Elite-Eintritt oder Karrierekiller?

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Ein Doktortitel ist nicht immer karriereförderlich.

Ein Doktortitel ist nicht immer karriereförderlich.

Was bei Medizinern zum guten Ruf gehört, kann Germanisten sogar schaden: Ob ein Doktortitel wirklich etwas bringt, ist davon abhängig, in welchem Fach und unter welchen Umständen er erworben wird. In der Unternehmensberatung geht es beispielsweise viel um Kundenkontakt. Hier ist der Titel mit einem Glaubwürdigkeitsgewinn verbunden, sagt Sörge Drosten, Partner bei Kienbaum Executive Consultants: "Der Doktortitel wird mit Kompetenz assoziiert." Er rät, bei der Promotion mit einem Unternehmen zusammenzuarbeiten, um nicht völlig den Anschluss ans Berufsleben zu verlieren. "Wichtig ist, dass hinter dem Titel tatsächlich eine Kompetenz steht", sagt Drosten. Dann seien die Unternehmen auch bereit, ein höheres Gehalt zu zahlen. 46 000 Euro im Jahr verdienen sehr gut ausgebildete Berufseinsteiger im Schnitt, rechnet Drosten vor. Bei Promovierten liege das Einstiegsgehalt dagegen bei durchschnittlich 51 500 Euro. Gegenüber einem MBA (Master in Business Administration) genieße der Doktortitel in der Wirtschaft einen besseren Ruf. Von einer Promotion allein der Karriere wegen rät Drosten jedoch ab. Denn so eine Doktorarbeit dauert im Schnitt drei bis fünf Jahre - eine lange Zeit, wenn man nur hinter den zwei Buchstaben her ist, aber kein ausgeprägtes wissenschaftliches Interesse hat. "Dann droht die Gefahr, dass die Promotion nicht abgeschlossen wird", so Sörge Drosten.

In den Geisteswissenschaften gehört der Titel nur selten zum Pflichtprogramm. Germanisten wird sogar dringend davon abgeraten, weil der Doktor die Chancen auf dem sowieso begrenzten Arbeitsmarkt noch reduziert. Nach einer Studie der Berufsforscher Jürgen Enders und Lutz Bornmann beginnen die promovierten Germanisten mit einem geringeren Einstiegsgehalt als ihre nichtpromovierten Kollegen. Denn wer promoviert, wird unter Umständen alt über der "Diss" und ist dann im Zweifelsfall auch noch überqualifiziert für den Arbeitsmarkt. Eine Ausnahme bilden die Kunstgeschichtler: "Wegen der angespannten Lage ist der Doktor Standard", erklärt Gerd Moersch, Doktorand am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln. Selbst um an eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Museum zu kommen, brauche man inzwischen oft einen Titel.

Noch wichtiger als bei Kunstgeschichtlern ist der Doktortitel in naturwissenschaftlichen Fächern wie Chemie oder Biologie. So haben etwa 99 Prozent der bei Bayer beschäftigten Chemiker promoviert. Das liegt am Aufbau des Studiums, meint Dirk Pfenning, bei Bayer zuständig für das Hochschulmarketing. "Das Studium ist sehr passiv ausgerichtet. Die Promotion ist die erste völlig eigenständige wissenschaftliche Arbeit." Selber Ziele formulieren, diese Ziele erreichen und dabei den Zeitplan einzuhalten - das sind Qualifikationen, die nicht nur für die Dissertation von Bedeutung sind, sondern auch für die Arbeit bei einem Konzern wie Bayer.

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Auch für Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure ist die Promotion wichtig. So fand das Kölner Staufenbiel-Institut heraus, dass immerhin 45 Prozent der Unternehmen von einem Ingenieur eine Promotion erwarten. Bei den Wirtschaftswissenschaftlern liegt dieser Wert bei 41 Prozent.

Wer als Jurist Karriere machen will, kommt um einen Doktortitel ebenfalls nicht herum. "Die wichtigsten Juristen mit höchstem Einfluss auf Politik und Rechtssystem haben den Doktorgrad", sagt Wissenschaftsberater Dr. Martin Drees. Einer aktuellen Untersuchung seines Instituts zufolge haben 81 Prozent der höchsten Richter und 53 Prozent der Rechtsanwälte in Elitekanzleien promoviert. Junge Rechtsanwälte mit Doktortitel erhalten seinen Angaben zufolge zu Beginn der Berufstätigkeit rund 20 000 Euro mehr als ihre nicht promovierten Kollegen. Im Laufe des Lebens summiere sich der Einkommensvorteil sogar auf etwa 565 000 Euro.

Doch selbst wenn nach der Promotion ein lukrativer Job winkt - erst mal muss so ein Vorhaben finanziert werden. Wenn die Eltern nicht einspringen, gibt es die Möglichkeit, ein Promotionsstipendium zu beantragen. Aber dieser Weg wird zunehmend schwieriger, wie Gerd Moersch erfahren hat: "Ich hatte immer gute Noten. Aber die Zahl der Bewerber hat so zugenommen, dass gute Noten allein nicht mehr ausreichen." Sein Geld verdient er sich jetzt als Volontär in einem Museum. Durch die Zeit, die er dort investiert, dauert seine Promotion mindestens ein Jahr länger. Arbeiten und promovieren gleichzeitig - dafür braucht man viel Motivation und Durchhaltevermögen, meint Moersch: "Eine Doktorarbeit neben einem Job zu schaffen ist auf jeden Fall eine große Herausforderung."

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