Die (Traum-)Tänzer von Köln

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Bhagwan im Rücken: Osho-Anhänger Swami Ramateertha (zweiter v.l.) bei einer Feier im Tanzbrunnen.

Bhagwan im Rücken: Osho-Anhänger Swami Ramateertha (zweiter v.l.) bei einer Feier im Tanzbrunnen.

Vor 25 Jahren wurde die Bhagwan-Gemeinde gegründet und erreichte ganz schnell einen Kultstatus. Aus den Kommune-Elementen von einst ist ein Firmengeflecht geworden.

Köln -„Wir waren jung, haben getanzt und hatten Sex. Wir lebten einen Traum.“ Swami Ramateertha, bürgerlicher Name Robert Doetsch, erinnert sich an das Jahr 1982. Bhagwans Jünger hatten auf der Brabanter Straße im Kölner Belgischen Viertel die erste Sannyas-Disco der Welt eröffnet. Nicht nur er gerät ins Schwärmen, wenn er sich an die „Kleine Baggy“ erinnert, die von da an so viele Menschen anlockte, dass man ein Jahr später gleich noch eine „Große Baggy“ am Ring eröffnen musste. Heerscharen von Kölner Jugendlichen aus gut situierten bürgerlichen Stadtteilen pilgerten in die Tanztempel, in denen ihre Eltern nichts als Sünde und Verführung vermuteten. Während sich die Alten bei Elternabenden in Schulen und Pfarrheimen von Sekten-Spezialisten warnen ließen, tanzten sich ihre Kinder die Seele aus dem Leib.

Mit dem Erfolg hatten die Kölner Anhänger von Rajneesh Chandra Mohanin, auch unter dem Namen Bhagwan Shree Rajneesh bekannt, der sich „der Göttliche“ nannte und als seine Bewegung zu zerfallen drohte, nur noch Meister „Osho“ sein wollte, selbst nicht gerechnet. Die Disco sei aus der Not heraus entstanden, sagt Ramateertha. „Die Nachbarn beschwerten sich, weil unsere Meditationen zu laut wurden. Also brauchten wir einen neuen Raum.“ Als dann die Massen kamen, habe man gar nicht gewusst, wie man damit umgehen sollte.

Es wurde nicht nur viel getanzt und meditiert in den Anfangsjahren, sondern auch viel gearbeitet. Oshos umstrittene Kommune und seinen Lebensstil habe man dadurch aber nicht mitfinanziert, beteuert Ramateertha. Man habe viel verdienen müssen, um die gemeinsamen Reisen zum Meister finanzieren zu können. So sei man Mitte der 80er Jahre mit 380 Leuten in die USA geflogen.

Das ist lange her: Die Aufregung um Oshos Anhänger, „die Bhagwans“, hat sich längst gelegt, die Discotheken sind geschlossen, und das Bundesverfassungsgericht hat höchst offiziell verboten, die Osho-Anhänger „destruktiv“ und „pseudoreligiös“ zu nennen. „Sekte“ darf man weiterhin sagen - das sei nicht unbedingt negativ gemeint, sagen die Richter. Das suggeriert Strukturen, Hierarchie und Organisation. Tatsächlich scheint es die jedoch schon lange nicht mehr zu geben.

Was vor jetzt über 25 Jahren als lustfreundliche „Kommune“ in einer Vollmondnacht mit durchaus politischem Anspruch begann, ist eine Interessengemeinschaft und hoch profitable Verflechtung verschiedenster Unternehmen geworden. Um das „Osho UTA Institut“ gruppieren sich im „Kölner Buddhafeld“ mehr als zwei Dutzend Firmen - von der Privatarztpraxis („Mora, CranioSacral, Farbpunktur und andere Naturheilverfahren“) über Bio-Laden und Anwaltskanzlei bis hin zu „den Fensterputzern“. Es gibt keine Mitgliedschaft oder Beiträge an eine Gemeinschaft, „keine institutionelle Hinterlassenschaft“, wie der Arzt und Therapeut Ramateertha sagt. Auch er kann nur schätzen, wie viele Menschen eigentlich noch dazu gehören. „Was uns verbindet, sind Fragen. Wer oder was bin ich? Was macht mein Leben sinnvoll? Wann folge ich Zwängen, wann der inneren Stimme? Die Antworten muss jeder selbst finden.“

