El-Zayat. Im gleichen Atemzug fordert er, bei der Beurteilung der Muslimbruderschaft mehr zu differenzieren und nicht alles über einen Kamm zu scheren. „Bekannte Autoren im Umfeld der Muslimbruderschaft kommen zu dem Ergebnis, dass eine Demokratie nach westlichem Muster durchaus das Ideal ist, das man anstreben kann.“ Das ist jedoch nicht die einzige Strömung in der Bewegung, die sich nach der Folterung und Hinrichtung des Theoretikers der Muslimbruderschaft Syyid Qutb 1966 radikalisierte. Es gibt auch eine, die zu Aiman el Sawahiri führt, der Nummer zwei in Osama Bin Ladens El Kaida.

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