Die ungeklärte Frage nach den Schuldigen

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An dieser Stelle hat der Ast vor einem Jahr die Familie aus Kerpen getroffen. Das vierjährige Mädchen starb im Schlosspark Gymnich.

An dieser Stelle hat der Ast vor einem Jahr die Familie aus Kerpen getroffen. Das vierjährige Mädchen starb im Schlosspark Gymnich.

Erftstadt-Gymnich / Köln - Ein trauriger Anblick: Immer wieder weisen Papierzettel auf den Parkschildern, an Mauern und an behelfsmäßigen Absperrgittern auf die Gefahr hin: „Der Schlosspark ist zurzeit geschlossen“, „Betreten des Schlossparks verboten“, „Sturmwarnung - Park gesperrt“ und „Vor herunterfallenden Ästen wird gewarnt“. Für die kleine Vivienne kommt diese Warnung zu spät.

Ein Jahr ist es her, dass sich in dem Park von Schloss Gymnich das Unglück ereignete: Beim Besuch des Weihnachtsmarktes war eine Mutter aus Kerpen mit ihren beiden Kindern im Park spazieren gegangen. Als starker Wind aufkam, brach ein dicker Ast von einem Baum und fiel auf die Familie. Der Junge wurde schwer verletzt, seine vierjährige Schwester starb an der Unfallstelle. Der Vater der Kinder hat das Unglück und den Verlust der Tochter offenbar nicht verkraftet und sich das Leben genommen.

Noch keine Antworten

Der Baum soll bereits im Vorfeld als krank bekannt gewesen sein. War es ein schicksalhafter Unfall? Oder hätte das Unglück verhindert werden können? Diese Fragen stellen die Angehörigen. Bislang haben sie vergeblich auf eine Antwort gewartet. „Natürlich bringt es mir mein Kind nicht zurück“, sagt die Mutter. „Aber ich möchte wissen, was damals genau passiert ist. Ich will nur Klarheit.“ Wenigstens über die Ermittlungsschritte, denn innerhalb des Jahres hat sich an ihrem Informationsstand nichts geändert.

„Die Ermittlungen dauern an“, erklärt Oberstaatsanwalt Günther Feld. „Daher können wir keine Angaben machen.“ Lediglich, dass wegen fahrlässiger Tötung ermittelt werde, könne er sagen. Gegen wen sich die Ermittlungen richten, dazu konnte er keine Auskunft geben. Die Akte sei weitergereicht worden. Mehr sei derzeit nicht zu erfahren.

Die Frage bleibt: Wer ist dafür verantwortlich, dass der Park mit den historischen - und offensichtlich teilweise auch morschen - Bäumen gepflegt wird, gerade wenn er für die Öffentlichkeit geöffnet wird? Wer ist verantwortlich, wenn ein Parkbesucher verletzt beziehungsweise getötet wird? So wie vor einem Jahr.

Fakt ist: Der Schlosspark ist Privatbesitz. Und alle Wege waren während des Weihnachtsmarktes für die Öffentlichkeit geöffnet. Häufiger wurde die Frage gestellt: Hätte die Stadt nicht dafür sorgen müssen, dass die Besucher sicher zum Weihnachtsmarkt kommen? Renate Hülsebus, Leiterin des Erftstädter Ordnungsamtes: „Die Verkehrssicherungspflicht ist Sache des Eigentümers.“ Und das ist die Musikerfamilie „Kelly-Family“, Betreiber ist derzeit die „Schloss Gymnich Erleben und Genießen GmbH“.

