Die Orgel-Zeiten sind vorbei

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Ady Zehnpfennig (ganz links) trat in den 80er Jahren als Orgelvirtuose im Wim Thoelkes Fernsehshow "Der große Preis" auf.

Ady Zehnpfennig (ganz links) trat in den 80er Jahren als Orgelvirtuose im Wim Thoelkes Fernsehshow "Der große Preis" auf.

Mit Dieter Thomas Heck verbindet den 55-Jährigen aus Hohn eine langjährige Freundschaft und eine enge Zusammenarbeit.

Euskirchen / Bad Münstereifel - „Das Ding hat mal irgendwo in einer Kirche gestanden und ist offenbar nicht oft gespielt worden.“ Ady Zehnpfennig zieht ein paar Register der in dunklem Holz gehaltenen Hammond-Orgel nebst Original Leslie-Kabinett und lässt anschließend lässig die Finger über die Tasten fliegen. Gekonnt ist eben gekonnt. Schließlich hat der Mann mal etliche Jahre seine Brötchen mit der Orgelei verdient.

„Vorbei. Auf diesem Sektor mache ich so gut wie nichts mehr“, sagte der 55-jährige Musiker, dessen Name man in erster Linie mit Heimorgeln der Marke Dr. Böhm und Wersi verbindet. Und zum Leidwesen von Zehnpfennig klebt dieses Image auch heute noch wie Kaugummi an ihm. Dabei hat sich der gebürtige Türnicher (Kerpen) schon vor vielen Jahren beruflich in eine andere Richtung orientiert: „Ich bin in erster Linie Arrangeur und Produzent.“

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Darunter können sich vor allem die älteren Leute, die Zehnpfennig noch aus seiner Zeit als Orchesterleiter in Dieter Thomas Hecks ZDF-Show „Die Goldene Stimmgabel“ kennen, natürlich relativ wenig vorstellen. Im Prinzip hat der frühere Orgel-Virtuose nur die Seiten gewechselt. Er ist nicht mehr Interpret, sondern derjenige, der die Musik in möglichst perfekter Form auf die CD bringt. Wobei Ady Zehnpfennig sich vornehmlich in der Schlager- und Volksmusikszene getummelt hat.

Und zwar mit beachtlichem Erfolg: Ein Titel wie „Die Rosen der Madonna“, gesungen von „Bianca“, stand ebenso ganz oben in den Charts wie der Edith-Prock-Hit „Die Glocken von Stella Maria“. In beiden Fällen war Zehnpfennig auch als Autor beteiligt. Mit dem Instrumentaltitel „Marco Polo“ landete er gar in Finnland auf Platz 2 der Charts.

Aufgenommen wurden diese Erfolgsstücke im eigenen Tonstudio, das Ady Zehnpfennig schon seit den 80er Jahren in den Räumlichkeiten der Bundeswehr-Bigband in der Euskirchener Mercator-Kaserne betreibt. Er sitzt selbstverständlich auch am Mischpult, wenn die Bigband eigene CDs einspielt. „Wir haben hier eine reibungslose und sehr gut funktionierende Zusammenarbeit aufgebaut. Ich fühle mich in der unmittelbarer Nachbarschaft zur Bigband ausgesprochen wohl“, erzählt der Musiker im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Privat wohnt er seit 1990 im Münstereifeler Höhenort Hohn. Die Eifel ist ihm seither zur Heimat geworden.

Erstaunlicherweise fanden die ersten musikalischen Gehversuche Zehnpfennigs in Euskirchen statt. 1971 trat er mit den „White Tornados“ im inzwischen legendären „Haus Hilberath“ auf der Kommerner Straße auf. Diese Gaststätte war das Stammlokal der belgischen Militärs, die damals noch in Euskirchen stationiert waren. Jeden Samstag und Sonntag spielte die Combo zum Tanz auf, und die Liebespaare verzogen sich zwischendurch schon mal auf den Flur des Hauses, um ihrer Leidenschaft freien Lauf zu lassen.

