Die Energie des Augenblicks

Lesezeit 4 Minuten
Gustavo Dudamel

Gustavo Dudamel

Er ist ein wahres Energiebündel, dieser Gustavo Dudamel. Seinem Wesen nach, aber auch seinem künstlerischem Engagement nach zu urteilen. Doch woher rührt diese so gerne als »Temperament« abgestempelte, innerlich wie äußerlich ausstrahlende Energie, die nahezu unbändig aus seinen Augen, ja aus seinem ganzen Körper zu sprechen und nach jedem Konzert noch größer geworden scheint. In erster Linie von der Musik! »Musik ist mein Leben, sie ist wie Wasser oder Nahrung, sie ist mein Ein und Alles.” Bei der musikalischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tankt er weitere Kraft. »Ihnen Chancen zu ermöglichen ist auch für mich ein Geschenk. Auf diese Zusammenarbeit kommt es an.«

»Poor in money but rich in spirit«

Wie in Venezuela trifft sich Dudamel nun auch in Los Angeles (als Chef des Los Angeles Philharmonic Orchestra) mit Kindern des dort gegründeten Jugend-Orchesters »YOLA«. Diese erhalten gratis Instrumente und Musikunterricht, ganz nach dem Vorbild des Projekts »El Sistema”, dem Netzwerk von Kinder- und Jugendorchestern, das seit mehr als 35 Jahren Kindern aus den Slums in Venezuela einen Ausweg aus dem Kreislauf von Armut und Gewalt bietet. Eine Beethoven-Sinfonie erscheint beim Spielen dann nicht (nur) als ein hehres Stück Musik, sondern vielmehr als eine Geschichte über das Heldentum, ein Kampf um die pure Existenz – als eine Geschichte aus ihrem Alltag.

Alles zum Thema Musik

Das »Sistema« gliedert seine SchülerInnen von Anfang an in ein Orchester ein. So erleben die Kinder schon mit den ersten Tönen, was es heißt, in Gemeinschaft mit anderen zu musizieren – mit Motivation, Disziplin, Verantwortung, gegenseitiger Achtung und dem gemeinsamen Streben nach Erfolg. Diese Erfahrungen zahlen sich aus, unabhängig davon, ob sie später Musiker werden oder nicht. In jedem Falle aber tragen sie die Begeisterung für klassische Musik in die nächste Generation weiter.

Dudamel selbst ist auch ein Kind dieses beispielhaften »Systems«. Er begann dort zehnjährig als Geiger. Doch der Drang zum Dirigieren war stärker und zeichnete sich bereits ab, als der kleine Gustavo seine Spielzeuge wie einzelne Orchestermusiker vor sich aufstellte und sie dirigierte. Mit 13 Jahren sprang er dann für den erkrankten Leiter des Jugendorchesters ein, kurz darauf nahm er die Stelle des Assistenten ein! Weitere fünf Jahre später sollte er gemeinsam mit dem Simón Bolívar Youth Orchestra durch aller Herren Länder touren.

Heute ist das »Sistema« eines der größten – und auch teuersten – Bildungsprojekte der Welt: Eine Viertelmillion Kinder und Jugendliche werden in ganz Venezuela von 15.000 MusiklehrerInnen unterrichtet und betreut. So ist Venezuela zwar immer noch arm an Geld, aber dafür umso reicher an Kultur geworden, was Dudamel dazu veranlasst, sein Herkunftsmilieu als »poor in money and rich in spirit « zu bezeichnen.

Gemeinschaftssinn verinnerlicht

Reichhaltig ist auch Dudamels künstlerisches Engagement: Neben seinem Chefposten in Los Angeles leitet er noch das Göteborger Sinfonieorchester – und »sein« Simón Bolívar Youth Orchestra. Seitdem er 2004 den Gustav Mahler Dirigentenwettbewerb Bamberg gewonnen hat (in dessen Jury Esa-Pekka Salonen saß, der ihn daraufhin als seinen Nachfolger in Los Angeles empfahl), kann er sich vor Gastauftritten kaum retten. Wie ein roter Faden zieht sich die Begeisterung für die Sinfonien Mahlers durch seine musikalische Laufbahn: Mit der Fünften überzeugte er in Bamberg; mit der Ersten eröffnete er seine erste Spielzeit in Los Angeles (ein Motiv daraus blies er schon als Kind in die Posaune seines Vaters), mit der Neunten ist er nun auf Tour.

Eine nicht minder enge Beziehung verbindet Dudamel mit dem amerikanischen Komponisten John Adams: Der steht ihm in Sachen neue Musik beratend zur Seite. Doch egal, ob er nun mit Laien oder Berufsmusikern arbeitet: Den Gemeinschaftssinn der venezolanischen Jugendorchester hat er verinnerlicht, sind doch seiner Ansicht nach die Zeiten des diktatorischen Maestro am Pult längst vorbei. Er strebt vielmehr danach, neben der Leidenschaft und Freude an der Musik einen eigenen, definierbaren Sound in das Orchester hineinzutragen, aus der Energie des Augenblicks heraus etwas zu kreieren.

»Um von meinen Musikern den Klang zu bekommen, den ich will, würde ich alles tun. Ich gebe beim Dirigieren meine ganze Seele – bedingungslos! «, sagt Dudamel. Eben diese Bedingungslosigkeit ist in jedem Augenblick seines Musizierens zu spüren

Von Christoph Guddorf

25.01.2011, Dienstag, 20 Uhr Kelley O'Connor, Mezzosopran Los Angeles Philharmonic Gustavo Dudamel, Dirigent

John Adams: Slonimsky's Earbox Leonard Bernstein: Jeremiah Sinfonie Nr. 1 Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 7

€ 10,- 30,- 50,- 70,- 90,- 110,- € 70,- Chorempore (Z)

26.01.2011, Mittwoch, 20 Uhr Los Angeles Philharmonic Gustavo Dudamel, Dirigent

Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 9

Gefördert durch das Kuratorium KölnMusik e.V. € 10,- 30,- 50,- 70,- 90,- 110,-€ 70,- Chorempore (Z)

KStA abonnieren