Die vielen Gesichter des Doms

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Original und Kopie: Dem Chef der Dombauhütte Anton Meid wurde zum Abschied ein steinernes Denkmal gesetzt - mit Baskenmütze und Handy am Ohr.

Original und Kopie: Dem Chef der Dombauhütte Anton Meid wurde zum Abschied ein steinernes Denkmal gesetzt - mit Baskenmütze und Handy am Ohr.

Der scheidende Chef der Dombauhütte erklärt kuriose Exemplare fantasievoller Steinmetzkunst.

Die Herren vom Deutschen Fußball-Bund hatten sich falsche Vorstellungen gemacht. „Die dachten, wir hätten Franz Beckenbauer und Gerd Müller am Dom“, sagt Anton Meid. Der scheidende Chef der Dombauhütte konnte den DFB-Oberen zwar zwei Kicker bieten, allerdings nicht die beiden Münchner Ex-Weltmeister, sondern zwei namenlose Sportler, in Stein gehauen an einem der Treppentürme an der Nordfassade der Kathedrale. Gleich neben zwei Handballern und einer Striptease-Tänzerin. Den Fußball-Funktionären genügte das offenbar, „denn wir haben dem DFB aus Alabastergips eine Kopie der Fußballer gefertigt“, so der 63-Jährige, der Ende Februar in den Ruhestand geht. Die stehe jetzt in einem Museum des Verbandes.

Fußballer, Tänzer, Frösche, Truthähne, Handwerker, Schauspieler, Ehefrauen, Dudelsackbläser - an der Außenfassade des Domes steht, sitzt oder hockt eine ganze Schar von Steinfiguren, deren Anwesenheit man an einem Gotteshaus nicht unbedingt vermutet. Als es nach dem Krieg darum ging, die zerstörte Kathedrale wieder herzustellen, habe Dombaumeister Willy Weyres den Handwerkern an der Nordfassade „ziemlich freie Hand“ bei der Auswahl ihrer Motive fürs Schmuckwerk gelassen. Einige der kuriosen Exemplare fantasievoller Steinmetzkunst sind sogar mit bloßem Auge von der Domplatte aus zu begutachten.

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Auf der Bahnhofsseite des Domes zum Beispiel, über dem Bonifatiusportal, unmittelbar neben der neuen Schatzkammer. Am Giebel über der Kirchentür sind, wie auf einer Treppe, Figuren angeordnet. Rechts oben steht ein Mann mit einem aufgeschlagenen Buch. „Das ist ein Gewerkschaftsfunktionär mit einem Tarifvertrag“, sagt Meid schmunzelnd. „So jedenfalls interpretierten die Handwerker damals die Figur.“ Unten rechts ein Frauenkopf, dort hat einer der Bildhauer seiner Ehefrau ein Denkmal gesetzt. Hella hieß sie, erinnert sich Meid, sei Anfang der 60er Jahre junge Mutter und „eine attraktive Frau“ gewesen.

Man geht zwei Schritte nach rechts und steht, zwischen den beiden Kirchenportalen, vor einem kleineren Giebel. „Rechts der dritte von oben, das soll Till Eulenspiegel sein“, sagt Meid. Und zwei Figuren weiter unten guckt ein Mann mit Schirm und Melone zur Erde. Mit Schirm und Melone? Gab's da nicht in den 60ern diese Kultserie im Fernsehen „Mit Schirm, Charme und Melone“? Genau, da steht John Steed am Dom, der Gentleman, der an der Seite seiner aufregenden Assistentin Emma Peel gegen die Bösewichte der Welt kämpfte. Wer mit einem Fernglas sorgfältig den Bereich über der etwas höher gelegenen Brüstung absucht, kann den ehemaligen Dombaumeister Arnold Wolff entdecken, mit Brille, Fliege, Fotoapparat an der Seite - und langen Koteletten, wie sie in den 70ern Mode waren. Unter seiner Regie, sagt Meid, seien dem Ideenreichtum der Handwerker übrigens wieder enge Grenzen gesetzt worden.

Wer einige Meter zurück geht, sich unter das Dach zwischen den beiden Kiosken stellt und über die Schatzkammer hinweg schaut, sieht etwas, das er dort lange Zeit nicht sehen konnte - und durfte: ein Wasserspeier in Gestalt einer jungen Frau, oben ohne. Zu sexy, urteilten damals die Verantwortlichen am Dom und ließen den Wasserspeier, in dem ein Bildhauer seine Frau verewigt hatte, erst einmal verschwinden. „Als sich die Zeiten geändert hatten und dringend ein Wasserspeier benötigt wurde, hat man ihn dann angebracht“, erzählt Meid. In luftiger Höhe und für Passanten nicht sichtbar lümmelt sich ein Paar unter Palmen, er hat eine Flasche am Mund, sie raucht einen Joint. Sinnbild für das Laster, geschaffen vom Bildhauer Karl Hölzl.

Zum Abschied haben die Mitarbeiter der Dombauhütte ihren Chef selbst in Basaltlava gehauen: mit der charakteristischen Baskenmütze auf dem Kopf, dem unverzichtbaren Handy am Ohr - und mit einem Fuß in einem Topf. Meid klärt auf: „Ich habe es nicht versäumt, ab und zu in ein Fettnäpfchen zu treten.“

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