DichtkunstMaßschneiderin für Songtexte

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Edith Jeske

Edith Jeske schreibt Liedtexte für so unterschiedliche Künstler wie Patrick Lindner, Graham Bonney und Tim Fischer. Sie war allerdings auch schon mit Musicals erfolgreich. (Bild: Hochgürtel)

Mechernich-Kommern – Beim Reimen ist sie pingelig. Da muss alles passen, da muss handwerklich alles stimmen. Ja, Edith Jeske scheut sich nie, im Zusammenhang mit Dichtkunst auch das Wort „Handwerk“ ins Spiel zu bringen. „Wenn man ein gutes Lied schreiben will, geht das nicht allein über die Inspiration“, sagt die 53-jährige Textdichterin. Es gibt ihrer Ansicht nach bestimmte Herangehensweisen, die es erleichtern, einen Text zu schreiben, der später beim Publikum ankommt und entsprechend Umsatz macht.

Die in Kommern lebende Künstlerin stand trotz einiger Erfolge nie selbst im Rampenlicht, obwohl sie in jungen Jahren, als sie noch in Berlin lebte, eine Zeit lang ihr Glück mit selbst komponierten Folksongs versuchte. Doch irgendwann merkte Edith Jeske, dass es ihr großen Spaß machte, Texte für andere zu schreiben. Zum Beispiel für den deutschen Chansonstar Tim Fischer, für den sie sich die „Rinnsteinprinzessin“ ausdachte.

Rund 500 Lieder hat Jeske bereits geschrieben. „Musicals liebe ich ganz besonders“, erzählt sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zurzeit arbeitet sie an der Umsetzung des erfolgreichen amerikanischen Musicals „Die Dornenvögel“, das demnächst auch in Deutschland in Serie gehen soll.

Festgelegt auf eine bestimmte Sparte in der Musikbranche ist die Kommernerin bei ihrer Arbeit nicht: „Ich versuche, immer speziell auf den Künstler einzugehen, für den ich den Text schreibe. In dieser Beziehung bin ich so etwas wie eine Maßschneiderin.“ So unterschiedliche Charaktere zu bedienen wie Patrick Lindner, Wolfgang Petry, Graham Bonney oder die der Schwulenszene zugerechneten Lilo Wanders und Claus Vinçon ist nicht leicht. Aber für all diese Leute hat Edith Jeske schon Verse geschmiedet.

Um davon ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, muss sie sich ganz schön tummeln. Die Tantiemen sprudeln längst nicht mehr so üppig wie noch vor 30, 40 Jahren, als man nur einen Hit brauchte, um sich ein auskömmliches Jahreseinkommen zu sichern. Durch die Einführung des Internets und dem damit verbundenen kostenlosen Kopieren von urheberrechtlich geschützten Songs sind die Absatzzahlen der Tonträger weltweit eingebrochen.

Musiker können diese Verluste durch Liveauftritte wieder einigermaßen wettmachen, die reinen Liedautoren dagegen nicht. Die müssen zusehen, dass sie möglichst viele Werke an möglichst viele renommierte Künstler loswerden. Da macht es die Masse, da kann man sich keine großen Eitelkeiten leisten.

Letzteres käme Edith Jeske überhaupt nicht in den Sinn. Sie hat ebenso wenig ein Problem damit, einen Song wie „Arsch der Welt“ für die Schwulenszene zu schreiben als auch für Branchenkönig Christian Bruhn eine Kinderlieder-CD zu texten. „Ich liebe es sehr, zu Hause für mich allein arbeiten zu können“, erzählt sie bei einer leckeren Tasse Tee aus dem Samowar.

Dennoch macht ihr auch die Zusammenarbeit mit anderen Kollegen Riesenspaß. 1996 war Edith Jeske, die ihr Abitur an der Euskirchener Marienschule machte, Begründerin der sogenannten „Celler Schule“, die es sich mit finanzieller Unterstützung der GEMA-Stiftung zur Aufgabe gemacht hat, den Textdichter-Nachwuchs in Deutschland nach Kräften zu fördern.Seither fährt sie im Sommer regelmäßig zweimal für drei Wochen nach Norddeutschland, um rund zehn Liedautoren aus ganz Deutschland zu betreuen und ihnen beizubringen, wie man sich das „Handwerk“ draufschafft und wie man sich in der Branche behaupten kann.

Judith Holofernes

Zur Seite steht ihr dabei ihr junger Kollege Tobias Reitz, der sich bereits mit Texten für Andrea Berg und andere Schlagergrößen einen Namen gemacht hat. Rund 100 Bewerbungen gehen jährlich für die „Celler Schule“ ein. Nur die Besten werden genommen. Darunter zum Beispiel Judith Holofernes von der Berliner Erfolgsband „Wir sind Helden“, die für ihre ausgefeilten Verse bekannt ist.

Ihre langjährigen Erfahrungen aus den Sommerkursen der „Celler Schule“ und dem Popkursus Hamburg, der an der dortigen Hochschule für Musik und Theater stattfindet, hat Edith Jeske jetzt gemeinsam mit Tobias Reitz im „Handbuch für deutsche Songtexte“ zu Papier gebracht, das in Kürze erscheint. Als Gastdozenten der „Celler Schule“ konnte die Kommernerin erfahrene Kollegen wie Thomas Woitkewitsch (Texter von Hermann van Veen, Milva und vielen anderen), Frank Ramond (Annett Louisan) und Bastian Sick gewinnen.

In der GEMA, die die Rechte deutscher Liedautoren und Verlage wahrnimmt, engagiert sich die 53-Jährige ebenfalls – etwa im Vorstand des Textdichterverbands. „Das ist deshalb wichtig, weil ich möchte, dass die Tantiemen gerecht aufgeteilt werden und die Kollegen das ihnen zustehende Geld auch bekommen“, betonte Jeske zum Schluss des Gesprächs.

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