Einst verpönte Malerei wieder in Speyer zu sehen

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Vitus Wurmdobler braucht für seine Arbeit viel Konzentration und eine sichere Hand. Foto: Uwe Anspach

Vitus Wurmdobler braucht für seine Arbeit viel Konzentration und eine sichere Hand. Foto: Uwe Anspach

Speyer. Für Vitus Wurmdobler ist es ein langgehegter Traum. Vor etwa 30 Jahren sah der Restaurator die monumentalen Gemälde zum ersten Mal, die bald wieder im Speyerer Dom zu sehen sein werden - doch erst einmal wurde ihm das Herz ganz schwer.

Denn die kostbaren Fresken lagen aufgerollt und fast vergessen in einem ungenutzten Nebensaal der berühmten Kathedrale. «Ich habe mich furchtbar geärgert, weil ich gesehen habe, dass das ganz große Kunst ist», sagt Wurmdobler.

Geschaffen hat die Fresken der Maler Johann von Schraudolph Mitte des vorletzten Jahrhunderts. Im Auftrag von Bayernkönig Ludwig I. zauberte der Künstler rund 100 Bilder auf bis zu 10 000 Quadratmeter Innenfläche des Doms, der heute größten erhaltenen romanischen Kathedrale der Welt. Die 1847 vollendete und mehr als sieben Meter hohe «Marienkrönung» gilt als sein Meisterwerk. Der Künstler wurde gefeiert, die Stadt verlieh ihm die Ehrenbürgerschaft.

Doch schon bald gab es Kritik an den religiös-romantischen Fresken, und die Gegner wurden über die Jahrzehnte immer lauter. Die Bilder seien zu bunt und wirkten billig, argumentierten sie. «Die Kritiker sahen in ihnen gigantischen Kitsch», sagt Wurmdobler. Schließlich stand fest: Sie müssen weg. 1957 begann eine Domrestaurierung, die zurück zu den Ursprüngen des riesigen Gebäudes im elften Jahrhundert führen sollte - Schlichtheit war nun das Motto.

Da störten auch der blaue Himmel und die goldenen Sterne, die damals noch die Decke des Doms zierten. Mit ihnen ging man ebenso wenig zimperlich um wie mit von Schraudolphs Malereien, von denen ein Großteil einfach abgemeißelt wurde. Die großen Fresken konnten buchstäblich in letzter Sekunde gerettet werden, sagt Wurmdobler. Sie wurden mitsamt der obersten Putzschicht abgelöst und aufgerollt. Nur wenige durften bleiben, sie schmücken bis heute das Mittelschiff.

Um die abgelösten Malereien wieder ansehnlich zu machen, befreite der Restaurator sie in jahrelanger Kleinarbeit von Putz- und Leimresten und übertrug sie auf Glasfasergewebe. In mehreren großen Stücken konnten sie nun aus seiner Werkstatt in Erbes-Büdesheim nach Speyer transportiert werden. Derzeit befestigt Wurmdobler sie zusammen mit seinen Mitarbeitern an den Wänden der künftigen Ausstellungshalle, dem Kaisersaal über der Vorhalle der Kathedrale. Für Besucher sind sie dort ab Ende Oktober in einer Dauerausstellung zu bewundern.

Damit, dass die Bilder in den Dom zurückkehren, sei schon sehr viel erreicht, sagt Restaurator Wurmdobler. Zu 100 Prozent zufrieden ist er allerdings noch nicht. Denn am liebsten wäre es ihm, wenn die Fresken an ihre Originalplätze im zum Unesco-Weltkulturerbe zählenden Dom zurückkehren könnten, sagt der 67-Jährige.

Doch das ist nicht geplant, wie die Verantwortlichen klarstellen. «Die heutige Gestaltung des Doms kommt seinem romanischen Ursprung näher und soll so erhalten bleiben», erklärt Domkustos Peter Schappert. Der Kaisersaal sei ein sehr geeigneter Ort, um den künstlerischen und religiösen Wert der Fresken zu würdigen. So sei eine gute Lösung gefunden. (dpa)

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