Eine Historie mit viel Zündstoff

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Im Rahmen der Serie „Industriekultur“ wird in der heutigen Folge ein kurzer Abriss der Explosivstoff-Fabriken in Leverkusen und Leichlingen gegeben.

Ausführlich hat der „Leverkusener Anzeiger“ / „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Entwicklung dieses Industriezweigs dargestellt, als der Leichlinger Experte Friedrich Trimborn sein 1995 erschienenes Buch „Explosivstoffabriken in Deutschland“ vorstellte, auf das auch jetzt zur vertiefenden Lektüre hingewiesen wird. Ein halbes Dutzend solcher Fabriken wurde zwischen 1871 und 1907 im Gebiet der beiden Städte errichtet. Straßenbezeichnungen wie Zündhütchenweg in Küppersteg und Nobelstraße - früher: Dynamitweg, der zum Dynamithafen am Rhein führte - in Wiesdorf erinnern noch daran.

Immer wieder Explosionen

Das heute noch bestehende Werk der Firma Dynamit-Nobel war das erste, das in dieser Region die explosive Produktion aufnahm. Das war 1871. Die Errichtung der Fabrik war die Folge einer Explosion, durch die ein Jahr vorher in unmittelbarer Nachbarschaft die „Dynamitfabrik Kayser & Edelmann“ zerstört worden war. Diese war 1869 auf dem Hornpott-Gelände in Dünnwald in Betrieb gegangen. Der Neuaufbau erfolgte auf dem Schlebuscher Territorium, dem heutigen Werksstandort. Nach Umbau und Modernisierung übernahm Alfred Nobel die Oberleitung über den Betrieb, der ab 1874 als „Alfred Nobel & Co“ geführt wurde. 1888 bekam das Werk Bahnanschluss, es transportierte seine Sprengstoffe mit besonders gekennzeichneten Pulverwagen aber nach wie vor auch über die Straße zum Rhein, zum Dynamithafen stromabwärts, nördlich vom Wiesdorfer Ortskern.

Nicht weit von dem Schlebuscher Werk entfernt, im Gebiet der heutigen Waldsiedlung, ließ Emil Bichel ebenfalls eine Sprengstoff-Fabrik bauen, die 1887 die Produktion aufnahm und von Friedrich Trimborn als die „erste TNT-Fabrik der Welt“ bezeichnet wird. Die vor allem auf Wetter-Sprengstoffe für den Untertagebau ausgerichtete Firma nannte sich ab 1890 Sprengstoff- Aktiengesellschaft Carbonit. 1926 wurden nach einer schweren Explosion der Betrieb eingestellt und die Werksanlagen abgebrochen. Geblieben ist das ehemalige Kasino der Firma („Hotel Kürten“). Im Erdreich blieben die Altlasten zurück, von denen die Gärten der Waldsiedlungshäuser erst jüngst saniert worden sind.

An die Rheinische Zündhütchen- und Sprengkapselfabrik erinnert noch der Zündhütchenweg im Leverkusener Stadtteil Küppersteg. Von F. Paulus im Jahr 1876 errichtet gehörte das Unternehmen ab 1902 zur Fabrik elektrischer Zünder (FEZ) und wurde 1908 mit jener Zündhütchenfabrik zusammen gelegt, die Nikolaus Schmitt als Firma „Schmitt & Co“ im Jahr 1897 an der damaligen Fürstenbergstraße (heute: Heinrich-Claes-Straße) geschaffen hatte. Nach der Fusion von 1908 standen die vereinigten Firmen einige Jahre unter der Leitung von Nikolaus Schmitt, der 1914 übrigens zu den Mitbegründern des Fußballvereins Jahn Küppersteg gehörte.

Opladener protestierten

Die Zündhütchenfabrik von 1897 wurde 1924 liquidiert, das Betriebsgelände ein Jahr später der Stadt Wiesdorf zum Kauf angeboten. Das größere Unternehmen auf dem Gelände des heutigen Müllheizkraftwerks ging 1935 in einen großen Verbund über als „Vereinigte Deutsche Metallwerke AG, Zweigniederlassung Rheinische Sprengkapsel- und Zündhütchenfabrik Köln-Ehrenfeld, Fabrik Küppersteg“. Bis Ende des Zweiten Weltkriegs bestand das Werk, dann wurde es demontiert und komplett geschleift.

Die Rheinische Dynamitfabrik auf dem Heidegelände zwischen Opladen und Bürrig nahm 1873 den Betrieb auf. Wo heute die Straße Am Kettnersbusch von der Kölner Straße abzweigt, war die Werkseinfahrt. Nur 1,5 Kilometer vom Opladener Ortskern entfernt gelegen war das Werk wegen zahlreicher Explosionen immer wieder Gegenstand von Eingaben aus der Bevölkerung mit dem Ziel, die gefährliche Fabrik möge geschlossen werden. 1876 und '77 wurde der Betrieb erweitert auf den heutigen Sportplatz Birkenberg zu; 1900 bekam es einen Gleisanschluss und Schienenverbindung zum Bahnhof Opladen. Geschlossen wurde die Fabrik im Jahr 1926.

Fünf Jahre vorher war in Leichlingen das relativ kurze Kapitel einer Explosivstoff-Fabrik beendet worden. Am Ziegwebersberg hatte sich 1907 die Zündwarenfirma „Winter & Strunk“ etabliert, deren Produktionsprogramm Zündmasse und -plättchen umfasste. Als am 13. Februar 1921 mittags gerade Schichtwechsel war, ereignete sich eine folgenschwere Explosion: Die Fabrik flog in die Luft, 13 Todesopfer waren zu beklagen. Das Werk wurde nicht wieder aufgebaut.

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