„Das war damals eine klasse Zeit. Wir haben alles gespielt: vom deutschen Nachkriegsschlager bis zu den Beatles“, erinnerte sich Zehnpfennig. Wenig später hieß die Tanzband, in der der junge Akkordeonspieler und sein Bruder mitmischten, „Les Vingts Centimes“ (= zwei Mal Zehnpfennig). Ende der 60er Jahre hatte der ehrgeizige Türnicher irgendwann auch genug Geld beisammen, um sich seine erste Hammondorgel zu kaufen.

Sein großes Vorbild war damals Klaus Wunderlich, ein Orgelvirtuose der ersten Stunde. Parallel zu seiner Arbeit als Musiker schraubte Zehnpfennig auch im Studio an „Jingles“ für den britischen Soldatensender „BFBS“ herum. Bis schließlich der Kontakt zum Orgel-Produzenten Dr. Böhm zustande kam.

Wer erinnert sich nicht an die gläserne Orgel von Franz Lambert, der anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland im Stadion aufspielen durfte? „Heimorgeln waren damals der absolute Renner. Für einen Bausatz von Dr. Böhm musste man schon zwischen 6000 und 8000 Mark hinlegen“, erzählte Zehnpfennig. „Ich war ja immer die Nr. 2 hinter Franz Lambert.“ Was ihn jedoch nicht daran hinderte, im Dienst der Dr.-Böhm-Orgelwerke Konzerte in ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland zu geben.

Um möglichst viele Leute zum Kauf eines solchen Renommierinstruments zu animieren, musste der Musiker natürlich breit streuen: ein bisschen Bach-Toccata hier, ein kleines Robert-Stolz-Medley da, und dann noch schnell ein paar Takte aus den aktuellsten Discohits. Das Ganze servierte Adi Zehnpfennig stets charmant lächelnd.

Die nach wie vor beachtliche Popularität des Ady Zehnpfennig ist auf seine häufige Präsenz im Fernsehen zurückzuführen. Vor allem dem früheren Hitparaden-Schnellsprecher Dieter Thomas Heck hat er viele Engagements und Aufträge für Plattenaufnahmen zu verdanken. Mal allein an der Orgel, mal als Orchesterchef begleitete der vielseitige Musiker die Fernsehshows der 80er Jahre und erreichte beispielsweise als Solist in Wim Thoekles „Der Große Preis“ ein Millionen-Publikum. Auch in den Kindertagen des Privatfernsehens, als Leute wie Mike Krüger und Karl Dall mit eigenen Shows auf den wehrlosen TV-Konsumenten losgelassen wurden, war Ady Zehnpfennig mit von der Partie.

Heute gibt es die ganz große Fernsehunterhaltung ja nicht mehr. Aber der enge Kontakt zu Dieter Thomas Heck ist bestehen geblieben. „Ich habe kürzlich noch die Weihnachtsgeschichte von Dickens als Hörbuch mit ihm aufgenommen“, berichtete Zehnpfennig. Wird für Hecks ZDF-Show „Melodien für Millionen“ ein Medley benötigt, wird selbiges oft genug im Tonstudie in der Mercator-Kaserne zusammengeschnitten. Früher mussten die Künstler dafür auch persönlich bei Ady Zehnpfennig vorstellig werden. Karel Gott, die Keßler-Zwillinge, Nicole, Wencke Myhre und viele andere waren schon zum Singen in Euskirchen und genossen dabei die ungestörte Ruhe auf dem Kasernengelände.

Möglicherweise erlebt Zehnpfennig ja auch als Interpret noch einmal eine Renaissance. Denn in der Musikbranche ist der typische Sound der Hammondorgel wieder schwer im Kommen. Aber so richtig kann sich der Musiker ein Comeback auf der Bühne nicht vorstellen. „Ich habe hier in meinem Studio wirklich ausreichend zu tun, und die Arbeit macht mir Spaß.“ Die Sache mit der Orgel sei wohl endgültig abgehakt.

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