Ewig «Mephisto»: Vor 50 Jahren starb Gustaf Gründgens

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Gustaf Gründgens als Mephisto 1959 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Foto: Gerd Herold

Gustaf Gründgens als Mephisto 1959 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Foto: Gerd Herold

Hamburg – «Ich habe immer zu viel gearbeitet und vergessen zu leben. Jetzt will ich vor Toresschluss noch rasch lernen, wie man lebt», sagte Gustaf Gründgens in seinem einzigen Fernsehinterview.

Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Kurz nachdem er im Herbst 1963 die lange geplante Weltreise mit seinem Lebensgefährten angetreten hatte, starb der legendäre Schauspieler, Regisseur und Intendant in einem Hotel in der philippinischen Hauptstadt Manila. Er hatte - ob aus Versehen oder mit Absicht, wird wohl niemals zu klären sein - eine Überdosis Schlaftabletten genommen. Auf einem Briefumschlag, den man in seinem Schlafzimmer fand, stand: «Ich habe glaube ich zu viel Schlafmittel genommen, mir ist ein bisschen komisch. Lass mich ausschlafen.»

Auch 50 Jahre nach seinem Tod polarisiert der Künstler, der durch seine Rolle des «Mephisto» in Goethes «Faust» weltberühmt wurde - nicht zuletzt wegen seiner kontrovers diskutierten Rolle im Nationalsozialismus.

Er war - so der Autor Thomas Blubacher, der Anfang des Jahres eine neue Biografie zu Gustaf Gründgens vorgelegt hat - je nach Perspektive der skrupellose, erfolgssüchtige Karrierist, «ein Virtuose im Sich-Arrangieren mit dem NS-Regime», der dessen Kulturfassade aufpolierte, oder der menschlich integre und dabei persönlich gefährdete Intendant, der mit seinem Theater einen Freiraum innerhalb des totalitären Staates schuf und couragiert bedrohte Kollegen schützte.

Zum 50. Todestag am 7. Oktober erinnert seine Heimatstadt Düsseldorf mit zahlreichen Veranstaltungen an den legendären Theatermann. Begraben ist Gründgens in einem Ehrengrab auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf.

«Ich habe nur eines gewollt in meinem ganzen Leben: Schauspieler sein. Alles andere war surplus, das kam dazu. Regie, na schön, ich hab's gemacht», sagte Gründgens in dem TV-Interview. Intendant habe er nie werden wollen und sei es auch nicht gerne gewesen. Er war ein Künstler, der Fantasie und Intelligenz gleichermaßen besaß und immer nach Perfektion strebte. Schon die Schauspielschule bescheinigte ihm 1920 ein «ungewöhnliches Talent für die sinnfällige Ausformung der seelischen Struktur problematischer Naturen». Neben seinen zahlreichen Bühnenrollen - von Hamlet über Faust bis König Philipp II. - spielte er auch in Filmen wie Fritz Langs «M - Eine Stadt sucht einen Mörder» (1931), «Tanz auf dem Vulkan» von Hans Steinhoff (1938) oder «Der Schritt vom Wege» (1939).

Geboren wurde Gründgens am 22. Dezember 1899 in Düsseldorf, wo er auch die Schauspielschule besuchte. Erste Theatererfolge feierte er an den Hamburger Kammerspielen, wo er die Geschwister Klaus und Erika Mann kennenlernte - und schließlich Erika sogar 1926 heiratete, obwohl seine Homosexualität kein Geheimnis war. Mit seinem Ex-Schwager rechnete Klaus Mann später in seinem berühmten Roman «Mephisto - Roman einer Karriere» ab, der kaum verschlüsselt Gründgens' beispiellose Karriere im NS-Reich schildert. Unmittelbar nach Kriegsende einige Monate interniert, übernahm Gründgens später die Leitung der Bühnen in Düsseldorf und schließlich von 1955 bis 1962 das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg.

Er war wohl «ein großartiger Künstler, aber kein einfacher Mensch», fasst Blubacher seine Recherchen zusammen. Wichtig war Gründgens nur sein Beruf, von dem er besessen war. «Er wollte Kunst um jeden Preis machen», sagte seine zweite Ehefrau, Marianne Hoppe, mit der er von 1936 bis 1946 verheiratet war. Das Theater war seine Wirklichkeit. Sein «wahres Ich» verbarg er so weit er konnte hinter den vielen Bühnenfiguren - dahinter entdeckte Blubacher «einen erstaunlich unsicheren, an sich selbst verzweifelnden, zutiefst einsamen Menschen». Allein bei der Grablegungsszene im «Faust» empfindet Gründgens «ein tiefes Glücksgefühl».

Thomas Blubacher: Gustaf Gründgens, Biographie, Henschel Verlag, Leipzig, 432 Seiten, Euro 34,90, ISBN 978-3-89487-702-6 (dpa)

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