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Die ganze Welt im Kochtopf

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Der TV-Moderator Alfred Biolek stellte sein Buch "Bio. Mein Leben" vor.

Der TV-Moderator Alfred Biolek stellte sein Buch "Bio. Mein Leben" vor.

"Was habe ich alles für Gesprächspartner gehabt, von den blödesten Leuten wie Monica Lewinsky oder Zlatko bis zum Dalai Lama und dem Literaturnobelpreisträger Günter Grass."Alfred Biolek blickt auf eine Jahrzehnte lange Fernsehkarriere zurück.Ich bin kein Koch“, sagt Alfred Biolek, „aber ich bin ein kochender Mensch“. Den - vermutlich ungewollten - Doppelsinn dieser schönen Bemerkung unterstreicht der Küchen-Plauderer und TV-Pionier mit einem wahren Feuerwerk an verbaler Hitze, bissigen Bemerkungen und scharf gewürzten Anekdoten, als er im Berliner Renaissancetheater seine Autobiografie „Bio - Mein Leben“ vorstellt.

Nicht satisfaktionsfähig

Die moderne Kunst, die neue Oberflächlichkeit, die nur noch nach Quoten schielenden Fernsehleute der jüngeren Generation, alle bekommen ihr Fett weg. Der nach Sensation lüsterne Teil der Öffentlichkeit bereitet dem stets auf Diskretion bedachten Moderator, dessen Leitmotiv „offen, aber nicht öffentlich“ lautet, ganz offensichtlich körperliches Unbehagen. Er windet sich geradezu in seinem Lehnstuhl, als die Rede auf die gnadenlose Offenbarungslust moderner Talksendungen kommt. Er sehe schon lange nicht mehr Fernsehen, offenbart Biolek und sein Unmut klingt wie ein Echo auf ein Zeitungsinterview, in dem er seine Nachfolger auf dem Thron der Talkmaster als ganz einfach nicht satisfaktionsfähig bezeichnet hat. Der Beifall im Renaissancetheater zeigt, dass dies keine Minderheitenmeinung ist.

Die Medien seien in seinem Leben eigentlich nur am Thema Homosexualität interessiert, klagt Biolek, der in seinem Buch nicht der Versuchung erliegt, die selbst gesetzten Grenzen der Diskretion zu überschreiten. Blicke durchs Schlüsselloch werden nicht gewährt. Im Gespräch, das Helge Malchow, Verleger des Kiepenheuer & Witsch Verlages, mit Biolek führt, wird deutlich, wie schwierig und befreiend zugleich das persönliche Coming-out war. („Ich meine das persönliche Coming-out, nicht das öffentliche.“)

Einfühlsame Briefe

„Ich kann nicht schreiben“, sagt Autobiograph Biolek mit einem koketten Augenaufschlag - beweist aber mit einfühlsamen Briefen, die einen Teil des Textes ausmachen, das Gegenteil. Er sei aber wirklich nur für die Briefform brauchbar, beteuert Biolek. Dies sei ja auch eine kommunikative Plaudersituation - und in der fühlt Biolek sich hörbar wohl. Für die biografische Schwerarbeit des 300-Seiten-Buches hat er Veit Schmidinger (34) engagiert, vom dem zeitgleich ein Buch über Klaus Mann erschienen ist.

Schreiben ist für Biolek, der geradezu ein Geselligkeits-Fanatiker ist, ganz offensichtlich eine zu einsame Angelegenheit. Die Auseinandersetzung mit der berüchtigten „weißen Seite“ in der Schreibmaschine mag er nicht. Darum hat er Veit Schmidinger - mit wohl formulierten Briefen vorbereitet - auf Recherche zu den Stätten seiner Jugend im heutigen Tschechien, in die Kneipen seiner wilden Münchner Jahre und in die Fernsehstudios des Westdeutschen Rundfunks geschickt, in denen er einige Jahrzehnte lang geplaudert und gekocht hat.

Vielleicht kann Biolek wirklich nicht schreiben. Doch er kann ausgezeichnet vorlesen, er kann auch sehr aufmerksam zuhören, wenn Co-Autor Schmidinger aus dem Buch vorträgt. Und er - der Hunderte von banalen und bedeutenden Zeitgenossen interviewt hat - ist selbst auch ein guter Interviewpartner, was vielleicht auch an den Fragen von Helge Malchow lag. Vor allen Dingen aber zeigte er sich auch in Berlin wieder als begnadeter Plauderer. - Die Autobiografie enthält übrigens kein Register. Das ist auch nicht nötig, weil sich in Bios Welt alles um Bio dreht. Die Orte seines Lebens spielen - abgesehen vom verlorenen Paradies der Kindheit - keine besondere Rolle. München war einfach wild, Berlin (wo Biolek heute lebt) wirkt auf ihn so wie das pulsierende New York der siebziger und achtziger Jahre, Köln ist erfrischend „unbürgerlich“. Der Dom, die interessante Kunstszene, der alte Wartesaal und das Senftöpfchen - das bleibt von zwanzig Jahren Köln.

Biolek hat seinem Buch das berühmte Gedicht von Hermann Hesse „Stufen“ vorangestellt, in dem der Abschied von alten Lebensphasen und der Beginn neuer Abschnitte als Essenz des Lebens beschrieben wird. Einer etwas boulevardisierten Form dieser Lebensweisheit fühlt sich auch Biolek verpflichtet, dem Erinnerung in der Regel zur Anekdote zusammenschnurrt, nett geschrieben, aber noch viel besser erzählt. Und die Katastrophen, die Desaster, fragt Malchow? Da wird Biolek für einige Sekunden sprachlos und erinnert sich dann: „Ich habe da mal die Vornamen von Michael und Harald Schumacher verwechselt . . .“

Alfred Biolek mit Veit Schmidinger: Bio - Mein Leben. Kiepenheuer & Witsch. 300 Seiten. 18,90 Euro

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