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Die „Tante Ju“ und der Winter auf der Binz

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Die Binz diente als Kulisse bei Dreharbeiten für den Film "Speer und er".

Die Binz diente als Kulisse bei Dreharbeiten für den Film "Speer und er".

Es war Aufgabe der Dahlemer Feuerwehr, den Flugplatz mit ihren Schaumspritzen winterlich zu gestalten.

Kreis Euskirchen / Dahlemer Binz - Der Schnee unter dem historischen Verkehrsflugzeug vom Typ „Junkers 52“ war normaler Löschschaum von der Dahlemer Feuerwehr. Aber zugegeben: Es sah verblüffend echt aus, wirklich winterlich. Auch sonst war auf dem Eifel-Flugplatz Dahlemer Binz am Montag vieles anders als gewohnt. Da rotierten beispielsweise riesige Propeller. Und zwar nicht nur an den Flugzeugen, sondern auch auf mobilen „Windmaschinen“ der „Bavaria Film“. Die Kleidung der Menschen rund um die Ju 52, einst liebevoll „Tante Ju“ genannt, erschien auch nicht mehr zeitgemäß. Braune und feldgraue Uniformen dominierten.

Die Bavaria-Film dreht auf der Binz derzeit für die ARD die letzten Szenen des Dreiteilers „Speer und er“. „Er“ ist natürlich Adolf Hitler, der Diktator, in dessen Schatten Albert Speer zum dominierenden Staatsarchitekten des Dritten Reiches wurde.

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Grimme-Preisträger

Der aufwändige Dreiteiler ist auf allen Ebenen prominent besetzt. Heinrich Breloer inszenierte den Streifen, der bereits nächstes Frühjahr auf die Bildschirme kommen soll, das Buch schrieb er gemeinsam mit Horst Königstein. Breloer, dem zuletzt mit „Die Manns - Ein Jahrhundertroman“ ein mit „Emmy“ und Grimme-Preis gekrönter Coup gelang, traf Albert Speer im Jahr 1981 kurz vor dessen Tod persönlich.

TV-Star Sebastian Koch mimt Albert Speer, während Tobias Moretti („Richie Moser“ von Kommissar Rex) den Diktator darstellt. Mit „Speer und er“ hat Breloer sich ein bislang in der Filmwelt weitgehend unbeachtetes Kapitel der Zeitgeschichte vorgenommen. Der Film beschreibt den kometenhaften Aufstieg des Architekten Albert Speer an der Seite Hitlers im Dritten Reich, aber auch den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess und schließlich die zwanzigjährige Haft im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis. Dort strickte Albert Speer selbst wie auch schon beim Nürnberger Prozess in Buchform („Spandauer Tagebücher“) an seiner Lebenslegende.

Breloer dreht seit Februar eine weit ausgreifende biografische Erzählung in drei Teilen, die den Architekten des Dritten Reichs, den Rüstungsminister, den Kriegsverbrecher und den Gefängnisinsassen und Bestsellerautor Albert Speer beleuchten.

Der Bürgersohn aus „gutem Haus“ und der scheinbar allmächtige Hitler treffen im Film wie in der Realität aufeinander und versteigen sich in einen geradezu wahnhaft explodierenden Größentraum. Hitlers gigantomane Vorstellungen von einer utopischen Reichshauptstadt „Germania“ und Speers architektonischer Monumentalismus lieferten die Basis für utopisch anmutende Baupläne. Der Einfluss Speers führte beispielsweise auch zu den monumentalen Ausbauplänen für die NS-Ordensburg Vogelsang. Deren Architekt Clemens Klotz ahmte zunehmend den von Hitler unterstützten Speerschen Gigantismus nach.

Der erste Filmteil folgt - angereichert mit viel Archivmaterial und basierend auf umfangreichen Recherchen - Speers Spuren als Rüstungsminister bis zu Hitlers Tod. Dieser Teil ist ein „War-Movie“, das den Machtmenschen Speer auf dem Höhepunkt zeigt, bis hin zum tiefen Absturz in die Zelle von Nürnberg. Breloer zeigt einen Mann, der am Ende seinen Freund Hitler verrät. Der selbst einen „neuen Speer“ entwirft, mit dem er überleben kann.

Die zweite Folge ist ein klassisches Gerichtsdrama. In der Bayerischen Filmhalle auf dem Bavaria-Gelände entstanden die beklemmenden Kulissen für den Nürnberger Prozess. Dort distanzierte sich der scheinbare „Gentleman-Nazi“ vom Pöbel des Dritten Reichs, aber auch von der Führer-Clique.

Der dritte Film zeigt Speer während der 20-jährigen Haft in Spandau. Er zeigt die Mutation des „Hauptkriegsverbrechers“ zum Bestseller-Autor.

Der aufwändige Film wurde in Rekordzeit gedreht. Aufnahmestart war Ende Februar, bereits Ende dieser Woche soll die letzte Klappe fallen. Gedreht wurde unter anderem in Berchtesgaden, in Nürnberg, Berlin und Köln. Das lief so reibungslos nur dank umfangreicher Vorarbeiten. Heinrich Breloer begann bereits Mitte 2002 mit den Vorarbeiten. Dabei kamen schon 125 Stunden Interviewmaterial zusammen. Interviewt wurden dabei auch zwei Söhne und eine Tochter Albert Speers. Breloer sichtete 680 Fotos aus dem Familienbesitz und aus öffentlichen Archiven.

Ende der Woche werden 63 Kilometer Film belichtet sein. Während der Dreharbeiten kamen 1500 Komparsen zum Einsatz. Gefördert wird „Speer und er“ von der „Filmstiftung NRW“ und dem „FilmFernsehFonds Bayern“.

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