Seine Meinung, dass das nie anders war, teilt nicht jeder. „Viele sind dahin gegangen, weil sie Verantwortung abgeben wollten“, erinnert sich Ex-Mitglied Martina Stermann. „Das Hinterherlaufen war praktisch.“ Auch sie sei von Osho „begeistert“ gewesen und habe bei den „Sannyasins“, ein weiterer Name der Osho-Anhänger, eine neue Familie gefunden. „Das war wie bei einer neuen Liebe. Man ist ein bisschen blind.“ Davon will Ramateertha nichts wissen. Man sei immer gezwungen gewesen, nach „eigenen Wahrheiten“ zu suchen.

Dabei hilft heute wie damals ein umfangreiches Angebot an Seminaren, die sich die Teilnehmer viel Geld kosten lassen: Reiki, Traumheilung, Familienstellen, Atemarbeit, Massagen, Pilates, Tantra, Meditationen, Wassergymnastik - „es gibt buchstäblich kein Verfahren der Szene, das nicht von den Rajneeshees kopiert wird, versehen mit Fantasienamen oder zumindest mit dem Präfix „Osho“, ins eigene Sortiment eingepasst würde“, schreibt Colin Goldner, Autor des Buches „Die Psycho-Szene“.

Natürlich wird auch weiterhin viel getanzt, doch Sannyasins tanzen selten einfach so: „Beobachte das Wunder, wenn der Tänzer sich auflöst und selbst zum Tanz wird. Erlaube der natürlichen Bewegung deines Körpers, die Tür „nach Hause“ zu finden“, heißt es im Text zum regelmäßigen Abendseminar „Dancing with the Master“. Andere Seminare wollen das „Vertrauen in die Weisheit deines Körpers“ fördern, mit dynamischer Meditation oder Körpertherapie „festgehaltene Spannungen lösen und unterdrückte Gefühle entladen“.

Osho ist auch 16 Jahre nach seinem Tod überall präsent: Seine Texte werden weiterhin trotz aller Widersprüchlichkeiten gelesen. Obwohl niemand mehr die Auswüchse und die totalitären Methoden in seiner Kommune in Oregon während der 1980er Jahre leugnet - für Ramateertha und seine Anhänger sei dies ein Schock gewesen -, läuft jeden Abend im Kölner Institut ein Video mit seinen Botschaften.„Sie dienen als Inspiration und Anstoß“, sagt Ramateertha, der im März 1976 im indischen Poona von Osho selbst den Auftrag bekam, eine Kommune in Köln zu gründen. „Osho ist für mich eine Qualität der Freiheit, Dinge zu sehen, wie sie sind, und nicht, wie ich sie mir erträume.“ Das muss nicht jeder verstehen.

Kritiker haben den Bhagwans immer vorgeworfen, Egoismus und puren Hedonismus zum Inhalt einer „Pseudoreligion“ gemacht zu haben. Selbstentfaltung und Selbstsucht stünden im Mittelpunkt. Die fast hundert Rolls-Royce, mit denen der Meister durch die Gegend fuhr, waren dafür das Symbol. Für Ramateertha waren sie „eine irre Scharlatanerie“, mit der Osho „die Absurdität ihres Strebens nach Mehr auf die Schippe nahm“. Seinen Anhängern Selbstsucht vorzuwerfen, sei Unsinn. Nur müsse man zunächst „die Kraft in sich selbst suchen, um gestalten zu können“. Der Mensch müsse „im Alleinsein die Erfülltheit finden, anstatt immerzu andere zu gebrauchen“. Deshalb hält er von der Idee der Familie genauso wenig wie von kirchlicher Caritas.

Soziales Engagement habe bei den Sannyasins keine große Rolle gespielt, bestätigt auch Martina Stermann. Zwar habe sie viel Menschlichkeit in der Gemeinschaft erlebt, nach draußen sei davon aber nur wenig gelangt. „Alle waren mit sich selbst beschäftigt.“ So sei wahrscheinlich mancher Sannyasin mit der Zeit auf der Strecke geblieben. Wer nicht als Unternehmer oder deren Angestellter arbeite, lebe heute wohl von Hartz IV, sagt Stermann. „Die warten antriebslos auf Inspirationen von außen - und die kommt dann nicht.“

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