ExpertenkolloquiumArchiv stand vor einer besseren Zukunft

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Innenstadt – Es ist keine drei Wochen her, dass im Erdgeschoss des nun zerstörten Archivgebäudes über eine bessere Zukunft diskutiert wurde. Am Abend eines ganztägigen Expertenkolloquiums, bei dem im Auftrag des Stadtrates über Standort, Aussehen und Ausgestaltung eines neuen Gebäudes für das Historische Archiv der Stadt Köln gesprochen wurde, gingen die Teilnehmer mit dem Gefühl auseinander, einen wichtigen Schritt nach vorne getan zu haben: Ein neues Haus musste her für das Gedächtnis der Stadt (für das anfangs noch ein Gewölbekeller im Rathausturm ausgereicht hatte), das war allen Beteiligten klar. Schließlich hatte die völlige bauliche Vernachlässigung des 1971 erbauten - und damals wegen seiner neuartigen Form der natürlichen Klimatisierung als „Kölner Modell“ gerühmten - Archivhauses an der Severinstraße für unhaltbare Zustände gesorgt.

Temperaturen bis 30 Grad

So hatte man in den heißen Sommern 2003 und 2006 bis zu 30 Grad in Teilen der Archivgebäuden gemessen - ein fast tödlicher Zustand etwa für die Wachssiegel an zahlreichen der mehr als 65 000 historischen Urkunden, die hier aufbewahrt wurden. Und auch die Technik war mehr oder weniger auf dem Stand der Bauzeit eingefroren. So mussten sich noch vor drei Jahren die damals 26 Mitarbeiter des Hauses einen einzigen Internet-Anschluss teilen. Schlimmer noch, es gab nicht einmal eine archivische Erschließungssoftware.

Das Gedächtnis der Stadt, es war den Kölner nicht viel wert in den letzten Jahren. Erst in jüngster Vergangenheit war Bewegung in die Archiv-Diskussion gekommen: Bettina Schmidt-Czaia, seit November 2005 Leiterin des Hauses, hatte energisch dessen Öffnung nach außen betrieben. Ein „Bürgerarchiv“ sollte es wieder werden, kein Elfenbeinturm für Gelehrte. Die Öffnungszeiten wurden erheblich ausgeweitet, die Benutzerfreundlichkeit durch schnelle Zugriffe auf die Archivalien erhöht. Dennoch, die Kapazität des Neubaus war 1971 berechnet worden auf einen Zuwachs von insgesamt 30 Jahren. Das Haus war voll, so voll, dass Teile der Bestände - allerdings nicht die wertvollsten - bereits ausgelagert sind. So gibt es ein Außenlager in Kalk, im Friedrich-Wilhelm-Gymnasium gegenüber des Stadtarchivs waren ebenfalls Kellerräume angemietet.

Die Erkenntnis, dass all das nicht reichte, setzte sich indes bei den Verantwortlichen nur sehr langsam durch. Erst mit dem kühnen Vorschlag, das Stadtarchiv wieder zurück in den historischen Bau am Gereonskloster, Standort des Hauses von 1893 bis 1971, zu verlegen und dort durch umfangreiche Neubauten im Rahmen der Neuplanung des Gerling-Areals zu ergänzen, kam Bewegung in die Debatte um einen neuen Archivbau. Indes waren die bereits bis ins Detail ausgearbeiteten Pläne der Politik zu teuer - und so begann im vergangenen Jahr eine neue Standortsuche.

Drei mögliche Bauplätze

Drei mögliche Bauplätze präsentierte Engelbert Rummel, der Leiter der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln, dann beim Expertenkolloquium im Februar dieses Jahres: Ein städtisches Grundstück am Eifelwall, ein Bauplatz auf dem Gelände des ehemaligen Barmerviertels am Südeingang der Messe in Deutz - und ein Grundstück direkt gegenüber des nun zerstörten Archivs auf dem Areal des einstigen Polizeipräsidiums am Waidmarkt. Nun sollte eigentlich die Politik wieder an der Reihe sein: Die Entscheidung über den Neubau war möglichst zeitnah zu treffen, um den Zugriff auf die in Frage kommenden Grundstücke nicht zu verlieren.

Etwas schneller mit seinem Neubau war das Historische Archiv des Erzbistums Köln an der Gereonstraße, dessen aufwändige, unterirdische Erweiterung bereits 2007 fertig geworden war. In den auf Zuwachs angelegten und deswegen noch teilweise leeren Räumen hatte sich auch das Stadtarchiv eingemietet und hier seit kurzem bereits kleinere Bestände untergebracht. Ulrich Helbach, der Leiter des Erzbischöflichen Archivs, machte sich gestern Abend wenig Illusionen über den Zustand der Archivalien im Stadtarchiv: „Der Eindruck der Bilder ist schockierend.“ Er habe allerdings gewisse Hoffnungen, dass die massiven Betondecken des eingestürzten Baus auch im Zusammenbruch schützend gewirkt hätten. Dennoch, so Helbach: „Der Schaden ist nicht absehbar.“ Absolute Priorität habe natürlich die Suche nach Vermissten und möglichen Opfern des Einsturzes. Danach müsse jedoch alsbald ein Dach über den Trümmern errichtet werden, damit eventuell zu rettende Archivalien nicht noch zusätzlich, geschädigt würden - etwa durch Regen. Das Erzbischöfliche Archiv stehe jedenfalls für Hilfe in jeder Form bereit, sobald das Stadtarchiv rufe, sagte Helbach.

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