Das Ordnungsamt hat damals den Weihnachtsmarkt nach der Gewerbeordnung genehmigt, das bedeutet: die Öffnungszeiten wurden festgelegt, der Ort der Veranstaltung und die Art des Marktes. Hülsebus: „Das hat nichts mit der Verkehrssicherungspflicht zu tun.“

Es bleibt die Frage nach dem oder den Verantwortlichen. Das Schloss samt Park ist im Laufe der Jahre durch viele Hände gegangen. 1998 hatten die Kellys das ehemalige Gästehaus der Bundesregierung ersteigert und bezogen. Nur wenige Jahre später zogen die Musiker wieder aus, verpachteten die Residenz. 2005 gründeten die Frechener Unternehmer Wilfried Vogt und Manfred Diel gemeinsam mit Sänger Joey Kelly die „Schloss Gymnich GmbH“, um das barocke Haus samt Park wieder in Schuss zu bringen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Restaurantbetrieb und die Veranstaltungen sollten Geld in die Kasse spülen, das wiederum für den Erhalt des Schlosses und des Parks eingesetzt werden sollte, wie seinerzeit betont wurde.

Kelly mit im Boot

Im Frühjahr 2006 meldete die GmbH nach der Festnahme Manfred Diel im Zuge der Heros-Pleite Insolvenz an. Diel habe mit dem unterschlagenen Geld neben Vereinen und weiteren Firmen auch die Schloss Gymnich GmbH finanziell unterstützt, hieß es. Seit dem 1. Mai 2006 ist eine Auffanggesellschaft tätig, eben die „Schloss Gymnich Erleben und Genießen GmbH“, Geschäftsführer ist wieder Wilfried Vogt, und auch Joey Kelly ist weiterhin als Gesellschafter im Boot.

Nach dem Unglück der kleinen Vivienne war bekannt geworden, dass die Betreiber 2005 ein Gutachten in Auftrag gegeben hatten. Demnach hätten etwa 120 Bäume gefällt werden müssen, um den Park sicher zu machen. Die Staatsanwaltschaft macht nach wie vor keine Angaben dazu, ob durch einen Übertragungsfehler im Gutachten der als krank bekannte Baum, der das Unglück auslöste, nicht gefällt worden war. Oder ob die Betreiber trotz des Gutachtens gar nicht erst die Fällarbeiten im Park haben durchführen lassen.

Die Stadt Erftstadt hat nach dem Unglück reagiert - nachdem sie von dem Gutachten erfahren hatte. Einige Tage später war eine Sturmwarnung herausgegeben worden. „Wir haben daraufhin die Balkhausener Straße gesperrt und uns darum gekümmert, dass die Bäume gefällt werden, die in dem Gutachten als nicht standsicher gekennzeichnet waren“, erklärt Hülsebus. Dabei handelte es sich um „die Bäume, die zur Balkhausener Straße reichten“. Denn die gefährdeten öffentlichen Raum. Per Ordnungsverfügung vom 11. Dezember 2006 wurden die Betreiber von Schloss Gymnich angewiesen, eben diese Bäume fällen lassen. Hülsebus: „Und auch um den Zugang zum Schloss haben wir uns gekümmert.“ Das sei aber eigentlich schon grenzwertig gewesen, denn das sei ja Privatbesitz. Zu den vertraglichen Einzelheiten - was etwa die Zuständigkeit für die Pflege des Schlossparks betrifft -, will Schloss-Gymnich-Sprecher Robert Schwienbacher nichts sagen. Nur so viel: „Seit Monaten laufen hier Pflegearbeiten einer Gartenbaufirma, auch derzeit sind Gärtner und Landschaftspfleger vor Ort.“ Die etwa 120 im Gutachten gekennzeichneten Bäume seien schon längst gefällt und noch einige weitere, die schon ziemlich geschädigt waren.

Auf Schloss Gymnich herrscht noch immer Betroffenheit wegen des Unglücks vor einem Jahr. „Die Kellys hat das sehr bewegt, uns alle vor Ort ebenfalls“, so Schwienbacher. „Das wird man auch nicht los, dieses Gefühl der Besorgtheit. Sobald ein heftiger Wind aufkommt oder gar Sturm angesagt ist, wird der gesamte Schlosspark gesperrt, und wir drehen Runden, um die Absperrungen und Schilder zu kontrollieren.“ Während des Weihnachtsmarktes, der derzeit an den Adventswochenenden stattfindet, ist jetzt grundsätzlich der Park geschlossen.

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