Die Wunden des Brandes heilen langsam

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Nach umfangreichen Investitionen in Brandschutz und mit neuen Attraktionen will das Phantasialand Besucher zurückgewinnen.

Brühl - Die geheimnisvolle Burg in der Mitte des Parks nimmt Woche um Woche mehr Gestalt an. Hinter der liebevoll gestalteten Steinfassade sollen die Gäste bald auf einer Raftingbahn Strudelschnellen entlang jagen. Nichts erinnert noch daran, dass an dieser Stelle vor genau einem Jahr 20 000 Besucher in Panik aus dem Park flüchteten, als die Achterbahn in Flammen aufging.

Optisch sind die Wunden der Brandes geheilt, trotzdem wirkt die Katastrophe nach. Vor allem für die 63 Verletzten: „Ich besteige heute noch keinen Aufzug, prüfe in jedem Gebäude die Notausgänge. Die Unbefangenheit ist einfach weg“, erzählt Brigitte Johag, eine der Verletzten, die einen steifen Daumen zurückbehalten hat. Die vierjährige Tochter ihrer Stieftochter Susanne Wieland aus Kerpen reagiert immer noch selbst auf brennende Kerzen mit Panik. Die Hälfte aller Sach- und Personenschäden sind nach Angaben des Parks durch die Versicherung beglichen worden. Der Rest werde sukzessive abgearbeitet.

Laut Kölner Staatsanwaltschaft, die das Ermittlungsverfahren gegen den Park im August einstellte, sind auch von den zehn eingegangenen Strafanzeigen wegen fahrlässiger Körperverletzung mittlerweile die meisten Verfahren eingestellt. „Die übrigen werden wohl in den nächsten Monaten folgen“, schätzt Oberstaatsanwalt Bernhard Jansen. Als Brandursache konstatierten Landeskriminalamt und Versicherung Kurzschluss mit Kabelbrand. Die Sach- und Ausfallschäden in Höhe von 38 Millionen Euro wurden laut Parksprecherin Birgit Harpke inzwischen von der Versicherung „mehr oder weniger“ reguliert. Der 1. Mai - ein Tag, der auch deutlich gemacht hat, welch ein sensibles Gebilde ein Hightech-Freizeitpark ist. Die Fernsehbilder einer Achterbahn, die sich in Rauch auflöst, schreckte potenzielle Besucher: Auf 30 Prozent des Vorjahres ging die Besucherzahl zurück. Gegen Ende der Saison kletterte sie nach Angaben des Parks wieder auf 80 Prozent.

Nach dem Brand war allen Beteiligten klar: „Nachbessern“ war angesagt. Und zwar in Sachen Brandschutz. Kreisordnungsdezernent Hans Herrmann Tirre verlangte damals nicht nur die Vorlage des Nachweises aller verbauten Materialien. Er forderte zudem ein Sicherheitskonzept für den Park sowie die Aufhebung des Bestandsschutzes für alte Bahnen. Künftig müssten auch die Materialien der alten Anlagen dem neuesten Stand der Technik entsprechen, erklärte er.

Ein Jahr, nachdem sich der Rauch verzogen hat, hört sich das schon anders an: Die Aufhebung des Bestandsschutzes sei ein Eingriff in bestehendes Recht und damit ein langwieriges Verfahren, erläutert Tirre. Für eine solche Aufhebung müsse „drängend nachgewiesen werden, dass Gefahr im Verzug ist“, zitiert der Leiter des Brühler Bauamtes, Helmut Wiesner, das Gesetz. Und das sei eben ein schwieriges bis aussichtsloses Unterfangen. Daher sei es wirkungsvoller, auf Freiwilligkeit des Phantasialandes zu setzen. Zumal auch Brandschutzkonzepte für die einzelnen Anlagen laut Wiesner rechtlich erst ab dem Baujahr 2000 eingefordert werden können. Denn für die Anlagen aus der Zeit davor gilt: Bestandsschutz. Die Zusammenarbeit bezeichnen beide Seiten als hervorragend. „Das Phantasialand hat schon im eigenen Interesse freiwillig in den Brandschutz investiert“, betonte Ralf-Richard Kenter von der Geschäftsführung. So wurden nach dem Brand alle Anlagen sowie die Genehmigungen von Bauaufsicht und Feuerwehr detailliert geprüft. Für alle Attraktionen wurde eine Mängelliste erarbeitet. Die enthielt zum einen verpflichtende Auflagen, da, wo das Gefahrenpotenzial nachgewiesen werden konnte. So wurden etwa ein zusätzlicher Rettungsweg für die Wildwasserbahn eingefordert oder Ampeln in der Silbermine, die von dem einspurigen Phanti-Jet durchfahren wird. „Diese Maßnahmen sind vor der Saisoneröffnung abgenommen worden“, sagte Wiesner. Bei dem Rest handele es sich um Empfehlungen, die der Park freiwillig umsetzen könne und wolle.

So wurden 35 Brandschutzkonzepte für einzelne Anlagen, die vor dem Jahr 2000 gebaut wurden, entwickelt. „Von den darin aufgelisteten Maßnahmen wurden 80 Prozent bereits umgesetzt“, erläutert Kenter. Nächster Schritt ist nun die Umsetzung eines Gesamtsicherheitskonzeptes, das den kompletten Park berücksichtigt. Laut Bauordnung ist der Park auch dazu nicht verpflichtet, da er aufgrund der Emissionswerte nicht unter die Störfallverordnung fällt. „Trotzdem werden wir das von Brühler Bauamt entwickelte hervorragende Konzept umsetzen und zertifizieren lassen“, sagt Kenter. Dieses enthält Regelungen von Fluchtwegen aus dem Park über die Löschwasservorhaltung bis zum Schutz der Wohngebiete. Erste Ansätze, wie die nach dem Brand viel kritisierte Versorgung mit Löschwasser, wurden bereits in Angriff genommen: Die Stadtwerke haben die Kapazität erhöht und auch im Park wurden die Löschwasserreservoirs im Zuge der neuen Baumaßnahmen miteinander vernetzt und ein eigenes Tanklöschfahrzeug angeschafft.

Neben der Verbesserung des Brandschutzes hat das Phantasialand vor allem ein Saisonziel: Die im Jahr 2000 erreichte Zwei-Millionen-Marke soll und muss wieder angepeilt werden. Dafür geht der Park in die Vollen: Neben der mit großem Aufwand zu Saisonbeginn eröffneten Achterbahn „Wuze Town“ soll die oben erwähnte Rafting-Anlage im Laufe des Sommers die Zuschauermassen ebenso anziehen wie das sinnenverwirrende Abenteuer in dem mysteriösen chinesischen Palast, der an der Stelle des abgebrannten Tanagra-Theaters aufgebaut wird. Langfristig setzt der Park auf die von Freizeitpark-Experten empfohlene Strategie, mehr Besucher gleich für ein ganzes Wochenende zu gewinnen: Auf der wegen des Brandes ein Jahr brachliegenden Baustelle für das Phantasialand-Hotel wird seit April wieder eifrig gewerkelt. Eine aufwändig gestaltete Herberge im chinesischen Stil mit Luxus-Suiten, Pools und vielfältigen Wellness-Angeboten soll dafür sorgen, dass spätestens zur Hoteleröffnung im Sommer 2003 die magische Marke wieder erreicht wird.

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