Eine französische Affäre

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Hat Premierminister de Villepin (r.) ein Komplott gegen seinen Konkurrenten, Innenminister Sarkozy (l.) geschmiedet?

Hat Premierminister de Villepin (r.) ein Komplott gegen seinen Konkurrenten, Innenminister Sarkozy (l.) geschmiedet?

Schwarze Konten, gefälschte Listen und Spione. Viel Arbeit für die Untersuchungsrichter.

Paris - Der Krimi, der derzeit die französischen Medien bewegt, hat alle Zutaten für einen Bestseller. Eine Starbesetzung, Schauplätze in den Palästen der Macht und den Chefetagen der Hightech-Industrie, dazu Spione, Superhirne und leibhaftige Minister. Einen Haken hat die Geschichte: Das Schlusskapitel ist noch nicht geschrieben.

Begonnen hat alles vor fünf Jahren. Im Sommer 2001 eröffnete der Untersuchungsrichter Renaud Van Ruymbeke ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt. Es bestand der Verdacht, dass beim Verkauf französischer Fregatten an Taiwan Bestechungsgelder geflossen sind. Anfang Mai 2004 erhält der Jurist den anonymen Hinweis auf eine Organisation, zu der neben russischen Oligarchen auch einflussreiche Franzosen gehören sollen, darunter Manager der Unternehmen Thomson, Airbus und des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS. Alle hätten über die in Luxemburg ansässige Finanztransaktionszentrale Clearstream „Kommissionen“ erhalten für das Geschäft mit Taiwan. Es folgen Durchsuchungsaktionen, die zunächst ergebnislos bleiben.

Wochen später bekommt Van Ruymbeke erneut anonyme Post: Eine CD mit der Auflistung Hunderter von Geheimkonten bei Clearstream und einen Brief, in dem hochrangige Politiker bezichtigt werden, dort Geld gebunkert zu haben. Die Namen elektrisieren den Richter: Nicolas Sarkozy, zu dieser Zeit Superminister für Finanzen und Wirtschaft, sowie Dominique Strauss-Kahn, Alain Madelin und Jean-Pierre Chevènement, ihrerseits prominente Ex-Minister. Van Ruymbeke prüft die Informationen, und es zeigt sich schnell, dass der anonyme Informant, der „Corbeau“ (der „Rabe“, wie er in den Medien genannt wird), die Clearstream-Liste manipuliert hat. Im Klartext: Er hat Namen und Konten nachträglich hinzugefügt.

Keiner der Genannten hat sich etwas vorwerfen zu lassen, dieser Teil der Akte kann eigentlich geschlossen werden. Aber es gibt einen, der die Sache nicht auf sich beruhen lassen will und eine Verschwörung wittert: Nicolas Sarkozy. Er hegt den Verdacht, dass Dominique de Villepin, sein Nachfolger im Innenministerium, die ihn entlastenden und auf Geheimdienstrecherchen fußenden Ergebnisse zurückhielt, um ihm zu schaden. Die Jagd auf den Raben beginnt - ein zweiter Untersuchungsrichter, Jean-Marie d Huy, wird beauftragt. Und der vernimmt Anfang 2005 Pierre de Bousquet, den Chef des dem Innenministerium unterstehenden Inlandsgeheimdienstes (DST). Der hat wissen lassen, dass er nichts über den geheimnisvollen Informanten sagen könnte. Als offizieller Zeuge räumt der DST-Chef nun aber ein, dass Dominique de Villepin ihn im Juli 2004 aufforderte, „herauszufinden, was hinter dieser Geschichte steckt“.

Richter d Huy lässt sich nicht so leicht abspeisen und fordert von der „Kommission für das nationale Verteidigungsgeheimnis“ die Offenlegung der DST-Ermittlungen. Sie erfolgt im April 2005; und sie zeigt, dass die Schlapphüte fleißig ermittelten und auch einen Verdacht hinsichtlich des „Raben“ formulierten. Es soll sich um den Vizechef des EADS-Konzerns und einen seiner Mitarbeiter, einen hoch qualifizierten Informatiker, handeln. Bei beiden werden Büros und Computer untersucht. Auch sie berufen sich auf das „Verteidigungsgeheimnis“, und wieder setzt d Huy nach: Er verlangt im August 2005 von Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie die Aufhebung der Sperrvermerke.

Die Ministerin formuliert „Bedenken“ und reicht die Anfrage an die „Kommission“ weiter, wo sie seitdem schmort. Aber d Huy gibt nicht auf, und beim Verhör des Informatikers gibt dieser an, 2003 in die Dienste der EADS getreten zu sein und einen Kontakt zu einem Journalisten unterhalten zu haben, der zur Affäre Clearstream recherchierte. Ein Gutachten zeigt, dass auf den Computern des EADS-Vizes und des Informatikers kurz vor der Durchsuchung „zahlreiche Dateien vernichtet“ wurden.

Die Ereignisse überstürzen sich jetzt, denn nun taucht auch der Name von Philippe Rondot auf, französischer Superspion und bis Dezember 2005 Berater der Verteidigungsministerin für Geheimdienstangelegenheiten.

Ende Januar 2006 erhebt Nicolas Sarkozy „Zivilklage“. Neben dem Richter d Huy agiert nun auch sein Kollege Henri Pons. Die beiden entziehen den Ermittlern der Kripo die Untersuchung, schieben die Staatsanwaltschaft beiseite und durchsuchen ein Dutzend prominenter Büros: die der EADS-Spitzen ebenso wie die des Superspions Rondot, des Auslandsgeheimdienstes DGST und in der vergangenen Woche das Amtszimmer der Verteidigungsministerin, wo sie sogar die Panzerschränke öffnen lassen. Derzeitiger Stand der Ermittlungen: Der Informatiker entpuppt sich als „freiwilliger Geheimdienstmitarbeiter“ seit 2003, bezahlt von EADS. Die Staatsanwaltschaft ist empört über die Untersuchungsrichter, die ihrerseits nicht ausschließen, dass die nächsten Durchsuchungen beim Inlandsgeheimdienst und in der Regierungszentrale bevorstehen. Dort, im Matignon-Palast, sitzt Premierminister Dominique de Villepin, Konkurrent von Nicolas Sarkozy im bürgerlichen Lager für die Präsidentschaftskandidatur 2007. - Fortsetzung folgt.

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